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Ausbau um jeden Preis

über die volkswirtschaftlich günstigste Kilowattstunde, jene, die nicht verbraucht wird, machen sich die Stromerzeuger kaum Gedanken. Das wäre Aufgabe der Politik - und die versagt kläglich.

Die heimische Stromwirtschaft will bis 2015 rund elf Milliarden Euro in neue Kraftwerke und ihre Netze investieren. Das sei notwendig, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Zwei Dinge, so die Geschäftsführerin des Verbandes der E-Wirtschaft (VEö), Ulrike Baumgartner-Gabitzer, hätten den Ausschlag gegeben, dass man diese Botschaft den Bürgern genau jetzt überbringt. Die Unsicherheit in der Gasversorgung zum Jahreswechsel und die anlaufende Kampagne des Verbandes der heimischen Stromerzeuger VEö. Das erste Argument hat seine Tücken: Das von den Investitionen her größte Zukunftsprojekt ist ein 400-Millionen-Gaskraftwerk. Weitere 492 Millionen sollen in Erdgasturbinen in Linz, Klagenfurt und Timelkam investiert werden. Da stellen sich zwei Fragen: Investiert die heimische E-Wirtschaft fast 900 Millionen Euro in Kraftwerke, deren Versorgung mit Erdgas langfristig nicht gesichert ist - oder wird mit den Gashahnspielen des russischen Präsidenten Schindluder getrieben?

»Timelkams Versorgung ist mehr als zehn Jahre abgesichert«, betont der VEö-Präsident und Generaldirektor der oberösterreichischen Energie AG Leo Windtner. Er legt ganz nebenbei Pläne offen, im Donauhafen Enns ein Kohlekraftwerk mit 800 Megawatt Leistung zu errichten. Die notwendigen 18 Hektar Grund hat die Energie AG um einen hohen einstelligen Millionenbetrag bereits gekauft. Jetzt gehe es darum, den Wunschpartner Voest, der ja Kohlegroßimporteur und Stromgroßverbraucher ist, zu gewinnen, um den auf 300 Millionen veranschlagten Kohlebrennofen zu realisieren. Damit sind aus Windtners Sicht die Schienen gelegt, um die Versorgung österreichs langfristig abzusichern. Denn die jetzt veröffentlichte Liste der E-Wirtschaft kann das bis 2020 zu erwartende Versorgungsloch von rund 30.000 Gigawattstunden nur zu zwei Dritteln abdecken. Ein Drittel, also rund 10.000 GWh, entfallen allein auf die vier oben genannten Gaskraftwerke. »Wirre Aussagen«, dass man den erhöhten Strombedarf mit ökostrom aus Wind- und Biomassekraftwerken abdecken könnte, lässt Herbert Schröfelbauer, Vorstandsvorsitzender der Austrian Hydro Power, nicht gelten. Nachdem die gegenwärtig installierten Windräder gerade einmal reichen, um den hierzulande mit Wäschetrocknern vergeudeten Strom zu produzieren, ist wenig dagegen zu sagen.

Selbstverständlich stehe man im VEö zur ökoenergie. Schröfelbauer warnt aber davor, Kohle und Gas zu verteufeln. Zugleich hadert die E-Wirtschaft mit den Kosten für CO2-Zertifikate. Man sei in der ersten Allokationsperiode (2005 - 2007) zu kurz gekommen. Allein 2005 mussten die Versorger CO2-Zertifikate um rund 33 Millionen Euro zukaufen. Die Voest bleibe hingegen aufgrund der großzügigen Zuteilung auf einem »Riesenpolster« sitzen, wie Windtner kritisiert. Für die zweite Zuteilungsperiode wünscht sich die E-Wirtschaft keine Benachteiligung gegenüber deutschen Mitbewerbern und eine Berücksichtigung von Zukunftsprojekten. Aus diesem Blickwinkel macht natürlich auch das ungelegte Ei eines Kohlekraftwerkes der Energie AG Sinn.

Eine weitere Forderung der E-Wirtschaft richtet sich an die Politik. Trotz des Generalsegens, den Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erst im Herbst 2005 der Branche und ihren Ausbauplänen erteilt hat, fühlen sich die Versorger durch lange Genehmigungsverfahren gepiesackt. Zudem droht eine strenge Auslegung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die aus den für die Versorgung so wichtigen Speicherkraftwerken im Extremfall Laufkraftwerke machen könnte, wie Schröfelbauer ausführt.

Wäre die Situation tatsächlich so bedrohlich wie dargestellt, wären die Tiwag und ihr wortgewaltiger Chef Bruno Wallnöfer, der im VEö als Spartensprecher Netz fungiert, ziemlich arm dran. Zum heftigen Widerstand beim Neubau in den verbliebenen Tälern kämen noch erhebliche Einbußen im Bestand. Schwer vorstellbar, dass ein öVP-Umweltminister im heiligen Tirol mittels Wasserrahmenrichtlinie den Fluch auf sich ziehen will. Es wird also das kommen, was die E-Wirtschaft sich wünscht - eine Umsetzung mit Augenmaß. Die Alternative zu einem radikalen Ausbau der heimischen Erzeugungskapazitäten sehen die Versorger im verstärkten Import von Strom. Damit würde man erstens eine Erhöhung des Atomstromanteils in Kauf nehmen und zweitens wäre man bei den Preisen »völlig abhängig«, wie Windtner betont. Dass die heimischen Stromkunden schon jetzt mit dem Argument des gestiegenen Marktpreises konfrontiert sind, sei nur nebenbei erwähnt. Das Sparen hat für die Versorger im Vergleich zu ihren Ausbauenergien verständlicherweise einen geringen Stellenwert. Man belässt es bei Stehsätzen: »Die österreichische E-Wirtschaft spricht sich für einen sorgsamen Umgang mit dem wertvollen Gut Strom aus«, betont Schröfelbauer. Er ist überzeugt, dass beim Verbrauch gespart werden kann, eine Trendumkehr sei davon aber keineswegs zu erwarten. Das vom TU-Professor Günther Brauner errechnete Szenario ist und bleibt für die Stromwirtschaft eine Art Naturgesetz. Darin festgehalten ist, dass, wie oben erwähnt, bis 2020 von einem Mehrverbrauch von 29.000 Gigawattstunden auszugehen ist. Es wäre auch unfair, den Versorgern hier den Schwarzen Peter zuzuschieben. Sie verkaufen eine Ware um gutes Geld und machen damit erhebliche Gewinne. Nachdem die Länder und der Bund erheblich davon profitieren, fällt auch die Politik als Initiator einer wirklichen Energiespar-Offensive aus. Wenn niemand steuert und lotst, bleibt dem Volk bloß die Eigeninitiative - und die versumpert zu oft vor dem Plasmafernseher und erhöht damit das Problem.

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