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Familien und Unternehmen

Von Reinhold Fleischhacker

Menschen, die in Familien von Familienunternehmern hineingeboren werden, haben einen nicht zu unterschätzendenVorteil:Sie lernen frühzeitig, mit Paradoxien zu leben. Sie können beobachten, wie Vater oder Mutter zwischn mehreren Realitäten hin und her wechseln können, wie sie also mal fürsorgliche Mütterund Väter sind, im nächsten Augenblick aber schon wieder strenge Chefin oder strenger Chef. Gerade dieser Umgang mit Paradoxien ist für Familienunternehmungen überlebensnotwendig(das gilt freilich auch für das Privatleben - wer das nicht schafft, läuft Gefahr, verrückt zu werden).

Die Forschung zum Thema Familienunternehmen kommt erst langsam in Schwung. Fahrt aufgenommen hat sie bereitsan der Management Uni Witten/Herneke, wo sich die führenden Systemiker Europas mit dem Thema befassen.

Koevolution. Vieles im Leben entwickelt sich evolutionär, also ungeplant. Wenn zwei Individuen oder Systeme eng gekoppelt sind, dann sollte eine Koevolution stattfinden- passiert das nicht, leben sich die beiden Teile auseinander.Familien und Firma sind bei unserem Untersuchungsobjektziemlich eng gekoppelt. Die Geschichte zeigt, dass ein Familienunternehmen nur dann mehrere Generationen überlebt, wenn diese Koevolution stattfindet (besser: stattgefunden hat, denndas weiß man bei der Evolution immer erst hinterher). Erfolgsrezept gibt`s aber keines: Die einen machen`s so, die anderen anders.

Austauschbarkeit. Ein wesentlicher Erfolgsfaktorvon Kapitalgesellschaften ist, dass jeder Mitarbeiter austauschbarist. Jeder Mitarbeiter wiederum wird danach streben, dass er selber für seine Firma unersetzlich ist, aber gleichzeitig seine Qualifikationen so gestalten, dass er seinerseits seinenDienstgeber jederzeit austauschen kann. Das ist das eineSpielfeld. Auf dem Spielfeld »Familie« ist der umgekehrte Fall der Fall: Funktioniert ein Familienmitglied nicht nach Wunsch, wird esnicht einfach ausgetauscht, sondern ein anderes Familienmitgliedspringt ein (Töchter übernehmen die Mutterrolle, usw.). Das ist schon wieder Ressource, aber auch Gefahr: Ist der familieneigeneManager eher unfähig, kann er großen Schaden anrichten.

Kapitalbindung. Auch hier gilt: Es ist gleichzeitigRessource und Gefahr, wenn ein die Politik des Unternehmensbestimmender Teil des Kapitals in der Hand einer Familie ist: Die vierteljährliche Berichtspflicht fällt ebenso weg wie die Gefahr, kurzfristig profitorientiert zu entscheiden, dieRenditeerwartungen sind meist von größerer Geduld geprägt.Auf der Gegenseite steht das Risiko der fehlenden Managementkontrolle. Die Firma kann aber auch an innerfamiliären Konflikten zugrunde gehen - denn innerfamiliäreKommunikationen sind keiner öffentlichen Kontrolle unterworfen.

Die Bank. Ein gefährlicher Rivale in der Zweierbeziehung von Firma und Familie ist die Hausbank. So lange alles glatt läuft, ist der zuständige Sachbearbeiter ein guter Freund der Familie. Wie auch der Volksmund sagt, hört sich beim Geld aber die Freundschaft auf. Konkret, wenn das Unternehmen in eine Krise gerät. Angenommen, Kurt Düsentrieb hatte vor seiner Firmengründung eine gute Anstellung und Bettina Düsentrieb war mit dem Wechsel in das Unternehmertum von Anfang an nicht wirklich glücklich. Bettina hat auch noch etwas Vermögen geerbt, die Zukunft ist also mehr als abgesichert. Kurt setzt seinen Dickschädel durch, weil er ahnt, dass er zu Größerem fähig ist.In dem Moment, wo sein Unternehmen in eine Krise gerät, ist Feuer am Dach: Zur Verlängerung der Kreditstrecke, so schlägtder freundliche Sachbearbeiter vor, soll Bettina mit ihrem geerbten Privatvermögen gerade stehen. Da kann der Haussegen schonmal ins Wanken geraten, zumal anzunehmen ist, dass in der Zeit der Krise der Firma die Beziehung ebenfalls eine Krise durchmacht(was gottlob nicht zwingend ist). Gewinnt Bettina und unterschreibt die Haftung nicht, geht beides verloren: die Firmaund die Ehe.

