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Obama, das begabte Unglück der USA

\"ultimatenDass Obama ein gewaltiger Redner ist, wissen alle. Nur zu sagen hatte er in den letzten Monaten nicht allzu viel. Der Meister politischer Rhetorik lässt Leadership vermissen.

Barack Obamas Auftritt am 8. September vor dem Kongress hinterlässt einen schalen Nachgeschmack – wieder einmal, weil da sichtlich einer am Werk war, der Meisterschaft in politischer Rhetorik mit hochgradigem praktischen Dilettantismus paart. Möglichkeiten, tatsächlich Fortschritte zu machen, lässt er aus, um dann mit großem Getöse Handlungen, die er längst hätte setzen können, einzufordern.

Das ganze Desaster um die Defizitreduktion hätte Obama verhindern können. Aber als es Zeit war, tat er nichts, und als der Wettlauf gegen die Uhr seinem Höhepunkt zusteuerte, setzten ihm die Republikaner den Stuhl vor die Tür: »Mit Obama zu verhandeln, ist wie mit Pudding reden«, hatte der Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner damals gemeint.

Die Debatte um die Defizitreduktion hat Obama gründlich vergeigt. Statt eine Gesamtkomposition zu erarbeiten, blieb alles Stückwerk. Nie hat er in dieser entscheidenden Phase gezeigt, was die Amerikaner Leadership nennen. Im Herbst vergangenen Jahres setze er eine überparteiliche besetzte Kommission – bekannt als Simpson & Bowles – ein und diese erarbeitete und präsentierte im Jänner 2011 grundvernünftige und auch umsetzbare Vorschläge. Die besten Köpfe beider Parteien waren über ihre Schatten gesprungen und schlugen vor, was beiden Parteien weh tat, aber als gut fürs Land empfunden wurde.

Was tat Obama? Er ließ die Kommission im Regen stehen, ließ deren Konzepte in der Schublade verschwinden, stieß alle, die an einem vernünftigen Fortschritt interessiert waren, vor den Kopf und tat dann einmal ausgiebig überhaupt nichts.
Als dann das Desaster beinahe eingetreten war, erging er sich in ausgiebigen Schuldzuweisungen und schob das Problem letztlich vor sich her. Der Kompromiss damals: Ein zwölfköpfiges Superkomitee des Kongresses mit umfangreichen Kompetenzen wird eingesetzt. Es kann und muss bis Anfang November umfangreiche strukturelle Sanierungsschritte setzen.
Was tut Obama? Anstatt auf ein substanzielles, auch vom Kongress gestütztes Paket hinzuarbeiten – das Komitee wäre das ideale Vehikel –, setzt er auf politische Show, bringt einen neuerlichen Vorschlag, der in der Substanz keinen Fortschritt bringt, aber in der Inszenierung so tut, als sei da einer, der das Land führe.

Das Obama’sche Stückwerk wird um einen weitere Facette erweitert, diesmal trägt sie den klingenden Namen »American Jobs Act«.

Das Ding hat überhaupt keine Chance, im Kongress verabschiedet zu werden, vor allem deshalb, weil Obama gleich angekündigt hat: »Alles oder nichts«. Aus dem Vorschlag könne man sich nicht die Rosinen herauspicken, sondern unverändert sei es in seiner Gesamtheit zu akzeptieren: »Pass this Act now.«

Damit ist der Präsident 14 Monate vor der Zeit endgültig im Wahlkampf angekommen, mit realer Problemlösung hat das nichts mehr zu tun. Wollte er tatsächlich ein Paket beschließen, hätte er vielleicht vorher mit den Republikanern im Repräsentantenhaus reden müssen, um sie einzubinden und für seinen Vorschlag zu gewinnen. Das hat Bill Clinton in seiner Amtszeit vorexerziert, als er mit einem von der anderen Partei kontrollierten Kongress erfolgreich Politik machte, ganz einfach weil er mit den Andersdenkenden kommunizierte und sie nicht permanent mit Ultimaten konfrontierte.

Obama bleibt der politische Phrasendrescher, der mit seiner faszinierenden Rhetorik das Weiße Haus eroberte, aber, einmal dort angekommen, nichts mit der verliehenen Macht anzufangen wusste.

Auf Obama trifft immer mehr die Beschreibung zu, die der österreichische Sozialphilosoph Norbert Leser für den kämpferischen Sozialdemokraten Otto Bauer gefunden hat. Bauer sei »das begabte Unglück« der Partei gewesen, meinte Leser.
Obama erweist sich als »begabtes Unglück« der USA.

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