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»Lieben müssen sich Kollegen nicht«

»Lieben müssen sich Kollegen nicht« Foto: Wilke

Diverse Teams sind leistungsstärker, aber auch fordernder. Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg, meint Unternehmensberaterin Gabriele Höller.

(+) plus: Was sollte man bei der Zusammenstellung von Teams beachten?

Gabriele Höller: Je diverser das Team ist, desto optimaler wird es auch die gesteckten Ziele erfüllen. Diversität bezieht sich dabei nicht nur auf die fachliche, sondern auch auf die kulturelle und personelle Ebene wie alt und jung, Frau und Mann oder ethnische Vielfalt. Für Führungskräfte, die sich damit nicht auseinandersetzen wollen, ist eine homogene Gruppe natürlich einfacher zu handhaben. Der Preis dafür ist, dass entsprechend weniger Lösungsideen oder Perspektiven für die Aufgabenerfüllung generiert werden.

(+) plus:  Arbeiten ähnliche Charaktere nicht harmonischer zusammen?

Höller: Homogenität trägt die Gefahr in sich, einseitige Lösungen zu finden. Wenn es um Aspekte wie Wettbewerbsvorteile, Wirtschaftlichkeit oder Kreativität geht, ist Diversität unerlässlich. Ich betreue häufig rein männliche Technikerteams, denen es schwerfällt, auf der Beziehungsebene zu kommunizieren und Lösungen vornehmlich auf der Fachebene finden. Teamfähigkeit heißt für mich, andere Sichtweisen, Motive, Bedürfnisse und Denkweisen anzuerkennen. Diese Grundhaltung bereitet den Boden für Offenheit und  konstruktive Zusammenarbeit. Das heißt noch nicht, dass alle diesen einen Weg gehen oder diese Perspektiven befürworten.

(+) plus: Wie lange dauert es, bis ein Team zusammenwächst?

Höller: Würde man ein Team aus lauter neuen Mitarbeitern zusammenstellen, könnten Arbeitsbeziehungen unbelastet beginnen. So sieht die Welt aber nicht aus. Bei Veränderungen in Organisationen werden die MitarbeiterInnen oft aus unterschiedlichen Abteilungen zusammengewürfelt, die neue Führungskraft hat sich in einem Teilbereich gegen andere durchgesetzt, da schwingen Enttäuschungen mit und Widerstände sind vorprogrammiert.

In einem Teamentwicklungsprozess kann rascher geklärt werden, wer welche Rolle im Team einnimmt und welche wechselseitigen Erwartungen damit verknüpft sind. Der Fokus liegt auf den Aufgaben. Viele Menschen sind so mit sich und ihren Beziehungen beschäftigt, dass sie vergessen, wofür sie eigentlich da sind.

(+) plus: Wie können Führungskräfte diesen Prozess unterstützen?

Höller:  Führungskräfte können durch wiederkehrende gezielte Fokussierung der Teammitglieder auf die Aufgabe unter Nutzung der Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten das Team weiterentwickeln. Dieser Prozess ist keine isolierte Maßnahme. Ich kann als Coach nur Impulse setzen. Diese Impulse werden von der Führungskraft in den Alltag transferiert, z.B. indem sie das Thema Kommunikationsstrukturen in Form eines wöchentlichen Jour fixe mit Protokoll klar festlegt.

Neben notwendigen Sachthemen kann die Führungskraft öfters als Tagesordnungspunkt aufnehmen: Wie geht es uns miteinander? Vertrauen wir einander? Sind uns unsere Rollen und Verantwortungsabgrenzungen klar? Für bestehende Teams empfiehlt sich einmal pro Jahr ein Team-Retreat, in dem es z.B. zwei Tage nur um die Zusammenarbeit, die Strukturen und die Teambeziehungen geht.

(+) plus: Was halten Sie von Teambuilding-Events?

Höller: Wenn jemand das gut findet, ist das in Ordnung. Ich biete keine Raftings an und koche auch nicht mit Teams, da dies nicht zu mir passt. Als systemische Beraterin und ausgebildete Embodiment-Trainerin biete ich aus diesem Bereich Tools und Übungen an, etwa zum Thema »Wie grenze ich mich besser ab?«. Hinter diesen Aktivitäten stehen Erklärungsmodelle. Wenn viele Sportbegeisterte im Team sind, ist Bewegung sicher großartig. Für Vorsichtige ist ein Hochseilgarten vielleicht eine Überforderung. Wenn Kochen zu dem Team passt – warum nicht?

Gruppendynamische Übungen müssen aber immer reflektiert werden. Auch die Freiwilligkeit ist entscheidend. Bei einer sehr formalen Aufbereitung – beispielsweise »Strategie 2016« – können Mitarbeiter schwer sagen: »Da fahre ich nicht mit.« Das muss aber nicht heißen, dass dort nur an der Strategie gearbeitet wird und sonst nichts passiert. Steht ein Retreat aber vornherein rein unter dem Thema »Socializing«, kann es passieren, dass einige nicht mitfahren wollen. Die Zeit der reinen Outdoor-Trainings ist vorbei.

(+) plus: Woran mangelt es in nicht funktionierenden Teams?

Höller: Ich sehe sehr oft, dass die Offenheit fehlt. Die Mitarbeiter haben Angst, als Querulanten zu gelten, wenn sie Probleme ansprechen. Kritik ist negativ besetzt. Die Menschen ziehen sich zurück und melden sich auch in den Teambesprechungen nicht zu Wort. Ich kenne wenige Unternehmen, die Offenheit nach innen auch wirklich leben. In meinen Coachings höre ich dann, wie belas­tend diese Situation erlebt wird. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten oder Missverständnisse in der Kommunikation, eine flapsige Antwort, die gar nicht so gemeint war. Je härter der Konkurrenzkampf ist, umso größer werden auch die Ängste.

(+) plus: Wie sollten Führungskräfte mit Konflikten umgehen?

Höller: Konflikte sind eindeutig Chefsache. Hier sind Führungskräfte als neutrale Vermittler gefordert, schon bevor die Situation eskaliert. Lieben müssen sich Kollegen nicht, aber so weit respektvoll miteinander umgehen, dass Teamarbeit möglich ist.

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