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»Umsetzung eines Versprechens«

\"MarkusDie beiden Customer-Care-Experten atms und PIDAS über Kundenservice als  Erfolgswerkzeug und die Situation dazu in Österreich.

Gerhard Wanek und Markus Buchner präsentierten zuletzt die Neuauflage einer jährlichen Marktstudie zum Thema Kundenservice. Im Report-Gespräch erläutern die Kundendialog-Spezialisten und Geschäftsführer der Unternehmen atms und PIDAS die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung von Service – und wie es dazu in Österreich aussieht.

Report: Wie viel Geld lässt die Wirtschaft wegen unzufriedenstellender Serviceleistungen für Endkonsumenten liegen?

Gerhard Wanek, PIDAS: Unternehmen in Österreich schätzen, dass ihre Umsätze um rund 24 Prozent und ihre Wertschöpfung um 18 Prozent gesteigert werden könnten – dieses Potenzial aber aufgrund mangelhafter oder schlichtweg fehlender Kundenservicemaßnahmen nicht genutzt wird. Hochgerechnet ergibt das gewaltige Summen. Wenn wir diese Zahl auf das heimische Bruttoinlandsprodukt umlegen würden – müssten wir über kein Sparpaket mehr diskutieren.

Markus Buchner, atms: Der aufgrund von mangelndem Service nicht realisierte Umsatz und das nicht realisierte Wertschöpfungspotenzial wird von Jahr zu Jahr auch von den Unternehmen selbst höher eingeschätzt. Unternehmer verstehen zunehmend, dass Service nicht nur ein Muss ist, sondern auch zusätzliches Ertragspotenzial bietet.

Das häufigste Anliegen von Kunden bei der Kontaktaufnahme mit Unternehmen ist zunächst Produktinformation, dann folgen Themen wie Buchungen, Reservierungen und Bestellungen sowie Rechnungsinformationen. Erst danach werden Beschwerden und Garantieabwicklungen, Anfragen zu Lieferungen oder Produktsupport genannt. Hier bestätigt sich auch das Potenzial in der Wertschöpfung auf Kundenseite. Kunden würden Produkte kaufen, wenn sie eine passende Serviceschnittstelle geboten bekämen.

Wir sehen hier die Notwendigkeit einer strategischen Verankerung von Service in jedem Unternehmen.

Wanek: Der Konsument sieht Service nicht grundsätzlich negativ. Die alte Ansicht, dass Service vor allem Reklamation und Beschwerden bedeutet, ist nicht mehr gültig. Dies ist natürlich ein positives Signal für die Wirtschaft – durch fehlerfreie und nutzerfreundliche Dienste und Produkte kommt es zu immer weniger Reklamationen. Wenn sich heute Kunden an ein Unternehmen wenden, tun sie dies oftmals bereits kauforientiert.

Durch den Internethandel sind in jüngster Zeit weitere Vertriebskanäle für Konsumenten entstanden. Die Qualität des Kundenservice ist dadurch aber auch transparenter geworden. Wenn der örtliche Sporthändler früher einen schlechten Kundenservice geboten hat, wurde vermutlich im privaten Kreis darüber geschimpft. Heute ist gutes wie schlechtes Kundenfeedback weltweit auf Knopfdruck abrufbar. Die Konsumenten haben das in der ganzen Tragweite bereits verstanden – die Unternehmen hinken hier ihren Möglichkeiten jedoch leider noch nach. Vielerorts wird Kundenservice noch immer als Kostenverursacher gesehen. Freilich ist es legitim, auch in diesem Bereich effizient aufgestellt zu sein, um Leerkosten zu vermeiden. Wir raten aber Unternehmen davon ab, Service lediglich als Kostenstelle zu betrachten. Hier ist eine Änderung der Blickrichtung gefordert, um auch mögliche Erlöse, die im Service geschaffen werden können, lukrieren zu können.

Buchner: Das Thema insgesamt hat viel mit Darstellbarkeit zu tun. Kosten im Servicebereich sind immer transparent, da es sich in der Regel vor allem um Personalkosten handelt. Gerade bei großen Unternehmen, die hunderte Mitarbeiter im Bereich Customerservice beschäftigen, sind Einsparungseffekte bei einem Personalabbau schnell sichtbar. Dagegen fällt es schwer zu dokumentieren und zu argumentieren, welcher Mehrwert durch Service generiert wird. Im Marketing ist es ja ähnlich: Unternehmen müssen eigentlich Werbung machen, sie wissen aber meist nicht, welche Maßnahmen direkt den Erfolg bringen. Auch der Kundenservice muss stimmen – viele wissen aber nicht, was er genau einbringt.

