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Einstürzende Säule

Massive Verluste bringen die Pensionskassen weiter in Verruf. Die zweite Säule des Pensionssystem wackelt gehörig. Nun soll der Staat für die geprellten Zusatzpensionisten in die Bresche springen. Das Grundproblem wird dadurch nicht gelöst: Die Demografie bringt das Pensionssystem zusätzlich ins Kippen.

Im Jänner 2008 übte sich Christian Böhm, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen, noch in Zweckoptimismus. Mit zwei Prozent Ertrag im Jahr 2007 hätten die 13 betrieblichen und sechs überbetrieblichen Pensionskassen Österreichs zwar nicht gerade glanzvoll, doch immer noch besser als beispielsweise die negativ bilanzierenden irischen Kollegen abgeschnitten.
Ein Jahr später ist auch in der Alpenrepublik der Katzenjammer groß. Mit minus 13,1 Prozent erzielten die 19 heimischen Pensionskassen die mit Abstand schlechteste Performance seit ihrer Gründung im Jahr 1990. Lag der Verlust bis zum Ende des dritten Quartals 2008 im Durchschnitt bei »nur« 8,4 Prozent, forderte die Finanzkrise bis Jahresende noch bitterere Einbußen.

Sinkende Erträge
Schon im November hatten die Pensionskassen die Bezieher einer Zusatzpension hinsichtlich möglicher Kürzungen brieflich vorgewarnt. Zwei Drittel der 63.000 Leistungsberechtigten müssen sich nun tatsächlich mit einer geringeren Pension abfinden. Nur ein Drittel kann sich über eine gleichbleibende Rente oder ein bescheidenes Plus am Pensionskonto freuen. Das Ausmaß der Abschläge hängt vom Ergebnis der jeweiligen Veranlagungs- und Risikogemeinschaft (VRG) ab, in der die Arbeitnehmer und Pensionisten zusammengefasst sind. Die Bandbreite der etwa 130 VRG lag nach Angaben von Fritz Jand, Geschäftsführer des Fachverbandes der Pensionskassen, 2008 zwischen plus zwei und minus 18 Prozent.
Das miserable Abschneiden auf den Kapitalmärkten trifft aber auch die rund 560.000 Anwartschaftberechtigten, also jene Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die durch monatliche Beiträge den Anspruch auf eine Firmenpension erst erwerben. Durch die schlechte Performance sank das veranlagte Vermögen um rund 1,6 Milliarden Euro auf 11,5 Milliarden Euro. Können diese Verluste bis zum Pensionsantritt nicht aufgeholt werden, sinken die Renten abermals.
Zudem ist in etlichen älteren Verträgen noch ein Rechnungszins von mehr als fünf Prozent festgelegt. Seit 2004 darf der Mindestzinssatz maximal 3,5 Prozent betragen. Wird das vereinbarte Ergebnis im fünfjährigen Durchschnitt nicht erreicht, sind beim beitragsorientierten Modell, das rund 82 Prozent der Versicherten wählen, Pensionskürzungen unvermeidlich. Schon jetzt ist die Bilanz in Schieflage geraten – seit 1991 erwirtschafteten die Pensionskassen durchschnittlich 5,73 Prozent jährlich, im Fünfjahresschnitt nur 2,62 Prozent plus.
Der Schutzverband der Pensionskassenberechtigten (Pekabe) überreichte dem Bundeskanzler eine von 6.000 Zusatzpensionisten unterzeichnete Petition, in dem man unverblümt »Geld heraus« fordert. Laut Pekabe-Sprecher Günter Braun haben einige Bezieher seit 2000 bereits vier Kürzungen erlebt und ein Viertel ihrer Pension verloren. Jetzt drohe in manchen Fällen neuerlich eine Kürzung von mehr als 20 Prozent.
Auch bei der Arbeiterkammer schrillen die Alarmglocken. AK-Steuerexperte Otto Farny fordert die Wiedereinführung einer Mindestertragsgarantie, die 2003 auf Wunsch der Kassen de facto abgeschafft worden war. Vorstellbar wäre auch ein Steuerfreibetrag für jene Rentner oder Pensionsanwärter, die sich bereit erklären, von einer hohen Zinsvereinbarung auf die kürzlich präsentierte »Sicherheitspension« mit 2,75 Prozent  Rechnungszins umzusteigen. Es wäre vermutlich nicht die letzte Reform des unsäglichen Pensionsmodells.

