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»Positive Wohlfahrtseffekte«

\"HerbertHerbert Brücker im Interview.

 

 

Der Professor am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, erwartet durch die Zuwanderung südeuropäischer Arbeitskräfte positive Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft.

(+) plus: Trotz steigender Arbeitslosenraten können viele Jobs nicht besetzt werden. In welchen Berufen sind die Engpässe besonders groß?
Herbert Brücker: Das gleichzeitige Auftreten von offenen Stellen und Arbeitslosigkeit ist nicht ungewöhnlich. Insbesondere im Aufschwung kommt es zu einer steigenden Spannung im Arbeitsmarkt, d.h. dass offene Stellen trotz hoher Arbeitslosigkeit nicht besetzt werden können. In Deutschland sind das vor allem Berufe im Gesundheitsbereich (Ärzte, Krankenschwestern, qualifizierte Pflegekräfte), ein Teil der Ingenieurberufe, ausgewählte Facharbeiterberufe im produzierenden Gewerbe und einige IT-Berufe. Die Engpässe treten vor allem in den süddeutschen Ballungsräumen auf.

(+) plus: Der Anteil der hochqualifizierten Arbeitskräfte ist unter den Zuwanderern überdurchschnittlich groß. Müssen die Herkunftsländer mit einem »Brain Drain« rechnen?
Brücker: Nach den jüngsten Ergebnissen des Mikrozensus aus dem Jahr 2009 – jüngere Ergebnisse liegen noch nicht vor – waren rund 45 Prozent der Neuzuwanderer Hochschulabsolventen. Besonders hoch waren die Anteile der Hochschulabsolventen aus den südeuropäischen Krisenstaaten mit 50 bis 70 %. Mit einem »Brain Drain« im klassischen Sinne ist dennoch aus folgenden Gründen nicht zu rechnen: 1. Die Zuwanderungszahlen sind mit einer Nettozuwanderung von rund 38.000 Personen aus den Krisenstaaten zu gering. 2. Die jungen Kohorten in den Krisenländern sind sehr gut qualifiziert und haben höhere Anteile an Hochschulabsolventen als in Deutschland. 3. Die Arbeitslosigkeit ist auch unter den Hochschulschulabsolventen sehr hoch. 4. Die Auswanderung von gut Qualifizierten kann durch Rückkehrmigration und Rücküberweisungen an die Familien positive Auswirkungen auf die Herkunftsländer haben.

(+) plus: In den vergangenen Jahrzehnten wurden in der Integrationspolitik gravierende Fehler gemacht, deren Folgen noch immer sichtbar sind. Was sollte diesmal besser laufen?
Brücker:  Grundsätzlich gilt, dass diese Wanderungsepisoden nicht vergleichbar sind. Zudem haben wir Erkenntnisse, dass die Arbeitsmarktintegration der Neuzuwanderer sehr gut gelingt.

(+) plus: Besteht die Gefahr, dass schlecht ausgebildete Bürger gegenüber den neuen Zuwanderern ins Hintertreffen geraten?
Brücker: Nein, im Gegenteil. Unsere empirischen Erkenntnisse zeigen, dass die Zuwanderung von gut Qualifizierten die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote senkt. Davon profitieren vor allem die geringer Qualifizierten.

(+) plus: Die Konjunkturprognosen für kommendes Jahr sind eher bescheiden. Wird sich das auf den weiteren Zustrom von Migranten auswirken?
Brücker:  Bislang beobachten wir noch deutliche Zuwächse bei der Migration. Allerdings reagiert Zuwanderung sehr stark auf Konjunkturschwankungen. Bei einem Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahr 2013 ist mit einem deutlichen Einbruch der Zuwanderungszahlen zu rechnen.

(+) plus:  In Österreich ist der Anteil der Zuwanderer aus Südeuropa noch recht gering – zum Teil aufgrund der Sprachbarrieren, aber auch wegen der bürokratischen Hürden bei der Anerkennung von Ausbildungen und Qualifikationen. Stellt man sich damit selbst ein Bein?
Brücker: Das gilt auch für Deutschland. Ein Anstieg der Zuwanderung hätte positive Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Produktion und das fiskalische Saldo des Sozialstaats. Die Effekte auf Arbeitslosigkeit und Löhne sind neutral oder positiv, wenn die Zuwanderer gut qualifiziert sind.
Insofern hat das Senken der Wanderungsbarrieren positive Wohlfahrts-
effekte. Das ist aber nicht so leicht – auch der Abbau von Barrieren bei der juristischen und faktischen Anerkennung von Abschlüssen ist nicht trivial.

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