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Das Geschäft mit der Angst

Ob Pharma, Versicherung, Security oder Werbung – ein kleiner Adrenalinschub belebt das Geschäft. Vom Businessfaktor Angst profitieren jedoch nicht nur seriöse Branchen und Unternehmen. Das Angst-Business zieht auch Grenzgänger und Obskuranten an.

Grippe-Alarm am Traumschiff! Schock-Meldung!« So schlagzeilte die Tageszeitung »Österreich« schon im Sommer, als die Schweinegrippe nicht einmal vor dem exklusiven Kreuzfahrtschiff »Voyagers of the Seas« Halt machte. Wenn das hinterfotzige Virus H1N1 nicht einmal »Reich und Schön« verschont, gibt es im Boulevard kein Halten mehr. Horrorprognose! Solche Meldungen sind Wasser auf die Mühlen des Medien-Business – und der Pharmaindustrie. Die Kosten der gerade angelaufenen Massenimpfungen werden alleine in Europa auf rund drei Milliarden Euro geschätzt. In einer Gesundheitsgleichung mit vielen Variablen gibt es zwei Konstanten: Die Gazetten haben ihre Storys und der Pharmasektor wird verdienen. Die Klammer der beiden Konstanten ist Angst und Verunsicherung. Da mag sich Ärztekammer-Chef Walter Dorner noch so sehr für die Impfung  in die Bresche werfen. Aber was nützt das schon, wenn als mediale Replik dutzende anderer Ärzte und Wissenschaftler über den »Großversuch« wettern? Wenn sich schon die Götter in Weiß und die Wissenschaft nicht einig sind, ob die Impfung ein Segen für die Menschheit oder nur ein Segen für die Bilanzen der Pharmaindustrie ist, wie sollen dann normale Konsumenten reagieren? Bundespräsident Heinz Fischer ließ sich medienwirksam impfen, Gesundheitsminister Alois Stöger nicht. Auch Infrastrukturministerin Doris Bures zählt zu den Verweigerern und will sich von »Händeschütteln und Bussln« nicht abbringen lassen.
In seriösen Medien herrscht Einigkeit, dass bei der Bevölkerung Verwirrung und Chaos herrschen. Zustände, die für die meisten Unternehmen Gift sind. Erinnert sei an die Vogelgrippe: Das Virus forderte weltweit zwar nur wenige Todesopfer, versetzte aber wegen seiner Aggressivität und hohen Sterblichkeitsrate der Weltwirtschaft einen herben Tiefschlag. Der Tourismus und das Geschäft der Fluglinien stockte, Produktion, Lieferketten und Absatzwege waren beeinträchtigt. Wie sich die Schweinegrippe auf die Wirtschaft auswirken wird, ist noch unklar. Sicher ist nur, es wird teuer. Der Versicherungskonzern Allianz und ein Wirtschaftsforschungsinstitut bezifferten vor wenigen Tagen den Schaden für die deutsche Wirtschaft zwischen zehn und 40 Milliarden Euro, je nach Schwere des Verlaufes. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt könnte im schlimmsten Fall um 1,6 Prozent sinken – weniger als ursprünglich befürchtet, da die Produktionsleistung krisenbedingt ohnehin bereits gedrosselt ist. Neben der Pharmaindustrie gibt es weitere Gewinner. Den deutschen  Spitälern könnten laut der Allianz-Studie Mehreinnahmen von über vier Milliarden Euro entstehen.

Stunde der Risk-Manager
Belebend wirkt die Schweinegrippe auch auf das Geschäft der Risk-Manager. Die Wiener Neustädter Risk Management Austria rät verantwortungsbewussten Managern und Firmeninhabern, sich für den Fall der Fälle Gedanken zu machen – und bietet entsprechende Risikoanalysen und Risikomanagement. Was passiert, wenn viele Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen, ist eines der Szenarien, das beispielsweise analysiert wird. Auch die erst im September gegründete Koban Group Austria, ein Markendach von sieben traditionsreichen Versicherungsmaklern mit mehr als 1.000 Firmenkunden, setzt neben klassischen Sachversicherungen oder betrieblicher Altervorsorge auch auf Risk Management. »Das können sonst nur die ganz großen Gesellschaften«, sagt Klaus Koban. Firmengründer und Jurist Koban war bis vor kurzem Leiter des Makler- und Industrievertriebs der österreichischen Allianz-Gruppe und gilt in der Branche als Spezialist für strategisches Risikomanagement, Risikotransfer und Vorsorge. Sind Angst und Irrationalität im Spiel, dann schlägt aber auch die Stunde der Obskuranten.
Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wurde die Schweinegrippe blitzschnell als einmalige Chance erkannt. In den USA sprießen Wunderheiler nur so aus dem Boden und überschwemmen den Markt mit Zauberpräparaten wie Anitvirus-Teemischungen, Haarshampoos oder Silberionen-Medikamenten. Letztere töten freilich nicht nur Bakterien ab, sondern bringen auch die Anwender in Lebensgefahr. Die US-Arzneimittelbehörde sah sich daher kürzlich genötigt, die Bevölkerung vor Scharlatanen zu warnen, die vor allem im Internet umtriebig sind. Im Netz sorgt auch eine Wiener »Medizinjournalistin« namens Jane Bürgermeister für Furore. Die angebliche Wienerin zeigte US-Präsident Barack Obama, UNO, WHO, den Pharmakonzern Baxter und dutzende weitere Personen und Institutionen beim FBI an. Wo sonst wären die ungeheuerlichen Vorwürfe schon gut aufgehoben? Bürgermeister mutmaßt, dass es sich bei den Schweinegrippeimpfungen um den Einsatz »biologischer Waffen« handelt. Im Internet schwurbelt Bürgermeister zudem, dass es sich bei den Impfungen um einen planvollen Genozid handeln könnte. Viel ist von Bürgermeister nicht bekannt, spendenwillige Paranoiker und Weltverschwörungsfans finden jedoch eine Kontonummer – womit der ganze Affenzirkus wahrscheinlich auch schon erklärt ist.

