»Noch gar nicht absehbar«
- Written by Redaktion_Report
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VMware-Geschäftsführer Alexander Spörker im Report-Interview über das strategische Sprengen von Grenzen, die Zukunft der Virtualisierung von IT und Österreichs erstes »vHospital«.
Report: Welche Sättigung ist am Markt für Virtualisierungslösungen im Serverbereich erreicht? Welches Potenzial steht der IT-Branche noch offen?
Alexander Spörker: Das Potenzial ist nach wie vor riesengroß. Denkt man hier über die klassische Konsolidierung und Einsparungen im Serverbereich hinaus, geht es generell um die einfachere Verwaltbarkeit von IT. Repetitive Prozesse, Kapazitätsmanagement, Überwachung von Performance – all diese Dinge sind in intelligenten Infrastrukturen automatisierbar. So können zum Beispiel bei einem Überschreiten von Reaktionszeiten bestimmter Applikationen automatisch weitere Server zugeteilt werden. Diese Provisionierung von Ressourcen ist auch umgekehrt möglich: Benötigt eine Applikation weniger Speicher oder Rechenleistung, können diese dynamisch reduziert werden.
VMware hat die Möglichkeit geschaffen, um die Performance von Applikationen innerhalb von virtuellen Maschinen überwachen zu können. Zudem sind mit unseren Managementwerkzeugen Systemkapazitäten nun langfristig strategisch planbar. Ausgehend von bestimmten Beobachtungszeiträumen lässt sich damit bei etwa stetig steigenden Nutzerzugriffen auf künftige Anforderungen schließen. Unternehmen sind damit auf ein Überschreiten von Systemgrenzen vorbereitet – und können schnell darauf reagieren.
Report: Was hindert Unternehmen heute, mit aller Kraft auf Virtualisierungslösungen zu setzen?
Spörker: Ein Riesenpotenzial bietet weiterhin die Virtualisierung der klassischen Tier-1-Applikationen wie beispielsweise SAP-Umgebungen, Oracle-Applikationen, Datenbanken, E-Mail- und Collaboration-Systeme. Die technischen Limitierungen, die es möglicherweise einmal bei sehr großen Datenbanken gab, gibt es heute nicht mehr. Ein Umfrage unter 1000 VMware-Kunde im vergangenen Jahr hatte ergeben, dass wir bereits zu diesem Zeitpunkt die durchschnittlichen Größen der eingesetzten Datenbanken mit unserer vSphere-Lösung ohne weiteres abdecken konnten. Seitdem haben sich unsere Produkte weiterentwickelt, die technischen Grenzen wurden weiter nach oben geschoben. Heute spricht nichts mehr dagegen, auch sehr große Datenbanken über Virtualisierungen flexibler zu betreiben. Das Vorurteil, dass durch Virtualisierungen die Performance mancher IT-Systeme leidet, gibt es heute nicht mehr. Dieser Umstand eröffnet für VMware einen extrem großen Markt. Nachdem in den vergangenen Jahren Basisapplikationen in Unternehmen virtualisiert wurde, gehen nun viele einen Schritt weiter und nehmen die systemkritischen Anwendungen in Angriff.
In vielen Unternehmen drängt die IT weg von proprietären Systemen hin zu offenen Standards. Mittlerweile beschäftigt sich jede zweite große SAP-Ausschreibung mit einer Migration der Systeme auf x86-Plattformen. Damit sind die Vorteile in Sachen Verfügbarkeit, die früher proprietäre Systeme boten, auch auf der x86-Plattform nutzbar. Heute ist SAP mit mehr als 19.000 virtuellen Maschinen selbst einer unserer größten Kunden in Europa. Sie setzen VMware-Lösungen für den eigenen Vertrieb, im Training und in Democentern ein. SAP bietet zudem Support für die gesamte Produkt- und Modulpalette mittlerweile für alle x86-basierende Plattformen. Auch wurde bereits begonnen, auf Basis unserer Technologie die interne SAP-Cloud aufzubauen. Die Automatisierung von IT-Workflows und die Verbindung mit dedizierten SAP-Business-Prozessen bieten hier weiteres Potenzial zur signifikanten Kostenreduzierung durch IT-as-a-Service.
Report: Ab welcher Unternehmensgröße macht der Einsatz von Virtualisierungslösungen nun wirklich Sinn?