Auf Sand gebaut
Das System ist auf Sand gebaut – so viel war schon bei der Gründung der Pensionskassen 1990 klar. Trotzdem war das »3-Säulen-Prinzip« das erklärte Liebkind des Duos Schüssel/Grasser. Durch die Finanzkrise werden die Schwachstellen nun unübersehbar.
Zur Erinnerung: Die erste Säule bilden die staatlichen Pensionen, die jedem Erwerbstätigen nach Beendigung des Arbeitslebens zustehen. Die zweite Säule ist die in Misskredit geratene betriebliche Pensionsvorsorge – bestehend aus den freiwilligen Pensionskassen und der seit 2002 verpflichtend vorgeschriebenen »Abfertigung neu«. Letztere ist in den Betrieblichen Vorsorgekassen (BVK) veranlagt, die mit einem Minus von 1,82 Prozent 2008 auch eher traurig bilanzierten. Die dritte Säule schließlich sollte durch private Ansparmodelle mit Kapitaldeckung erfolgen, mit dem Schönheitsfehler, dass die Mehrheit der Österreicher mit ihrem Einkommen gerade den Lebenserhalt und allfällige Schulden begleichen kann – für eine private Pensionsvorsorge bleibt in den meisten Fällen nichts übrig.
Trotzdem ist die 2003 geschaffene »Prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge« (PZV) bis heute ein Verkaufsschlager, suggeriert doch das vom Bausparen wohlvertraute Prämienmodell, man bekäme vom Staat etwas »geschenkt«. Mehr als 1,2 Millionen Österreicher, fast 20 Prozent der Unter-60-Jährigen, haben einen Vertrag bei einem der 23 Anbieter abgeschlossen. Jeder zweite Vertrag läuft 30 Jahre oder länger. Dabei bringt die staatliche Prämie (heuer 9,5 Prozent für max. 2.214 Euro jährlich) schon bei der zehnjährigen Mindestlaufzeit nur ca. 1,6 Prozent Zinsen, bei 20 Jahren halbiert sich dieser Satz noch einmal. Um neben dem garantierten Kapital und der Prämie auch einen erklecklichen Ertrag zu erzielen, müsste die Veranlagung – 40 Prozent in Aktien der Wiener Börse – schon überdurchschnittlich sein. Als der Wiener Aktienmarkt noch jubilierte, schien dies möglich. Doch welcher Höhenflug dauert 30 Jahre?

Immer älter
Das Grundproblem der Pensionssicherung ist die leidige Demografie. Die Österreicher werden immer älter, sind aber kaum länger erwerbstätig. In ihrer Prognose vom Oktober 2008 erwartete die Statistik Austria ein Anwachsen der Bevölkerung von 8,38 Millionen im Jahr 2009 auf rund 9,5 Millionen im Jahr 2050. Die wesentlich dramatischere Entwicklung ist aber die Verschiebung der Altersgruppen. Derzeit sind 62,2 Prozent der Österreicher zwischen 15 und 60 Jahre alt. 2050 werden es nur noch 52,2 Prozent sein, konkret gibt es dann um 300.000 Menschen weniger im erwerbsfähigen Alter.
Der Anteil der unter 15-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird in diesem Zeitraum von 15 auf 13,4 Prozent sinken, gleichzeitig wird aber jeder dritte Österreicher im Jahr 2050 älter als 60 Jahre sein. Der Generationenvertrag, nach dem die Pensionen durch das Umlageverfahren jeweils vom arbeitenden Bevölkerungsteil bezahlt werden, funktioniert auf lange Sicht nicht mehr.
Nach Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) müsste das effektive Pensionsantrittsalter um drei Jahre angehoben werden und die Pensionen im Verhältnis zu den Löhnen um 25 Prozent sinken. Selbst wenn dieses unpopuläre Kunststück gelänge, würden die Ausgaben für die Pensionen dennoch um ein Drittel steigen.
Trotz mehrerer Anläufe, die meist durch unzählige Ausnahmeregelungen als Reförmchen endeten, konnte das tatsächliche Pensionsantrittsalter im letzten Jahrzehnt nicht wesentlich angehoben werden. Männer gehen im Durchschnitt mit 58,1 Jahren in Pension (das gesetzliche Antrittsalter liegt bei 65), Frauen mit 56,7 Jahren (gesetzlich: 60). Wer sich bis dahin allein auf die staatliche Pension verlässt, muss den Lebensabend deutlich eingeschränkt gestalten. Die Rente deckt dann gerade noch die Grundbedürfnisse, in einigen Fällen nicht einmal die. Zu wenig zum Leben, zum Sterben fast nichts.

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