Wert & Schöpfung
- Written by Redaktion_Report
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Erwin Buchinger: Ich sehe eigentlich keinen großen Unterschied zur Arbeit in Oberösterreich und Salzburg. Prinzipiell gelten dieselben Spielregeln, wenngleich diese in Wien etwas schneller, härter und technisch feiner ausgelegt werden.
(+) plus: Man hatte in den letzten Wochen das Gefühl, dass die kontroversiellen Themen der Bundespolitik stets mit Ihrem Namen verknüpft sind: Mobilitätsprämie, Pflegedebatte, Mindestsicherung.
Buchinger: Dies ist Zufall. Bundesminister Martin Bartenstein und ich stehen bei den Themen Pflegesicherung, Mindestsicherung oder bei der Debatte über ausländische Fachkräfte unter Zeitdruck. Wir diskutieren, haben aber bislang stets einen Kompromiss finden können. In den nächsten Monaten werden andere in der Regierung ihre Diskussionen führen.
(+) plus: Ein Thema, das etwas in den Diskussionen abgeht, ist die Wertschöpfungsabgabe, unter Alfred Dallinger auch als Maschinensteuer verschrien.
Buchinger: Das Thema Wertschöpfungsabgabe ist tatsächlich in Bearbeitung und hat auch im Vorfeld der Regierungsverhandlungen bereits eine Rolle gespielt. Es ist bisher zwar, von kleinen Ausnahmen abgesehen, öffentlich nicht thematisiert worden, diskutiert wurde aber bereits die Einbeziehung von Erlösen aus Vermietung und Verpachtung in die Beitragspflicht für die Sozialversicherung. Ich schließe nicht aus, dass im Laufe der Legislaturperiode in dieser Richtung auch Fortschritte erzielt werden - immer gekoppelt mit einer Gegenbewegung: Wenn auf der einen Seite die Wertschöpfungsabgabe verbreitert wird, hat man die Chance, auf der anderen Seite den Faktor Arbeit zu entlasten.
(+) plus: Wie ist der Stand der Debatte zum Thema Mindestsicherung?
Buchinger: Wir sind in der konkreten Diskussion mit den Ländern, wie die Mindestsicherung gestaltet werden könnte. Zudem evaluieren wir, welche Regeln dazu in Bezug auf Vermögensverwertung anzuwenden sind und wie die Integration des Arbeitsmarktes im Bereich der Mindestsicherung als One-Stop-Shop beim Arbeitsmarktservice funktionieren wird. Der große Charme der Mindestsicherung ist zwar die pauschalierte Leistung, aber auch die Verknüpfung dieser Leistung als Sprungbrett zurück in den Arbeitsmarkt. Die Betreuung der Mindestsicherungsbezieher wird dann logischerweise über das AMS erfolgen. Es hat das Know-how und wird auch die passenden Werkzeuge dazu bekommen.
(+) plus: Wie wollen Sie langfristig Pensionen sichern?
Buchinger: Hier hat die vergangene Bundesregierung mit der Einführung des Pensionskontos bereits einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die Idee des Pensionskontos ist ja die transparente Nachvollziehbarkeit für den Bürger, wie hoch seine zu erwartende Pension unter bestimmten Annahmen sein wird. Ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger sollte damit jederzeit von seiner Pensionsversicherung simpel Auskunft darüber bekommen können. Das war bislang nicht realisierbar.
(+) plus: Pensionsreformen leiden immer unter dem Umstand, dass eine geringe Zahl an Beschäftigten einer zunehmend größeren Zahl an Pensionisten gegenübersteht, die sie im Umlagesystem finanzieren müssen.
Buchinger: Das Umlageverfahren, das in österreich den Pensionsbereich trägt, ist eines der besten Systeme weltweit. Es ist wesentlich krisenfester, als es in der öffentlichen Wahrnehmung gesehen wird. Kapitaldeckungsverfahren unterliegen dagegen den laufenden Schwankungen am Kapitalmarkt. Ein solcher Finanzierungsweg ist nur dann angebracht, wenn überflüssiges Kapital angelegt wird. Wenn jemand aber im Alter zwingend davon leben muss, kann dies sehr unangenehm werden. Wir haben mit den Instituten IHS und WIFO durchgerechnet, dass bis zum Jahr 2050 der Anteil der Pensionszahlungen am Bruttoinlandsprodukt sogar leicht sinkt. Das Pensionssystem ist also nach den derzeitigen Parametern bis 2050 gesichert und finanzierbar, da die Zahl der Beschäftigten weiter steigen wird. Die heute Zwanzigjährigen können also mit Fug und Recht Vertrauen in unser Pensionssystem haben. Es gibt ja auch bereits jetzt einen beträchtlichen Anteil privater Vorsorge in österreich: die Erlebens- und Ablebensversicherungen. Ich selbst habe zwei Lebensversicherungen bereits vor Jahrzehnten abgeschlossen, die mit 55 und 65 Jahren ausbezahlt werden.