Es gibt freilich Ausnahmen: Versandhändler sind hier teilweise bereits recht gut aufgestellt. Sie können Zusatzverkäufe, die über die Hotline getätigt werden, detailliert registrieren. Man arbeitet hier auch bereits mit Bezugsgrößen wie »customer lifetime value«. Die Größe sagt etwas über den Wert der Kundenbeziehung aus. Auch die Mobilfunkunternehmen wissen darüber ganz gut Bescheid. Viele andere Unternehmen wissen oft aber nur, dass einen Kunden zu halten billiger ist, als einen Kunden zu gewinnen.

Doch was bedeutet ein gehaltener Kunde wirklich? Was verdiene ich durchschnittlich an einem Kunden? Ich benötige diese Informationen, um meine Serviceaufwände rechtfertigen und eine schlüssige Servicestrategie kreieren zu können.

\"GerhardWanek: Laut unserer Studie haben 17 Prozent der größeren Unternehmen keine EDV-gestützte Dokumentation im Kundenservice. Eine zentrale Stelle, in der alle Informationen zu den Kundenkontakten gesammelt und ausgewertet werden, gibt es bei 44 Prozent der österreichischen Unternehmen nicht. Und die breite Mehrheit der Unternehmen differenziert in ihrem Service nicht. Das heißt: Alle Kunden bekommen basis­demokratisch das Gleiche angeboten, die besonders gewinnbringenden Kunden werden nicht bevorzugt.

Report: Eine Protokollierung und Dokumentation bei Hotline- und Call-Center-Lösungen ist wohl technisch kein Problem. Das müsste doch eine Standardfunktion in den IT-Lösungen sein?

Buchner: Genau das ist der Punkt. Selbst wenn Unternehmen dies in ihrer IT-Umgebung nutzen könnten, wird daraus nicht immer etwas Sinnvolles gemacht. Trotz der vielen Möglichkeiten in den Systemen heute werden dann selbst in Profiorganisationen noch Stricherl­listen auf Papier während der Telefongespräche gemacht. Freilich fehlen oft auch die passenden Systeme, um ein ganzheitliches Servicekonzept zu unterstützen. Das muss natürlich zuerst einmal definiert werden – frei nach einem Grundsatz des Ökonomen Peter Drucker: »structure follows strategy«. Es ist also überhaupt erst eine Strategie im Servicebereich erforderlich, um später die richtigen Systeme auswählen zu können. Dann kann definiert werden, welche Bereiche welchen Beitrag zur Servicestrategie der Firma leisten können.

Wanek: Wir beraten Unternehmen im Aufbau vom Kundenserviceorganisationen und fragen im Regelfall zuerst, für welche Zwecke man Service überhaupt anbieten möchte. In zwei Dritteln der Fälle gibt es in den Firmen keinerlei Strategie dahinter. Aus einer gewissen Unwissenheit heraus wird der Bereich Service nicht mit einer Unternehmensstrategie verknüpft. Service wird immer noch sehr stark als operatives Thema gesehen. Dass man Servicewerte auch aus Produkt- und Markenbereichen ableiten kann, damit sind viele Unternehmen einfach maßlos überfordert.

Wenn man Entscheidungsträger fragt, wer die Kunden des Unternehmens denn eigentlich sind, erhält man meist eine sehr unstrukturierte Antwort. Diese eigentlich simple Frage verdeutlicht die grundsätzliche Problematik im Kundenservice. Letztlich treffen die Unternehmen bei den Anrufern einer Serviceline auf eine sehr inhomogene Gruppe. Auch der Aufwand und die Verwendung der Mittel, wie mit diesen einzelnen Kunden umgegangen wird, sollten folglich sehr unterschiedlich sein.

 

Report: Wir kennen doch die Lippenbekenntnisse vieler Unternehmen, serviceorientiert zu denken und Kundenservice sehr wichtig zu nehmen. Wie ernst ist das zu nehmen?

Wanek: Wenn man diese Unternehmen fragt, wie es ihnen mit dem Kunden­service prinzipiell geht und Details dazu begreifen möchte, kommt man ganz schnell in einen Graubereich. Heute ist das Thema Service lediglich bei knapp der Hälfte, genauer bei 51 Prozent der Unternehmen auf Vorstandsebene angesiedelt. Das bedeutet, dass bei der anderen Hälfte der Bereich Kundenservice auf einer operativen Bereichsleiterebene angesiedelt ist. Hier spießt es sich dann – eine Servicestrategie sollte sich schließlich durch alle Bereiche eines Unternehmens ziehen.

Buchner: Service bedeutet ein konkretes Versprechen gegenüber den Kunden. Damit kann unterstrichen werden, welchen Nutzen Kunden aus dem Kontakt und der Verbindung mit dem Unternehmen ziehen können. Nun sollten die Unternehmen auch an der sauberen Umsetzung dieses Versprechens arbeiten.

 

 

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