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"Firmen verpassen Chancen"

Foto: Christian Erhart: »Arbeit wird uns nicht ausgehen.« Foto: Christian Erhart: »Arbeit wird uns nicht ausgehen.«

Warum Unternehmen und Bewerber oft nicht zueinander finden, erklärt Christian Erhart, Geschäftsführer der Online-Plattform Jobswype.

(+) plus: Nur jeder Dritte fühlt sich für seinen Job perfekt qualifiziert. Woher kommt dieser »mismatch«?

Christian Erhart: Angebot und Nachfrage driften auseinander. Was am Arbeitsmarkt angeboten wird, entspricht oft nicht den Kompetenzen der Bewerber. Ein-Euro-Jobs werden von überqualifizierten Personen besetzt, weil sie keine Aussicht auf eine bessere Stelle haben oder das als Übergangsjob sehen. Es ist nicht ihr Traumberuf, aber irgendwie müssen Arbeitssuchende ja ihr Auskommen finden. Es betrifft vorwiegend Gruppen, die sich die Arbeit nicht unbedingt aussuchen können.

(+) plus: Daneben gibt es sogenannte »Downshifter«, die sich beruflich verändern wollen und dafür bewusst Abstriche bei Status und Einkommen in Kauf nehmen. Wie können sie potenzielle Arbeitgeber überzeugen?

Erhart: Die Frage ist, warum sie es machen – z.B. um ihre Work-Life-Balance zu optimieren. Natürlich kann auch Überforderung dahinterstecken. Wie das im Vorstellungsgespräch argumentiert wird, ist eine andere Geschichte. Es ist ja durchaus legitim, aus dem Karriererad auszusteigen und eine fachlich anspruchsvolle Aufgabe anzustreben, die nicht unbedingt eine Führungsposition beinhaltet.

(+) plus: Eigentlich müssten sich
Unternehmen über das höhere Potenzial freuen. Überwiegt dennoch die Befürchtung, überqualifizierte Mitarbeiter könnten sich langweilen?

Erhart: Das hängt davon ab, wie es die Personalverantwortlichen interpretieren. Wenn ein Bewerber diesen Downshift will, wird es für das Unternehmen positiv sein, weil er trotzdem zufrieden und motiviert ist. Wenn er sich nur für den Job bewirbt, weil er nichts Besseres findet, ist es problematisch. Das soziale Gefüge im Unternehmen sollte jedenfalls intakt bleiben. Ein großes Thema in diesem Zusammenhang ist die Bezahlung. Das Gehalt ist zwar meist tabu; sollte aber hier ein Austausch unter den Mitarbeitern stattfinden, könnte es durchaus zu Spannungen kommen.

(+) plus: Durch die zunehmende Digitalisierung fallen Jobs auf der untersten Ebene weg. Bleiben Geringqualifizierte auf der Strecke?

Erhart: Das ist je nach Branche unterschiedlich. Der gesamte Bereich der Pflege wird sicher nicht durch menschenähnliche Roboter ersetzt. In der Produktion ist die Einsparung von Personal aber sehr wahrscheinlich. Die Automatisierung findet schon seit einigen Jahren statt, trotzdem ist die österreichische Wirtschaft sehr erfolgreich. Wir haben derzeit fast Vollbeschäftigung. Das widerspricht eigentlich der These, wonach immer mehr Jobs verschwinden. Ich sehe den gegenteiligen Effekt: Arbeit wird uns nicht ausgehen.

(+) plus: Wie bringen Sie Angebot und Nachfrage zueinander?

Erhart: Wir betreiben eine Jobsuchmaschine und recherchieren auf dem gesamten österreichischen Arbeitsmarkt offene Stellenangebote. Die freien Stellen werden auf unserer Plattform Jobswype präsentiert. Viele Unternehmen kontaktieren uns auch aktiv, diese Angebote werden vorgereiht. Der Vorteil liegt in der größeren Reichweite. Wenn ein Jobangebot nicht wahrgenommen wird, bewirbt sich niemand.

Für Arbeitssuchende bieten wir einen E-Mail Alert-Service: User können sich anmelden und erhalten eine Nachricht, wenn ein passendes Jobangebot eintrifft. Außerdem publizieren wir regelmäßig einen Blog mit Tipps für Bewerber.

(+) plus:Woran liegt es, wenn sich für ein Jobangebot keine geeigneten Bewerber melden?

Erhart: Aufgrund unserer Erfahrungen wissen wir, dass Inserate oft nicht die gewünschte Außenwirkung zeigen. Die Darstellung ist hier entscheidend, aber natürlich auch die Textierung. Das betrifft vor allem relevante Schlagwörter, nach denen potenzielle Mitarbeiter suchen. Es hilft recht wenig, wenn im Titel »Küchenleiter« steht, aber keine verwandten Begriffe in der Stellenbeschreibung vorkommen. Das Inserat wird dann nicht gefunden. Fachbezeichnungen wie »Chef de Rang« oder »Sous Chef« sollten im Text aufscheinen. 

(+) plus: Können es sich Unternehmen noch leisten, Bewerber mit ausländischem Namen auszusieben, wie das in Studien nachgewiesen wurde?

Erhart: Firmen verpassen Chancen, wenn sie aufgrund dieser Vorurteile geeignete Leute nicht berücksichtigen. Erst wenn sich Firmen die Arbeitskräfte nicht mehr aussuchen können, werden Name und Herkunft keine Rolle spielen. Im Tourismus herrscht bereits ein massiver Fachkräftemangel.

Für Betriebe, die im Ausland gezielt nach Personal suchen wollen, bieten wir seit kurzem einen völlig neuen Service: Das deutschsprachige Jobangebot wird mit Schlüsselwörtern in der Landessprache versehen und in den östlichen Nachbarländern Österreichs auf Jobplattformen publiziert. Die Resonanz ist bereits sehr gut.

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