Österreich, ein Land der Selbst- und Nahversorger
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
Robert Holnsteiner ist Abteilungsleiter für Mineralrohstoffpolitik in der Sektion Energie und Bergbau im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Er spricht über Bedarf, Sicherung und die integrierte Rohstoffstrategie.
(+) plus: Was erzeugt den Bedarf an mineralischen Rohstoffen in Österreich eigentlich?
Robert Holnsteiner: Wenn man die Maslowsche Bedürfnispyramide dazu betrachtet, sind es ganz klar die Grundbedürfnisse des Menschen für Wohnen und die Bereitstellung von Infrastruktur. Diese beiden Themen werden immer die Triebfeder für die Rohstoffversorgung sein. Das lateinische »infra« steht für »unterhalb«, »structura« für »Zusammenfügung« – alles, was wir unterhalb der Geländekante abbauen, wird letzten Endes zu Infrastruktur zusammengefügt. Wir sprechen hier von Verkehrsinfrastruktur, Energieversorgung und Kommunikation, öffentlichen und privaten Gebäuden, die als Haupttreiber des Rohstoffverbrauchs gelten. Ein weiteres Thema ist die Produktion von Düngemitteln, für die ebenfalls Rohstoffe der Branche genutzt werden.
Laut der Materialflussanalyse MFA lag der Verbrauch von Baurohstoffen und nichtmetallischen Industrieminerale in den letzten Jahren stets zwischen 130 und 100 Mio. Tonnen – 2016 waren es zuletzt 100 Mio. Die Grundannahme für den Rohstoffplan sind 7 m³ pro Kopf und Jahr, also zehn bis zwölf Tonnen pro Person.
(+) plus: Wie wird insbesondere der Baurohstoffbedarf gedeckt?
Holnsteiner: Wir haben hier sehr unterschiedliche Situationen in den Bundesländern. Niederösterreich, insbesondere das Ballungszentrum rund um Wien, sticht mit besonders vielen Abbaustätten hervor. Ebenfalls stark vertreten sind das nördliche Burgenland, die Steiermark und Oberösterreich. Der durchschnittliche Transportradius beträgt etwa 26 km und hängt im Einzelfall natürlich vom transportierten Gut ab. Wasserbausteine werden auch auf weitaus größeren Strecken geliefert, ebenso beispielsweise hochwertige Betonzuschläge. Die Betriebsstätten der Branche produzieren in etwa 80 Mio. Tonnen Baurohstoffe.
Auch wenn im Vorjahr die Zahl der Baubewilligungen für Einfamilienhäuser und Mehrgeschoßwohnungen Zahlen der Wirtschaftskammer Österreich zufolge sogar leicht rückgängig waren, so erwarten wir durch den weiterhin angespannten Wohnbedarf eine moderate Steigerung des Bedarfs an Baurohstoffen in Zukunft. Vor allem Wien wächst durch den Zuzug relativ stark. Der Rohstoffbedarf entwickelt sich analog dazu.
(+) plus: Wie kann die Bedarfsdeckung auch in Zukunft gesichert werden?
Holnsteiner: Im Rohstoffplan sind die unterschiedlichen Qualitäten an Lockergesteinen nach Lagerstätten in den Bundesländern aufgelistet. Nassgewinnbar oder trockengewinnbar und Festgestein-Lagerstätten sind dem zu erwartenden Bedarf gegenübergestellt. Wir haben einen Mindestbedarf für in etwa die nächsten 50 Jahre prognostiziert: Die von sämtlichen Gewinnungsverboten und konkurrierenden Raumnutzung bereinigten, besten Lockergesteinsqualitäten würden den Bedarf für 90 Jahre decken. Die zweitbesten konfliktbereinigten Lockergesteinsqualitäten reichen für 101 Jahre. Und die drittbesten Qualitäten decken den Bedarf für lediglich 20 Jahre. Wenn man die Festgesteinslagerstätten heranzieht, haben wir eine Deckung für 116 Jahre prognostiziert. Die Summe aller konfliktbereinigten Lockergesteinsqualitäten – gewinnbar in Trocken- und Nassgewinnung – deckt den Bedarf für 211 Jahre. Das heißt: Würde morgen der Zugang zu allen im Rohstoffplan ausgewiesenen Lagerstätten raumordnerisch gesichert werden, könnte theoretisch der Bedarf für rund 337 Jahre gedeckt werden.
(+) plus: Bleibt damit Österreich ein Land der Nah- und Selbstversorger auf diesem Gebiet?
Holnsteiner: Diese Zahlen liefern kein realistisches und vor allem nachhaltiges Szenario. Ein Grund ist die mangelhafte Umsetzung der Ergebnisse des Rohstoffplans, die zu weiteren Einengungen der Zugänglichkeit zu Lagerstätten mineralischer Rohstoffe führt. Dann ist die Sicherung des Zugangs allein noch keine Garantie für eine Grundstücksverfügbarkeit – es gibt ja auch noch den Grundeigentümer. Auch birgt das Thema der Akzeptanz in der Rohstoffgewinnung natürlich ein gewisses Verfahrensrisiko. Ich kann dazu den Unternehmen dieser Branche bestätigen, dass sie prinzipiell einen guten Job machen. Wir wissen aus Umfragen: Die Akzeptanz der Bevölkerung, die nahe an der Gewinnung ist, ist größer als bei jenen fern davon. Trotzdem ist es ein Thema, das uns alle angeht. Wir alle müssen an der Verbesserung der Akzeptanz arbeiten.
Ein weiteres Risiko betrifft die künftige Standortsicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Ein Beispiel sind Landschaftsabgaben, die Unternehmer für extrem große Zeiträume für ihre Lagerstättenvorräte abzugelten haben – ohne dabei sicher sein zu können, die Rohstoffe tatsächlich auch in der vollen Zeitspanne nutzen zu können. Schließlich ist auch die Deckung des Bedarfs an Baurohstoffen für rund zehn Generationen nicht nachhaltig. Denn was kommt danach?
(+) plus: Was ist nun von der integrierten Rohstoffstrategie zu erwarten?
Holnsteiner: Plan ist, bis Ende dieses Jahres in Abstimmungen mit anderen Ressorts dazu ein Grünbuch zu erstellen. Mitte 2020 wollen wir die Stakeholder-Phase starten, in der die Unternehmen und Interessensvertretungen, ebenso wie NGOs und andere relevante Gruppen beteiligt werden – möglicherweise gibt es auch eine öffentliche Konsultation. Eine fertige Rohstoffstrategie könnte dann Anfang 2021 zur Beschlussfassung im Ministerrat gebracht werden. Das ist auch dringend notwendig – alle ernstzunehmenden Industrieländer haben Strategien dazu. Mit einer sektoralen Rohstoffstrategie sehen wir uns sehr breit aufgestellt. Wir müssen dabei auch Schnittstellen zu anderen Strategien beachten, zur Bioökonomie oder auch die Klima- und Energiestrategie »mission2030«. Das Ressourcenmanagement von primären und sekundären Rohstoffen soll gemeinsam, integriert betrachtet werden. All das soll nun gemeinsam auch mit der Wirtschaft erarbeitet werden. Ein einheitliches Modell für alle neun Bundesländer wird es mit Sicherheit nicht geben. Die Baurohstoffversorgung ist schließlich ein regionales Thema, also brauchen wir unterschiedliche, geografisch und an die unternehmerischen Interessen angepasste Lösungen. Wichtig ist vielmehr, mit allen Bundesländern den politischen Dialog zu führen. Auf Beamtenebene ist man sich dann, denke ich, ohnehin rasch einig.