Angst macht Kasse
Angst ist aber auch das Zauberwort für die schwarzen Schafe der IT-Security-Branche. »Klicken Sie hier, wenn Sie Ihren PC schützen wollen!« Wer vorher keinen Virus auf der Festplatte hatte, fängt ihn sich spätestens nach dem Klick ein. Im besten Fall bekommt man für ein paar Euro oder Dollar ein wirkungsloses Antivirenprogramm.
Mit Angst spielen auch die Werber gerne. Manchmal tun sie zu viel des Guten. In Deutschland ist »Angstwerbung« per Gesetz verboten. In Österreich hat sich der Werberat einen Kodex verordnet, der all zu viel Kreativität einbremsen soll (siehe Kasten). Um ein echtes Problem scheint es sich hierzulande ohnehin nicht zu handeln: »In Österreich gab es bisher keine einzige Beschwerde wegen Angstwerbung«, sagt Markus Deutsch, Geschäftsführer des Fachverbands Werbung.
Auch für die Security-Branche ist Angst ein Faktor der sich belebend auf das Geschäft auswirkt. Eine umfangreiche Studie des Verbandes der Sicherheitsunternehmen (VSÖ) ergab, dass sich die Wirtschaftskrise deutlich auf das Sicherheitsgefühl der Unternehmen auswirkt (siehe Kasten). Vor allem KMU bekunden, dass sie materielles und geistiges Firmeneigentum zukünftig besser absichern wollen.
Für die Verbandsmitglieder des VSÖ ist das ein Segen. Alarmanlagen, Überwachungskameras oder Sicherheitsschlösser stehen auf der Anschaffungsliste der Unternehmen ganz oben. Aber auch die professionelle Absicherung der IT rückt immer mehr in das Bewusstsein der Firmen. Des einen Freud des anderen Leid: Vor allem in Wien ist auch die Wohnbevölkerung verunsichert. Die Krise verschärft das wegen der gestiegenen Zahl von Einbrüchen ohnehin vorhandene Unsicherheitsgefühl. Fast die Hälfte der Wiener empfindet die Sicherheit ihres Eigentums jetzt als viel wichtiger. Immerhin 14 Prozent werden zukünftig mehr in Sicherheitseinrichtungen investieren.
Als krisenfest erweist sich auch die Versicherungsbranche – Versichern beruhigt eben. Günter Geyer, Vienna Insurance Group-Boss und Präsident des Versicherungsverbandes, konnte selbst für das Krisenjahr 2008 ein leichtes Plus vermelden. Heuer und 2010 werden für die Branche zwar schwierige Jahre, von einer Katastrophenstimmung ist freilich weit und breit nichts zu spüren. Auch im Ostgeschäft, an dem Geyer ohnehin nie gezweifelt hat. Rückenwind für Geyers Optimismus gibt der jüngste CEE-Geschäftsklimaindex. Seit Sommer haben Österreichs »Ostkaiser« ihre Geschäftserwartungen in Mittel-und Osteuropa bereits zweimal in die Höhe geschraubt. 

 

Exkurs I: Grenzfall Angstwerbung
In Deutschland ist »Angstwerbung« definitiv ein No-no. Unternehmen und Werber, die irrationale Sorgen und Ängste der Kundschaft zwecks eigener Absatzsteigerung schüren oder ausnützen, legen sich mit dem Wettbewerbsrecht an, das solche Praktiken als unlauter und sittenwidrig brandmarkt. Grenzfälle sind vorprogrammiert. Eine Werbekampagne von Sony verbildlichte, was passiert, wenn man bei der Präsentation nicht auf Sony-Technik setzt: Ein verzweifelter Manager verpasst einen Millionen-Auftrag. Auftrag weg – Job weg, lautete die wenig subtile Botschaft. Das Werbefachblatt Horizont ätzte damals: »Sitzt die Angst in seinem Nacken, wird der Mann sich Sony packen.« Österreich kommt ohne einschlägige Paragraphen aus, das UWG gibt lediglich allgemeine Richtlinien. Dafür setzt der Österreichische Werberat via Kodex auf freiwillige Selbstbeschränkung. Das klingt nicht rasend scharf, dürfte aber gut funktionieren: Bislang trudelte beim Werberat keine einzige Beschwerde wegen Angstwerbung ein.

Exkurs II: Erhöhtes Sicherheitsbedürfnis
Der Verband der Sicherheitsunternehmen (VSÖ) ließ untersuchen, wie sich die Finanzkrise auf das Sicherheitsgefühl von Unternehmen auswirkt. Das Fazit einer umfangreichen Karmasin-Studie: Das Sicherheitsgefühl ist deutlich beeinträchtigt, das Schutzbedürfnis für materielles wie geistiges Eigentum steigt. Massive Ängste gibt es in Bezug auf Diebstahl und steigende Kriminalität. Obwohl die Dichte der Unternehmen, die bereits über Sicherheitsmaßnahmen verfügen, hoch ist, planen weitere 13 Prozent zusätzliche Investitionen. Ganz oben auf der Einkaufsliste stehen Alarmanlagen, Kameras und Sicherheitsschlösser. Immerhin noch sechs Prozent der Unternehmen wollen Leibesvisitationen ausbauen oder in zusätzliches Wachpersonal investieren.

Last modified onDienstag, 17 November 2009 16:40
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