(+) plus: Sie planen offensichtlich langfristig?
Buchinger: Wissen Sie, mein privates Sicherungsbedürfnis wäre relativ gering, da ich im Zivilberuf Beamter bin und meine Beamtenpension wirklich ausreichend wäre. Ich habe aber einen behinderten Sohn und möchte für diesen, falls mir etwas passiert, vorgesorgt haben.
(+) plus: Bei der Pflegesicherung läuft die Ausnahmeregelung für die Legalisierung ausländischer Arbeitskräfte Ende Juni aus. Wie wird die künftige Finanzierung der Pflege zu Hause aussehen?
Buchinger: Wir arbeiten bereits in Arbeitsgruppen mit den Ländern sehr intensiv an dem Nachfolgemodell für eine häusliche 24-Stunden-Betreuung. Ein umfassend arbeitsrechtlich abgesichertes Modell wird bei Kosten von monatlich 1500 Euro bis 3000 Euro, die sich ja keiner leisten kann, gefördert werden müssen. Die genauen Finanzierungsschlüssel werden nun in den nächsten Monaten mit Bund, Ländern und Gemeinden verhandelt. Wenn wir gemeinsam das Problem der Finanzierung der häuslichen Betreuung lösen wollen, dann müssen alle etwas dazu beitragen. Ich bin überzeugt davon, dass ein moderner Sozialstaat auch jenen Personen, die abseits der Pflegeheime zu Hause betreut werden wollen, ein Angebot machen muss. Die Bedürfnisse der Menschen sind heute so unterschiedlich und individualisiert, dass man nicht mehr nur ein einziges Angebot allen überstülpen darf. Dies wurde in der Sozialdemokratie lange Zeit kritisch als Privilegienthema gesehen, ich denke darüber aber differenzierter. Warum sollte jemand, der sich sein Eigenheim oder kleines Häuschen hart selbst erarbeitet hat, dann gefördert in ein Seniorenpflegeheim gezwungen werden? Wir werden alle mit ihren Bedürfnissen und Interessen ernst nehmen - dies hat sich auch in der Sozialdemokratie weitgehend nun durchgesetzt. In der Bundesregierung kooperieren die Minister fachlich eng und stimmen ihre Initiativen miteinander ab. Im Bereich Arbeit sind dies Minister Bartenstein und ich, im Bereich Soziales stimme ich meine Initiativen mit Ministerin Andrea Kdolsky ab. Dass dies ganz gut funktioniert, hat man anhand der Fachkräftediskussion bereits sehen können. Mit April dürfen nun 800 dringend benötigte Facharbeiter aus den neuen EU-Staaten in österreich - akkordiert mit dem AMS - arbeiten.
(+) plus: Bei all der Gemeinsamkeit fehlen nur noch die gemeinsamen Marathonläufe mit Martin Bartenstein.
Buchinger: (lacht) Nein, da ist Kollege Bartenstein sicher um Hausecken besser. Ich selbst bin erst zweimal einen Halbmarathon zu einer Zeit von knapp über zwei Stunden gelaufen. Ich glaube, Minister Bartenstein läuft den Marathon deutlich unter vier Stunden - er ist also ein ganz anderes Kaliber.
(+) plus: Wir haben uns auch Ihr Weblog angesehen. Es ist bemerkenswert, dass Sie dafür auch noch Zeit finden.
Buchinger: Sie glauben wenigstens, dass ich das selbst schreibe - die meisten Menschen meinen, ich beschäftige einen Ghostwriter, der diese Texte für mich verfasst. Aber ich schreibe selber, meistens 15 bis zwanzig Minuten täglich, wenn ich zwischen 22 und 24 Uhr nach Hause komme. Für mich gibt es drei Gründe, mich damit zu beschäftigen: Zum einen möchte ich als moderner Politiker auch über ein modernes Medium verfügbar sein und meine Arbeit verfolgbar machen. Dann habe ich schon früher Tagebuch geführt, um meine einzelnen Lebensabschnitte zu dokumentieren.
Drittens ist das Niederschreiben der Erlebnisse eines Tages ein reinigender Prozess. Damit schließe ich den Tag wirklich ab und nehme keine Probleme in die Nachtruhe mit. Einschlafprobleme hatte ich deswegen schon lange nicht mehr, ich schlafe sehr, sehr gut.