Die Markenbotschafter
- Written by Redaktion
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Begeisterung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu entfachen und diese Identifikation nach aussen zu vermitteln, wünschen sich viele Unternehmen. Doch werden die Werte nicht gelebt, geht der Arbeitgebermarke rasch das Feuer aus.
In kaum einem Firmenleitbild fehlt heute die proklamatische Ansage: »Die Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital.« Welches Unternehmen würde diesen Satz nicht für sich reklamieren? Dennoch sind Unternehmen seit Beginn der Industrialisierung bestrebt, die Personalkosten so gering wie möglich zu halten. Erst seit der Wirtschaft die Talente ausgehen, erfährt der Faktor Mensch eine spürbare Aufwertung.
In Zeiten des Fachkräftemangels ist jeder Betrieb bemüht, sich möglichst mitarbeiterfreundlich, modern und sozial zu präsentieren. In Stellenausschreibungen wird mit »ausgezeichnetem Teamspirit«, »Spaß am Arbeitsplatz«, »attraktiven Benefits« und Party-Kultur geworben: »Das Feiern unserer Erfolge kommt bei uns nicht zu kurz!« Die Arbeit wird zur Nebensache oder als »erfüllende Tätigkeit« aufgewertet. Die Unternehmen haben ihre Employer-Branding-Lektion rasch gelernt.
Oftmals überdauert der hochglanzpolierte Eindruck jedoch nicht einmal das Bewerbungsgespräch. So berichtet Monika Kriwan, Beraterin der auf Internal und Employer Branding spezialisierten Agentur identifire, von einem Personalchef, der eine Kandidatin – unerlaubt – nach dem Familienstand fragte. Sie blieb dennoch freundlich und antwortete »Derzeit Single«, worauf er erstaunt anmerkte: »So schiach sind Sie doch gar nicht.« Kriwan nennt solche Erlebnisse »Identifikationskiller«: »Genderfaire Webseiten sind eine Sachen. Führungskräfte, die aussprechen, was sie nicht einmal denken sollten, eine andere. Vor allem, wenn einer der Werte ›respektvoll‹ lautet.«
Kleiner Bruder
»Außen hui, innen pfui zerstört jede Employer Brand über kurz oder lang«, erklärt Kriwan. »Wir empfehlen Kunden immer, zuerst an einer ehrlichen und authentischen Positionierung zu arbeiten. Das ist die Basis. Gerade im Internal Branding braucht es Substanz statt Hochglanz.«
Internal Branding, sozusagen der kleine Bruder des Employer Branding, beginnt bei den Führungskräften. Leider handeln sie in diesem Bereich oftmals nicht gerade mit großer Weitsicht. Gestartet wird mit schönen Events mit viel Pomp und Trara, die aus Kostengründen in den Folgejahren klammheimlich immer kleiner ausfallen. Das restliche Jahr über tut sich nicht viel. Hier ein Mitarbeitermagazin, da ein Workshop – auf der Strecke bleibt meist die persönliche Kommunikation.
Bild oben: Monika Kriwan, identifire: »Identifikation kann man nicht verordnen, sie muss wachsen. Das Markenversprechen muss vor allem von Führungskräften glaubhaft eingelöst werden.«
Identitätsstiftende Firmenevents außerhalb der Arbeitszeit erfreuen sich ohnehin nicht mehr besonders großer Beliebtheit, weiß Christoph Harringer, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Symbiosis: »Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind immer weniger bereit, für Feiern oder andere Side-Events ihre Freizeit zu opfern. Das geht gerade noch in Start-ups, die glauben, so wie Google zu sein.«
Unternehmen, die in ihr Personal investieren, genießen wichtige Wettbewerbsvorteile. Als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, ist inzwischen unerlässlich. Das wichtigste Sprachrohr sind jedoch die bestehenden MitarbeiterInnen. Wer abends im Freundeskreis vom positiven Betriebsklima erzählt, leistet einen unbezahlbaren Werbewert, der sich auf die Personalsuche, aber auch allgemein auf das Image des Unternehmens auswirkt.
Bewusstsein für die Marke
Internal Branding ist Employer Branding nach innen, sollte aber nicht als Marketingmaßnahme missverstanden werden. Mit der Zufriedenheit der MitarbeiterInnen steigt auch die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber. Laut einer Studie des deutschen Gallup-Instituts haben jedoch 85 %
der ArbeitnehmerInnen keine oder nur eine geringe emotionale Bindung an ihr Unternehmen.
Schicke Bürolandschaften sorgen für Wohlbefinden, für eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung reicht das aber nicht. »Damit jemand mit Hand und Herz dabei ist, müssen die Grundbedürfnisse befriedigt sein«, sagt Marco Nink, Strategic Consultant bei Gallup. Klare Aufgaben und Wertschätzung seien jedoch die entscheidenden Faktoren.
Die Mitarbeiter zu begeisterten Botschaftern des Unternehmens zu machen – das schwebt vielen Arbeitgebern vor. Ein realistischeres Ziel ist es, Führungskräfte und Mitarbeiter zu markenkonformem Handeln anzuleiten und ihr Bewusstsein für die Marke zu schärfen.
