Die Mutter aller Schlammschlachten
- Written by A.A.Flatscher
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Während die US-amerikanische Wirtschaft immer noch dahindümpelt, zeichnet sich zumindest an einer Front ein neuer Rekord ab: Noch nie wurde für Wahlkämpfe so viel Geld ausgegeben wie 2012 – und noch nie gab es so viel negative Werbung.
Acht Milliarden US-Dollar: So viel, schätzen Experten, werden im Superwahljahr 2012 in den USA ausgegeben, um einen Präsidenten, die Mitglieder des Repräsentantenhauses und 33 Senatoren neu zu wählen. 2008 macht sich im Vergleich dazu bescheiden aus: 5,3 Milliarden Dollar investierten Obama & McCain in die Werbeschlacht.
Für die Explosion, darin sind sich alle Auguren einig, ist der Oberste Gerichtshof verantwortlich. Die freie Meinungsäußerung der Bürger dürfe in keiner Weise eingeschränkt werden, argumentierten die Höchstrichter im Fall Citizen United gegen die Bundeswahlbehörde – und das gilt besonders in Wahlkampfzeiten.
2012 ist Wahlkampf, die Konzerne und Gewerkschaften öffnen ihre Geldhähne und bringen mit großem Aufwand ihre Positionen unter die Leute.
>> Private Kampfmaschinen <<
Solange sie nicht Teil einer offiziellen, vom jeweiligen Kandidaten kontrollierten Wahlmaschinerie sind, gibt es für SuperPACs, wie die privat finanzierten Kampfmaschinen genannt werden, keinerlei Einschränkung. Genau dadurch aber fällt jede Beißhemmung. Die von den Kandidaten selbst gesteuerten Kampagnen achten penibel darauf, nicht allzu aggressiv vorzugehen, zumal das Brutalo-Image vom Wähler gar nicht goutiert wird. Die formal unabhängigen SuperPACs dagegen sind die rücksichtslosen Kampfterrier.
Wie das neue Spiel funktioniert, hat sich schon in der republikanischen Vorwahl gezeigt. Newt Gingrich , umstrittener ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses der Clinton-Ära, kam schlecht aus den Startlöchern und wurde in den ersten Vorwahlen in Iowa und New Hampshire schwer geschlagen. Plötzlich fand er sein Glück in der Person von Sheldon Adelson, einem Glückspielmilliardär aus Las Vegas, der rund 20 Millionen Dollar für Gingrichs Auftritt in South Carolina locker machte und mit seinem SuperPAC einen 28-minütigen Propagandafilm machte, in dem Mitt Romney nach allen Regeln der Kunst demontiert wurde. Unter dem Titel »King of Bain« wurde Romneys Zeit als Chef von Bain Capital in den düstersten Farben geschildert und der Versuch unternommen, das Image des erfolgreichen Sanierers brutal zu zerstören.
Prompt siegte Gingrich in diesem Bundesstaat, nur um kurze Zeit später zu verglühen. Adelsons negative Werbefilme zeigten Wirkung, ehe dann Romney zurückschlug – oder besser: sein SuperPAC. Der grub jede einzelne Leiche aus, die Gingrich in seiner langen Karriere als Mitglied und später Sprecher des Repräsentantenhauses angehäuft hatte, und es stellte sich heraus: Es gab ziemlich viele. Romney porträtierte Gingrich als die wandelnde Ethikverletzung. Gingrichs Gönner verloren die Lust und seine Kampagne für das höchste Amt der USA endete aus einem einfachen Grund: Ihr ging das Geld aus. Ein Schicksal, das auch Rick Perry, Rick Santorum und jetzt Ron Paul ereilte.
Der Vorwahlsieger Mitt Romney erwies sich als virtuoser Spendensammler und die »befreundeten« SuperPACs kannten keine Gnade. Der wichtigste davon, »Restore our Future«, hat, wie die auf die Analyse von Wahlkampfausgaben spezialisierte Online-Plattform www.opensecrets.com berichtet, bisher 44,6 Millionen US-Dollar ausgegeben. 39,7 Millionen dieses SuperPAC-Geldes flossen in Negativwerbung, mit dem Ziel, politische Gegner zu zerstören.
Bisher kamen alle Kontrahenten aus der eigenen, republikanischen Partei – erst jetzt geht es gegen den demokratischen Präsidenten. Und es zeichnet sich ab: Der Kampf Obama gegen Romney wird zur Mutter aller Schlammschlachten.
Allein Karl Rove, der ehemalige Stabschef von George W. Bush, sitzt mit seiner Organisation »American crossroads« auf 240 Millionen US-Dollar, die einer einzigen Person gewidmet sind: Barack Obama. Sein Wiedereinzug ins Weiße Haus soll mit allen Mitteln verhindert werden. Rove hat sich in seiner bisherigen Karriere als machiavellistischer Drahtzieher der Konservativen erwiesen, der eine ganze Legion an spendablen Milliardären auf seiner Seite hat.
>> Erfolgreicher Sammler <<
Besonders die direkten Wahlkampfspenden hat Präsident Barack Obama bisher erfolgreich für sich erschlossen. Rund 191 Millionen USD hat er allein im ersten Quartal 2012 gesammelt, während Mitt Romney es auf lediglich 86 Milllionen USD brachte. Hier gibt es Spendenobergrenzen für jeden Einzelnen und es gelten strenge Veröffentlichungspflichten. Nicht so bei den SuperPACs, wo jeder Konzern einzahlen kann, so oft und so viel er will. Das ist die Geheimwaffe der Republikaner, die diesmal – im Gegensatz zu 2008 – in der Lage sein werden, die Materialschlacht für sich zu entscheiden.
Aber mehr Geld ausgeben zu können, heißt noch nicht automatisch, auch die Wahlen zu gewinnen. Es verbessert die Chancen aber enorm.