Mobiles make the world go round
- Written by Redaktion_Report
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1.300 Aussteller, 300 Vortragende und 2.250 vertretene Medien machten die 3GSM in Barcelona wieder einmal zum wichtigsten Jahresevent der globalen Telekombranche. Von der Krise, die zahlreiche Messen und Kongresse in aller Welt ereilt, war in Barcelona nichts zu spüren. Das Messegelände brummte auch ohne Konsumenten, die durch die Eintrittspreise von mindestens 600 Euro abgeschreckt werden.
Im laufenden Jahr wird die Zahl der Mobilfunkanschlüsse weltweit drei Milliarden erreichen. Noch vor einigen Jahren wäre eine solche Vorhersage als absurd abqualifiziert worden. Heute fragt sich die Branche, wie sie danach weiterwachsen könnte. In Barcelona trommelten tausende Unternehmensvertreter ihre Zukunftsvisionen vom Wachstumspfad: DVB-H, Mobile Music, User-Generated- und sonstiger Content bildeten eine Art Geräuschteppich, in dem sogar die unvermeidliche Roamingtarife-Diskussion beinahe unterging. Zum Rauschen gehörte auch die aus spezifisch österreichischer Sicht etwas antiquiert anmutende Diskussion \"Fixed Mobile Substitution versus Fixed Mobile Convergence\". Das wie bereits im Vorjahr völlig überlastete und damit unbrauchbare WLAN am Messegelände ließ die Verfechter des Unlicensed Mobile Access (UMA) allerdings kleinlaut werden.
Deutlicher zu vernehmen waren die vor allem von Netzwerklieferanten gegebenen Versprechen einer goldenen Datenzukunft mit HSDPA - was hierzulande auch niemanden mehr vom Hocker reißen dürfte. In österreich wissen wir dank vier kommerzieller HSDPA-Netzen und hervorragendem Absatz von Datenverträgen bereits, wie in die entwickelten Märkte in den nächsten Jahren Wachsen könnten.
Endgeräte. Das A und O für das Massen-Neukundengeschäft sind nach wie vor neue Handys. Das Ausmaß der in Barcelona präsentierten neuen Modelle überraschte trotzdem. Die Bandbreite reichte von Nischenanbietern wie Neonode mit einem einzigen Modell (N2), über die bekannten Branchenriesen mit breiter Palette bis zum chinesischen Anbieter TCL, der unter der lizensierten Marke Alcatel nicht weniger als 21 Modelle im unteren Preissegment auftischte. Die subventionierenden Netzbetreiber können sich über steigende Auswahl, immer mehr HSDPA-Geräte und langsam sinkende Durchschnittspreise freuen.
Echte Doppelhandys sorgen für Grausbirnen. Das Lachen im Halse stecken geblieben ist den Mobilfunkanbietern allerdings bei einigen kleineren asiatischen Messeständen. Die ersten echten Dual-SIM-Handys, die mit zwei SIM-Karten gleichzeitig in zwei verschiedenen Mobilfunknetzen aktiv sein können, sind aufgetaucht. Mit solchen Geräten können Konsumenten die Vorteile verschiedener Tarife voll ausnutzen, ohne dafür zwei Telefone aufladen und mitschleppen zu müssen. Auch das bei herkömmlichen Dual-SIM-Adaptern erforderliche Umschalten von einem Netz ins andere entfällt.
Zwei Handys zu nutzen birgt einen Komfortnachteil in sich, der die Menge der Multi-SIM-User in Grenzen hält und die Kostendeckungsbeiträge der Netzbetreiber sichert. Der Gedanke an die weite Verbreitung echter \"Dual-Working\"-Handys lässt daher bei den Mobilfunkern die Grausbirnen aufsteigen.
Der Report hatte sich bereits 2003 auf die Suche nach dem Doppelhandy begeben. Damals noch erfolglos - die großen Hersteller fürchteten, ihre größten Abnehmer zu vergraulen. Denn kein GSM-Netzbetreiber würde so ein Handy freiwillig in sein Portfolio aufnehmen. Die kleinen Hersteller wiederum konnten sich lange Zeit die Entwicklungskosten nicht leisten. Das hat sich geändert, wenngleich die geringen Stückzahlen die Preise noch relativ hoch halten. Mindestens drei Hersteller, die hierzulande allerdings unbekannt sind und (noch) keine Vertriebspartner haben, bieten inzwischen \"Dual-Working\"-Handys an.