Spörker: Wir sehen keine Grenze nach unten. Der Einstieg in dieses Thema ist sogar kostenlos. Der einfache Aufbau einer virtualisierten Infrastruktur über mehrere physikalische Hosts hinweg ist dann bereits mit Kosten von 200 bis 300 Euro möglich. Für diese Kunden steht kein finanzieller Mehrwert von Tausenden Euro Einsparungen im Vordergrund, sondern der Gewinn von Verfügbarkeit und Schnelligkeit bei der Wartung der Systeme sowie eine verbesserte Reaktionsgeschwindigkeit bei Ausfällen. Viele kleinere Unternehmen hatten vor vielen Jahren eigene Applikationen entwickeln lassen, die heute noch betrieben werden – etwa ein eigenes ERP-System. Oft sind diese Anwendungen nicht mit modernen Betriebssystemen kompatibel, was zur Folge hat, dass wir immer noch Systeme wie Windows NT in den Unternehmen vorfinden. So macht auch für kleinere Unternehmen, die nur eine Handvoll Server betreiben, der Einsatz von Virtualisierungslösungen Sinn. VMware unterstützt heute mehr Betriebssysteme, als Microsoft selbst. Unser Support geht zurück bis MS-DOS.
Report: Der nächste logische Schritt, die Virtualisierung des Desktops, scheint noch in weiter Ferne zu sein. Wann werden Unternehmen in Österreich ihren Mitarbeitern den geräteunabhängigen Zugang in dieser Form über die Datenleitung anbieten?
Spörker: Der Markt der Desktopvirtualisierung – sei es die Einbindung von Fachapplikationen in die gewohnte Umgebung des Nutzers, sei es die Virtualisierung des gesamten Betriebsystems samt Applikationslandschaft – ist noch völlig offen. Wesentliche Treiber für den Kunden waren nicht nur die IT-Kosten, sondern der Gewinn von Flexibilität und Mobilität. Erste Kunden befinden sich aber bereits auf diesem Weg, und – das unterscheidet uns von unserem Mitbewerb – setzen die Lizenzen für eine echte Virtualisierung des Desktops aktiv ein. Die Salzburger Landeskliniken starteten nun mit 400 Usern, bei einem Endausbauziel von 3500 Nutzern. Durch den Einsatz von Single-Sign-on mittels Karte können Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und das gesamte administrative Personal von verschiedenen Endgeräten überall auf die Informationen über ihren eigenen Desktop zugreifen. Gerade bei Diagnosestationen, in denen ein Arzt von Patient zu Patient wechselt, ist der Aufruf der persönlichen IT-Umgebung mit einem einzigen Knopfdruck viel wert.
Report: Lässt sich daraus schließen, dass der Grad der Mobilität eines Arbeitsplatzes der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit seiner Virtualisierung entspricht?
Spörker: Ja und nein. Zwar geht es an diesem Beispiels auch um die Mobilität der Endgeräte – bis hin zum rollenden Diagnosewagen, der vom Fachpersonal bedient wird –, letztlich war aber die Vereinheitlichung und Standardisierung der Systeme für den Erfolg ausschlaggebend. Die zentrale Datenhaltung und auch Einbindung von anderen Kliniken war für den Kunden sehr wichtig. Die Salzburger Landeskliniken sind zu Österreichs erstem »vHospital« geworden: Die IT von zwei Landeskliniken in Salzburg wird nun komplett von einem einheitlichen Rechenzentrum aus betrieben. Die Standorte bedienen sich einfach aller Services über die Datenleitung. Auch externe, an den Kliniken praktizierende Ärzte sind mit ihren persönlichen Endgeräten angebunden. Ob dann etwa ein Mac verwendet wird, ist für die IT-Mannschaft kein Thema mehr. Schließlich ist die Nutzeroberfläche virtualisiert überall darstellbar. Und es gibt weitere Referenzen für Desktopvirtualisierung in Österreich, beispielsweise die Handelsakademie Linz.
Wir merken, dass nun auch im Bereich Enduser-Computing derzeit sehr viel passiert. VMware ist dazu zu einigen Pilotprojekten und Proof-of-concepts eingeladen worden. Auch unsere Mitbewerber sprechen schon seit einiger Zeit vom Jahr des Desktops. Grund für diese Welle ist sicherlich die vergangene Krise. Unternehmen hatten sich auf keine neuen Projekte eingelassen, die ihre Kosten nicht wenigstens in sechs bis zwölf Monaten wieder hereinbringen konnten. Mittel- und langfristige Vorteile durch eine vereinfachte Verwaltung von IT-Systemen, mehr Sicherheit und die Unterstützung der Flexibilität der Anwender wurden eher hintangestellt. Das hat sich nun wieder geändert. So haben wir in Österreich für Finanzdienstleister erste Filialen für Enduser-Computing ausgestattet. Desktopvirtualisierung als Provisionierung des gesamten Arbeitsplatzes ist ein Teil in diesem Ansatz. Andere sind das Einbinden von einzelnen Applikationen oder die seit Jahren am Markt etablierte Nutzung von Software-as-a-service.
Report: Träumt VMware von einer hundertprozentig virtualisierten IT-Welt? Macht dies überhaupt Sinn?