»Identifikation kann man nicht verordnen, sie muss wachsen«, erklärt Markenstrategin Monika Kriwan. »Wichtig ist, dass das Markenversprechen entlang des gesamten Mitarbeiterzyklus an allen Kontaktpunkten und vor allem von Führungskräften glaubhaft eingelöst wird.« Mit speziellen Multiplikatoren-Programmen kann dieser Prozess professionalisiert werden.
Dieser internen Markenverankerung kommt mehr Bedeutung denn je zu. An den Kundenkontaktpunkten wird die Basis für Kundenbindung und Wiederkäufe gelegt. Negative Erlebnisse führen rascher dazu, dass sich Kundinnen und Kunden abwenden und ihre Erfahrungen via Social Media streuen. Positive Erlebnisse werden ungleich seltener geteilt. Diese Gewichtung ist durchaus problematisch und macht vielen Unternehmen zu schaffen. Freundlich und kompentent zu agieren, ist eigentlich zu wenig – Kunden setzen dieses Verhalten als selbstverständlich voraus.
Wir-Gefühl stärken <<
Um Markenidentität zu schaffen, braucht es ein differenzierendes Element. BMW hält etwa die Mitarbeiterinnen des Callcenters an, anrufende Kunden – analog zum Werbeslogan »Freude am Fahren« – mit den Worten »Ich wünsche Ihnen heute noch viel Freude am Fahren« zu verabschieden. Wie viel echte Begeisterung in dieser oktroyierten Floskel liegt, ist jedoch fraglich.
Internal Branding sei ohnehin »kein Projekt, sondern eine Lebensaufgabe«, so Markenstratege Karsten Kilian, Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg: »Ist eine Marke nur generisch mit Werten wie Tradition, Innovation und Qualität beschrieben, so wird es mit dem Markenverständnis der Mitarbeiter meist nichts, da generische Markenwerte nicht vom Wettbewerb differenzieren und von den Mitarbeitern nur bedingt gelebt werden können. Damit eine Marke auf Kurs ist, gilt es konkrete, ursächliche, relevante und spezifische Markenwerte zu definieren und anschließend immer wieder aufs Neue im Unternehmen zu verankern.«
Nicht alle MitarbeiterInnen werden für ihr Unternehmen diese Leidenschaft empfinden und transportieren. Das sei auch gar nicht notwendig, meint Beraterin Kriwan: »Gute Arbeit macht, wer sich mit dem Unternehmen identifiziert. Hier gilt: je mehr, desto besser. Das heißt natürlich nicht, dass alle für die Arbeit brennen müssen.« Ein »Inspiring Purpose«, also ein inspirierendes Unternehmensziel, kann jedoch kleine Wunder bewirken. Insbesondere den jüngeren Generationen wird zugeschrieben, auf die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit großen Wert zu legen. Nicht zufällig messen 44 % der »World's Most Attractive Employers« (WMAE) einem überzeugenden Purpose viel Bedeutung bei, wie eine im Oktober 2018 veröffentlichte Umfrage unter den 100 attraktivsten Arbeitgebern in den zehn größten Volkswirtschaften der Welt ergab. 2016 waren erst 30 % der befragten Unternehmen dieser Meinung.
Und noch ein Trend fällt auf: In der Kommunikation ihrer Arbeitgebermarke vertrauen 70 % der WMAE auf Inhalte, die von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst kommen. Vor zwei Jahren verwendeten nur 48 % dieser Unternehmen selbstproduzierte Videos. Eine Strategie, die auch kleinere Betriebe ohne großen Aufwand umsetzen können: Fotos und kleine Videos sind einfach und rasch herzustellen und schaffen ein Wir-Gefühl. Im Idealfall entwickelt das Projekt eine Eigendynamik – Mitarbeiter zeigen stolz, wie ihr Arbeitsalltag aussieht und was sie leisten; Kollegen, die vorwiegend im Außendienst oder an anderen Standorten tätig sind, bleiben trotzdem in intensivem Kontakt mit dem Stammhaus.
In der Salzburger Privatbrauerei Stiegl hält seit November 2018 die »Mei Stiegl App«, eine eigene Mitarbeiter-App, alle 750 »Stiegler« über Neuigkeiten im Betrieb stets auf dem Laufenden.
Bild oben: Hans Meier-Kortwig, Deutscher Markenmonitor: »Konsequente Umsetzung an allen relevanten Kontaktpunkten wird auch in Zukunft ein Merkmal starker Marken sein.«
Der Kunststoffverarbeiter Rehau Österreich führte nach einer einschneidenden Restrukturierung das interne Kommunikationstool »Workplace«, eine Facebook-Plattform, ein, die für alle Mitarbeiter an den beiden Standorten Guntramsdorf und Neulengbach zugänglich ist. Eine Kündigungswelle hatte vor drei Jahren zu großer Verunsicherung geführt, nicht zuletzt durch die offene Kommunikation hat sich die Unternehmenskultur stark verbessert. 2017 wurde Rehau Österreich in der Kategorie »Internal Branding« mit dem Award »Beste Arbeitgeber Marke« ausgezeichnet.