Nachfolge. Die ersten Familienunternehmungenwaren landwirtschaftlicher Natur. Noch vor wenigen Generationen war alles ganz einfach: Der älteste Sohn eines Großbauernwurde Bauer, der zweite Pfarrer, der dritte meist Lehrer (kam als erstes Kind ein Mädchen zur Welt, war es eine »Gitsche«, also fürdie Erbfolge »wertlos«). In den meisten modernen Familien hat sich jedoch Gleichberechtigung durchgesetzt, nicht nur in der Geburtenfolge, sondern auch Buben und Mädchen sind inzwischen gleich wertvoll. Diese Errungenschaft der Gesellschaft ist gleichzeitig ein Problem für die Nachfolge. Ein weiteres Problem kann die Verschiedenheit von Familie und Firma bedeuten. Nur selten passt der Zeitpunkt, an dem eine übernahme durch den Nachfolger angebracht wäre (um beispielsweise einenInnovationsschub zu inszenieren), mit dem Zeitpunkt zusammen, zu dem einerseits der Nachfolger ausbildungsmäßig bereit ist, andererseits der übergeber gewillt ist, das Zepter aus der Hand zu geben. Eine Möglichkeit ist, zumindest für einen gewissen Zeitraum einen Fremdmanager einzusetzen. Das ist gar nicht so einfach, wie die Wittener Forschungsgruppe an Fallbeispielenschildert. Denn dieser Fremdmanager muss nicht nur die Kommunikationen der Firma erlernen, sondern auch jene der Familie. Sehr oft entsteht also Stagnation, wenn eigentlich Innovation gefragt wäre. Das ist einer der Gründe, warum dieNachfolgefrage oft ungelöst bleibt. Es können aber auch einfach Unsicherheiten oder versteckte Kommunikationen im Spiel sein (jede Interaktion ist auch eine Kommunikation), etwa, dass sich der potenzielle Nachfolger zu wenig respektiert fühlt. In solchen Fällen zeitigt die Methode der systemischen Strukturaufstellung erstaunliche Erfolge: Das Problem wird mithilfe von Stellvertretern in den Raum gestellt, die Personen in der Konstellation konzentrieren sich nur darauf, wie sie sich in der Konstellation fühlen - in den meisten Fällen kommt eine Lösung raus (etwa, dass der Patriarch sich langsam zurückziehen sollte, der Nachfolger gewinnt in der Folge an Selbstvertrauen).

Knackpunkt 2. und 3. Generation. Tatsache ist, dass es nur die Hälfte der Familienunternehmen schafft, einen Nachfolgerfür die zweite Generation zu finden, auf dem Sprung in die dritte Generation bleibt nochmals die Hälfte auf der Strecke (gemeintist, dass ein Nachfolger innerhalb der Familie gefunden wird).Dann wendet sich allerdings das Blatt. Was sind die Ursachen dafür?Die sind vielfältiger Natur. Erfolgreiche Firmengründer sind ja nicht deswegen erfolgreich, weil sie zu Hause sitzen und mitden Kindern im Sandkasten spielen und deren Hausaufgaben betreuen - meist ist das Gegenteil der Fall: Der Großteil der Energie (und auch der Zeit) geht in die Firma. Beim heranwachsenden potenziellen Nachfolger kann da schon mal Eifersucht (auf die Firma) aufkeimen. Das vermindert die Lust, Nachfolger zu werden. Zudem erwarten sich Eltern oft, dass Kinderfreiwillig und spontan das tun, was sich Eltern von ihnen erwarten: »Du musst nicht Nachfolger werden - solange du dich nur dazu entschließt, mir nachzufolgen«, ist ein paradoxer,aber gar nicht so seltener Gedankengang. Wesentlich einfacher wird die Sache, wenn der übergeber selber schon mal übernehmer war. Fritz Simon hat da eine gute Metapher bereit: »Es macht einen Unterschied, ob ich das Staffelholz selber geschnitzt habe oder ob ich es übergeben bekommen habe.« Außerdem sind dann die Fußstapfen des Gründers nicht mehr so deutlich sichtbar - sie können also nicht zu groß sein.

Großfamilie. Das Phänomen der Großfamilie ist heuteso gut wie ausgestorben. Doch vereinzelt ist es noch zu finden: Nämlich dann, wenn das Familiengeflecht an ein Firmengeflechtgekoppelt ist - zeigten die Untersuchungen von Mehrgenerationen-Familienunternehmen. Es ist gut vorstellbar, dass die FamilieGruber in Aigen im Mühlviertel nicht mehr vollständig dort leben würde, wenn sie nicht gemeinsam das Hotel führen würde. Besonders in ländlichen Gebieten zerstreuen sich die Mitglieder für gewöhnlich in Windeseile in alle Himmelsrichtungen, weil esvor Ort ja kaum adäquate Arbeitsplätze gibt. Insofern sind Firma und Familie eng aneinander gekoppelt. Die Grubers funktionierendeshalb sowohl als Familie als auch als Firma, weil sie beide Kommunikationsmuster beherrschen - sowohl die von Familienals auch die von Organisationen.

Erfolgsmodell. Das Forschungsprogramm untersuchteauch mehrere erfolgreiche Mehrgenerationen-Familienunternehmungen, also solche, die schon über fünf bis sieben Generationen überlebt haben. Das Blöde an den Ergebnissen: Es lässt sich kein Erfolgsrezept herauslesen.Jedes Unternehmen hat die vielen Paradoxien im Laufe der Geschichte eben irgendwie aufgelöst. Das eine so, das andereanders - wer eine Garage mietet und in Jeans und T-Shirt programmiert, muss auch nicht notgedrungen ein Bill Gates werden. Gelingt es zum Beispiel, so kommen Simon& Co zum Schluss, externe Berater in die Familienkultur zu integrieren (damit Koevolution stattfinden kann), dann sindFamilienunternehmen kein Auslauf-, sondern ein Erfolgsmodell. Börsenorientierte, anonyme Kapitalgesellschaften haben daherentgegen der öffentlichen und veröffentlichten Meinung nicht einen Vorteil, sondern einen Nachteil: Es fehlt ihnen die Familieals stabiler Partner.

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