Spörker: Wir träumen nicht davon, wir arbeiten darauf hin (lacht). Hundert Prozent sicherlich nie – es wird immer die eine oder andere Ausnahme geben. Sinn macht es aber definitiv. Die Möglichkeiten, die Unternehmen damit gewinnen können, sind heute in ihrer Fülle noch gar nicht absehbar. So hätte auch vor drei Jahre noch niemand gedacht, dass wir bereits Smartphone-Systeme virtualisieren. So bringen wir dazu gemeinsam mit LG gegen Ende des Jahres eine Lösung auf den Markt. Handyhersteller werden in Zukunft ihre Geräte bereits mit einem Virtualisierungsclient ausstatten, der Unternehmen den Betrieb von abgekapselten Applikationen auf den Handsets der Mitarbeiter gestattet. Die Nutzer werden damit auf Knopfdruck zwischen ihrem persönlichen Handy und der Oberfläche ihres Unternehmens schalten können. Die Mobile Virtualization Plattform, kurz MVP, wird beide Welten auf einem einzigen Endgerät zusammenführen.
Report: Wenn wir von drei großen Virtualisierungsplattformen sprechen – VMware, Citrix und Hyper-V –, warum sollten sich Unternehmen gerade für Ihr Portfolio entscheiden?
Spörker: Wir haben in unserem Ecosystem über 1300 Technologiepartner, 5100 Serviceprovider, die auf unsere Technologie vCloud bereits aufsetzen sowie über 25.000 Channelpartner weltweit. All diese Partner haben ihre Lösungen und Schnittstellen bereits an unser Portfolio angepasst. Die VMware-Palette ist als System so offen, dass auch umgekehrt Anwendungen und Lösungen der Partnerlandschaft integriert sind. Etwa sind unterschiedliche Managementoberflächen von Storageanbietern mit unseren eigenen Systemen verknüpfbar. Die Kunden haben damit eine einzige Oberfläche, mit der sie umgehen. Dies kann jene des Storagehersteller mit all den Replizierungs- und Backupmechanismen sein, aber auch die VMware-Oberfläche, die das gesamte Datacenter verwaltet. Bestehende Investitionen sind dadurch entsprechend geschützt.
Als zweiten Punkt sehe ich das breite Portfolio, das für VMware spricht. Ein Hypervisor und ein zugehöriges Managementwerkzeug sind zwei nette Dinge – aber das muss noch nicht alles gewesen sein. VMware hat geeignete Werkzeuge für Automatisierungstechnologien, Performanceüberwachung, Patchmanagement, Aktivitätsplanung und vieles mehr heute schon integriert und verfügbar. Wenn wir von einem Cloud-Stack sprechen, dann reden wir nicht nur darüber. Wir haben diesen bereits im Portfolio: eine komplette, virtualisierte Infrastruktur mit automatisierten Prozessen, samt Plattform-as-a-service darauf gesetzt. Diese Ebene bildet ein Rahmenwerk, um bestehende Applikationen zu betreiben, neue zu entwickeln und in verteilten Strukturen bereitzustellen. Unsere Palette berücksichtigt auch die derzeit großen Entwicklungen im Datenbankbereich. Dieser ist dank Facebook und Co generell im Umbruch. Nötig ist nun eine neue Form der Java-Programmierung, die auf eine verteilte Speicherung von Daten und auch Datenbank-Cashing unterstützt. Darüber hinaus setzt VMware auf einen Enduser-Stack, der unterschiedliche Formen von Desktop- und Anwendungsvirtualisierung ermöglicht. Und wir bieten mit Infrastructure-as-a-Service die Verwaltung von mehreren Rechenzentren über Plattformen hinweg unter einem Dach. Diese Lösungstiefe unterscheidet uns enorm von unseren Marktbegleitern.
> Alexander Spörker leitet die VMware-Geschäftsstelle in Österreich in der Rolle des Country Manager seit September 2009. Davor arbeitete er ein Jahr bei Sun Microsystems als Practice Leader Software für Österreich und fokussierte als Channel Manager bei VMware auf den Partnervertrieb. Seine Anfänge in der IT-Branche führen zurück bis ins Jahr 1996. Spörker verbrachte mehr als neun Jahre bei den Unternehmen PBU CAD Systeme und Comdata Systemhaus.
> Das Unternehmen: VMware, Spezialist für Virtualisierung und Cloud-Computing-Technologien, hat ein erfolgreiches zweites Quartal hinter sich. Das Unternehmen erwirtschaftete im Zeitraum April bis Juni 2011 einen Gewinn von 220 Millionen Dollar. Das entspricht einem Anstieg um 193 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Umsatz kletterte um 37 Prozent auf 921 Millionen Dollar, umgerechnet 649,8 Millionen Euro.
Mit mehr als 250.000 Kunden, über 25.000 Partnern und einem Umsatz von 2,9 Milliarden Dollar (2010) ist VMware weltweiter Marktführer für Virtualisierung. VMware hat seinen Firmenhauptsitz in Palo Alto, Kalifornien. Die österreichische Niederlassung des Unternehmens befindet sich in Wien.
Info: www.vmware.de