"Sind immer noch in der Steinzeit"
- Written by Redaktion_Report
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Michael Öttl, Geschäftsführer der TMC Direkt-Marketing GmbH, über Bestandskundenbetreuung und Neukundengewinnung via Telefon, die Unsinnigkeit der Robinsonliste und Trends im Marketing.
Michael Öttl: Das kann eigentlich jeder für sich beantworten. Solange man noch kein Kunde ist, wird man von vielen Unternehmen hofiert und mit Aufmerksamkeit zugeschüttet. Hat man den Vertrag dann unterschrieben, ist es oftmals vorbei mit der Zuwendung. Die Bestandskundenbetreuung in Österreich befindet sich immer noch in der Steinzeit. Im Vergleich zu den USA passiert bei uns nur sehr wenig. Am ehesten sind es noch die Inhaber geführten Unternehmen, die in Richtung der Stammkundenpflege aktiv sind. Plakativ gesagt: Dort, wo es menschelt, sind auch die Bestandskunden etwas Wert.
(+) plus: Was können österreichische Unternehmen vom amerikanischen Modell lernen?
Öttl: Vor allem die Konsequenz, mit der Stammkunden betreut werden. Dabei kann man über die Art und Weise der Betreuung sicher geteilter Meinung sein. Das geht teilweise schon sehr weit und ist auch gar nicht erstrebenswert. Österreich ist in dieser Hinsicht ein konservatives Land. Man wird die Unternehmenskulturen nicht radikal ändern können. Dabei ist interessant, dass das Bewusstsein zur Stammkundenpflege in Österreich durchaus vorhanden ist, nur in der Umsetzung gibt es eklatante Probleme.
(+) plus: Was macht eine gute Stammkundenbetreuung aus?
Öttl: Eine gute Stammkundenbetreuung darf keinen Verkaufscharakter haben. Dieser Fehler wird oft gemacht. Wenn ich von einem Unternehmen gefragt werde, wie zufrieden ich mit der Geschäftsbeziehung bin und wo es Verbesserungspotenzial gibt, dann hat das Servicecharakter und wird positiv aufgenommen. Wenn mir aber im letzten Satz noch ein neues Produkt oder eine Zusatzdienstleistung angeboten wird, hat das den Charme eines Versicherungsvertreters und dreht ins Negative. Es geht darum, Feedback einzuholen und die Anliegen und speziell die Reklamationen der Kunden ernst zu nehmen. Stammkundenbetreuung heißt nicht, zu Weihnachten eine Karte oder eine Flasche Wein zu verschicken, sondern aktiv auf die Wünsche der Kunden einzugehen. Wir bieten unseren Kunden mit dem TMC Kundenmonitor ein Feedback-Tool an, mit dessen Hilfe Optimierungsmaßnahmen im Unternehmen umgesetzt werden können. Dabei wird monatlich und automatisiert ein Trendwert über die Zufriedenheit der Kunden unserer Auftraggeber erstellt. Das besondere daran ist, dass es nicht nur um nachweisbare Zahlen und Fakten geht, sondern vielfach um persönliche Befindlichkeiten und Emotionen, die für eine ehrliche Bewertung sorgen.
(+) plus: Wie steht es um die Neukundengewinnung?
Öttl: Untersuchungen zeigen, dass 90 Prozent der heimischen Unternehmen mit der Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen überzeugen können. Vertrieb, Kundenbetreuung und Marketing erweisen sich aber oft als mangelhaft. Hier zahlt es sich aus, professionelle Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Ich bin überzeugt, dass Dialog-Marketing zu den besten Instrumenten gehört, um neue Kunden zu gewinnen. Dabei ist das Telefon nur das Instrument, nicht aber die Methodik. In unserem Fall steht die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden im
Vordergrund, in dessen Namen wir auch auftreten. Die Zielsetzung lautet: Neukundenkontakte zu generieren. Es geht um Marktaufbereitung, Potenzialdefinition, Adressenevaluierung, Definition von Entscheidungsträgern, Abstimmungsmeetings und vor allem um das Wissen sämtlicher Prozessabläufe bei unseren Kunden. Denn ohne dieses Wissen können wir keinen nachhaltigen telefonischen Dialog mit potenziellen Neukunden führen.
(+) plus: Direkt-Marketing wird immer auch mit Belästigung in Verbindung gebracht. Mit Instrumenten wie der so genannten Robinson-Liste (Eine Schutzliste mit Kontaktdaten von Personen, die keine unaufgeforderte Werbung erhalten wollen, Anm. d. Red.) versuchen immer mehr Privatpersonen, aber auch Unternehmen, sich gegen die Werbeflut zu schützen. Der Todesstoß für Ihr Geschäftsmodell?
Öttl: Die Robinson-Liste betrifft nicht nur Marketing-Firmen, sondern alle Unternehmen. Ohne entsprechende Opt-In-Klausel dürfte man mit keinem Unternehmen mehr Kontakt aufnehmen. Jedoch wird dies im B2B-Bereich im Gegensatz zum B2C-Bereich nicht so streng gehandhabt. Deshalb sind die Auswirkungen vernachlässigbar.
Es geht ja auch immer darum, ob sich das Gegenüber belästigt fühlt oder nicht. Das ist immer auch eine Stilfrage. Ein Telefonat mit Verkaufsdruck ist etwas anderes als ohne. Es geht in unserem Geschäftsmodell auch gar nicht darum, Verkaufsgespräche über das Telefon zu führen. Das funktioniert heute nicht mehr. Der persönliche Kontakt kann durch ein Telefonat nicht ersetzt werden. Aber das Telefonat kann eine äußerst sinnvolle Ergänzung und ein zusätzliches Vertriebsinstrument sein.
(+) plus: In welche Richtung geht das Marketing allgemein? Welche Trends lassen sich erkennen?
Öttl: Man muss hier deutlich unterscheiden zwischen B2B und B2C. Im B2B-Bereich wird sich der Trend zum direkten Kontakt mit dem Kunden sicher weiter verstärken. Im B2B-Bereich sind integrierte Marketingkampagnen auf dem Vormarsch. Wer sich künftig auf ein Medium, auf eine Kommunikationsplattform konzentriert, wird sich rasch auf dem Abstellgleis wiederfinden.
Aber auch strukturell wird sich bei vielen Unternehmen etwas ändern müssen. Das so genannte Pareto-Prinzip ist immer noch weit verbreitet. 20 Prozent der Kunden sind für 80 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Das ist ungesund und auch gefährlich, wie die Finanzkrise gezeigt hat. Wenn ein wichtiger Kunde wegbricht, darf nicht die Substanz eines Unternehmens gefährdet sein. Das Problem ist, dass viele Unternehmen das Neukundengeschäft fast schon verlernt haben. Hier muss man den Hebel ansetzen und die richtigen Strukturen schaffen.