Handy statt Bank. Internationale Geldüberweisung per SMS von einem Handy zum anderen sollen ein ganz neues Geschäftsfeld für die Branche werden. Ein entsprechendes Projekt präsentierte die GSMA in Barcelona. Wenn es gelingt, dadurch auch kleinere Geldbeträge zu geringen Gebühren \"mobil\" zu machen, könnte das hunderte Milliarden Euro pro Jahr in Bewegung setzen.
Ziel des Vorhabens ist nicht klassisches M-Payment für Dienstleistungen oder Waren. Vielmehr soll die internationale überweisung kleinerer Beträge zwischen Privatpersonen einfacher, billiger und schneller gemacht werden. Migranten haben vergangenes Jahr 230 Milliarden Dollar in ihre Herkunftsländer an rund 750 Millionen Verwandte geschickt. Letzte haben meist kein Bankkonto. Marktführer für solche überweisungen ist Western Union. Nicht statistisch erfasst sind die übermittlungen von Zahlungsmitteln und Wertsachen auf informellen Wegen.
Diese Vermögenstransfers von Migranten sind für viele Volkswirtschaften in Entwicklungsländern bedeutsamer, als die formelle Entwicklungshilfe. Allerdings bremsen die üblichen Gebühren die Geldströme deutlich, kleinere Beträge können gar nicht wirtschaftlich gesendet werden. Also unterbleiben überweisungen oder werden so lange aufgeschoben, bis ein größerer Betrag zustandegekommen ist. Informelle übermittlungen, etwa durch reisende Bekannte, sind zwar billig, aber unzuverlässig. Das GSMA-Projekt soll die Gebühren auch für kleinere Beträge in den einstelligen Prozentbereich drücken. Das könnte die transferierte Geldmenge bis 2012 auf rund eine Billion Dollar vervierfachen und die Menge der Empfänger auf 1,5 Milliarden Menschen verdoppeln.
Die GSMA und MasterCard etablieren einen globalen Clearing-Hub, über den überweisungen von einem User zum anderen abgewickelt werden können. Die Details des Ablaufs sind unterschiedlich. Beim Sender könnte das Geld von einem vorausbezahlten Guthaben oder einem Bankkonto abgebucht oder über seine nächste Rechnung eingezogen werden.
Der Empfänger wird innerhalb von Sekunden per SMS über die Anweisung informiert. Die Auszahlung könnte über die Vertriebspartner des jeweiligen Netzbetreibers oder mittels SmartCard an Bankomaten erfolgen. Den Regierungen wird das Projekt dadurch schmackhaft gemacht, dass sie hinkünftig die Geldströme besser überwachen und kontrollieren können.
ökologie und ökonomie. In den Entwicklungsländern möchten die Mobilfunkbranche immer breitere Kundenschichten erschließen. Um auch bei einem ARPU (Monatsumsatz pro Kunde) von unter drei Euro wirtschaftlich arbeiten zu können, sind neue Strategien erforderlich. Einerseits gibt es immer mehr besonders billige Endgeräte (Ultra Low Cost Handsets). Diese können auch schick und dünn sein, wie Motorola mit dem F3 beweist.
Doch auch bei den Netzbetriebskosten muss gespart werden. Mangels Stromnetz werden viele Basisstationen in Entwicklungsländern mit Dieselgeneratoren betrieben, was aufwändig und teuer ist. Motorola hat daher eine Basisstation getestet, deren Akkus ausschließlich aus Windkraft und Sonnenenergie gespeist werden. Das soll die Betriebskosten deutlich senken. Das System wurde bereits ein Jahr lang in Großbritannien getestet und geht nun erstmals in Namibia an einer kommerziellen Basisstation in Betrieb.
Ericsson zeigte auf der 3GSM eine Miniraffinierie im Container-Format. Damit könnte das von lokalen Bauern gelieferte öl in Biodiesel für den Betrieb von Mobilfunksendern umgewandelt werden.