Corporate Influencer
Das Instrument Storytelling hält inzwischen sogar in Stelleninserate Einzug, um sich von klassischen Ausschreibungen abzuheben – aber auch um gezielt Bewerberinnen und Bewerber anzusprechen, die zum Unternehmen passen. »Es geht darum, Right Potentials statt High Potentials anzuziehen. Passt der Cultural Fit, fühlen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl und tragen auch mehr zum Unternehmenserfolg bei«, meint identifire-Partnerin Monika Kriwan.
Als Vorbild könnten jene Sujets dienen, mit denen die russische Sberbank Europe um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Mitteleuropa wirbt. Die porträtierten jungen Leute vermitteln ein frisches, modernes Bild eines aufstrebenden, internationalen Unternehmens: »Ich bin eine Pferdeflüsterin, eine Jazz-Voice und eine Brückenbauerin zwischen allen Regionen weltweit«, erzählt etwa Albina auf sehr persönliche Weise von ihren Ambitionen, am Aufbau der Bank mitzuwirken.
»Unternehmen sollten sich als Arbeitgeber vorstellen und nicht das Jobangebot in den Vordergrund stellen«, empfiehlt Symbiosis-Geschäftsführer Christoph Harringer: »Wird Employer Branding sauber gemacht, achtet man mehr darauf, wer am besten zur Unternehmenskultur, zur Marke passt – und nicht so akribisch, ob alle einzelnen Kriterien des Stellenprofils erfüllt sind.« Agenturfotos, die fröhliche Models in gestellten Szenen am Arbeitsplatz zeigen, haben ausgedient. Bewerberinnen und Bewerber wollen wissen, was sie in dem Unternehmen erwartet. Bewährt haben sich beispielsweise kurze Videoporträts, in denen echte Arbeitnehmer von ihrem Job erzählen oder Einblicke in den Berufsalltag geben. Als Multiplikatoren kommt diesen Mitarbeitern besondere Bedeutung zu.
Der Handelskonzern Otto startete im Herbst 2017 ein fundiertes Jobbotschafter-Programm, das zunächst 100 Mitarbeitende in sechs verschiedenen Rollenprofilen zu Coporate Influencern ausbildete. Das Interesse war so groß, dass inzwischen rund 200 Personen in dieser Mission unterwegs sind, um den persönlichen Kontakt zu potenziellen Bewerbern zu suchen. »Mit flexiblen Arbeitszeiten und hippen Dachterrassen werben viele Unternehmen – damit kann man Talente heutzutage nicht mehr überzeugen«, erklärt Eugenia Mönning, HR-Unternehmenssprecherin bei Otto. »Wir wollten zeigen, wer Otto wirklich ist: unsere Teams und Kollegen, die gemeinsam die Zukunft des E-Commerce gestalten.«
Hinter den Kulissen
Bild oben: Eugenia Mönning, Otto Group: »Wir wollen zeigen, wer Otto wirklich ist – unsere Teams und Kollegen, die gemeinsam die Zukunft des E-Commerce gestalten.«
Digitalisierung kann der Anlass sein, die Positionierung einer Marke zu aktualisieren und über neue Kanäle zu kommunizieren. An den Faktoren erfolgreicher Markenführung ändert sich freilich auch in der digitalen Welt nichts: »Fokussierung, klare Differenzierung vom Wettbewerb, Einbindung der Mitarbeiter und konsequente Umsetzung an allen relevanten Kontaktpunkten werden auch in Zukunft Merkmale starker Marken sein«, ist Hans Meier-Kortwig, Co-Autor der Studie Deutscher Markenmonitor, überzeugt. Gerade durch die wachsende Zahl an Kontaktpunkten wird die Markenkompetenz jedes einzelnen Mitarbeiters immer wichtiger. Geredet, getwittert, gepostet wird so oder so – ob sich Arbeitnehmer in der Freizeit positiv über das Unternehmen äußern, ist kaum steuerbar. Die emotionale Bindung kann aber sehr wohl beeinflusst werden.
Markenbotschafter Nr. 1 ist der Chef bzw. die Chefin. Sie sind daher gut beraten, die Interaktion mit der Marke zu fördern. »Internal Branding wird im Zeitalter von Generation Y und Social Media immer wichtiger. Es kann nicht sein, dass ein Großteil der Belegschaft die eigenen Markenwerte nicht kennt und lebt«, sagt Michael Bernecker, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Marketing (DIM) in Köln.
Erst wenige Unternehmen nützen beispielsweise Instagram als Plattform, um sich von einer unkonventionelleren Seite zu präsentieren. Und zwar bewusst nicht im glatten Marketing-Style, sondern mit Content, der einen Blick hinter die Kulissen gewährt. Das verlangt seitens der Unternehmen eine gute Portion Mut, denn bürokratische Regeln und ängstliche Entscheidungsprozesse bremsen den beflügelnden Esprit. Ist nur die Presse- oder Marketing-Abteilung befugt, nach außen zu kommunizieren, wird der Funken der Begeisterung rasch verglühen.