Die große Umfrage: Bargeld (-los)
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
Seit sich Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, für die Abschaffung des 500-Euro-Scheins ausgesprochen hat, reißt die Diskussion über den Sinn großer Banknoten, aber auch kleiner Münzeinheiten und das Bezahlen mit Bargeld an sich nicht ab. Während sich die einen die Eindämmung von Betrug und Korruption erhoffen, fürchten andere den Verlust von Privatsphäre und Datenschutz.
Auch der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger meldete sich zu Wort: »Wer das Bargeld abschafft, schafft die Freiheit ab.« Aber werden wir in Zukunft nicht ohnehin bargeldlos bezahlen? Report(+)PLUS hat drei Experten nach ihrer Einschätzung gefragt.
1.Drei Viertel der Transaktionen werden in Österreich mit Bargeld getätigt. Warum konnte sich bargeldloses Bezahlen bislang nicht durchsetzen?
Kurt Pribil, Mitglied des Direktoriums der Oesterreichischen Nationalbank
Rund drei Viertel aller Transaktionen im Handel werden bar bezahlt. Ich würde aber nicht sagen, dass sich das bargeldlose Zahlen in Österreich nicht durchgesetzt hat. Wir sehen schon einen Anstieg dieser bargeldlosen Bezahlformen, vor allem der Bankomatkarten in den Geschäften. Zuletzt sind immer mehr Near-Field-Communication-Karten in Gebrauch gekommen. Aber es zeigt sich halt, dass die Österreicherinnen und Österreicher das Bargeld lieben. Sie bezahlen vor allem kleinere Beträge gerne bar. Bargeld hat viele Vorteile. Bei kleineren Beträgen ist es nach wie vor kostengünstig und man kann immer die Übersicht über seine Ausgaben bewahren. Das ist ein sehr vernünftiges Verhalten und bewahrt auch davor, dass man allzu gläsern wird. Bargeld ist auch die geprägte Freiheit des Bürgers, wie Dostojewski sagte.
Udo Müller, CEO der paysafecard Wertkarten GmbH
Bargeldloses Bezahlen hat sich dort durchgesetzt, wo es für den Konsumenten wirkliche Vorteile bringt. In anderen Bereichen ist nachvollziehbar, dass Bargeld seine Stellung behalten hat und behalten wird, vor allem dort, wo es um das persönliche Sicherheitsgefühl geht. Darum ist gerade im Internet die Verwendung von Bargeld nur auf den ersten Blick paradox, durch den Erfolg von Prepaid-Lösungen wie paysafecard aber als dringendes Bedürfnis nachgewiesen: Online bezahlen ohne Kontodaten und ohne persönliche Angaben entspricht dem Bezahlen mit Bargeld. Und dieses Bedürfnis nach Sicherheit wird es immer geben – denn die sichersten Daten sind die, die man einfach nirgends eingibt.
Ewald Judt, Honorarprofessor am Department Marketing der Wirtschaftsuniversität Wien
Die Zahl, dass drei Viertel aller Transaktionen Bargeldtransaktionen sind, ist zu relativieren. Tatsächlich sind nämlich nur drei Viertel der Transaktionen, die am Point of Sale (POS) eines Handels- oder Dienstleistungsunternehmen, gemacht werden, Bartransaktionen.
Alle anderen Transaktionen sind bereits jetzt bargeldlos: Löhne und Gehälter, die früher bar ausbezahlt wurden, werden seit längerem bargeldlos bezahlt. Gleiches gilt für die Zahlung von Mieten, von Strom, Gas und Wasser sowie alle Zahlungen von Firmen und alle Zahlungen der öffentlichen Hand. Und auch alle E-Commerce-Zahlungen sind bargeldlos. Tatsächlich sind somit weit mehr als 90 % aller Zahlungstransaktionen bargeldlos. Und der letzte Teil der Barzahlungen – am POS – geht jedes Jahr laufend zurück. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis er – auch durch neue Formen des bargeldlosen Zahlens wie z.B. Bezahlung mittels Smartphone – ganz marginalisiert ist.
2.Halten Sie eine Obergrenze für Barzahlungen für sinnvoll?
Kurt Pribil
Ich halte das für eine Diskussion, die in der Praxis keine Bedeutung hat. Wir wissen, dass jetzt schon größere Beträge meistens unbar beglichen werden. Wenn über Betragsgrenzen gesprochen wird, dann hat das oft die Motivation, Steuerhinterziehungen, Schwarzarbeit oder Betrug zu bekämpfen. Auch die Terrorbekämpfung wird hier gern ins Spiel gebracht. Es gibt aber keine handfesten Beweise, dass dadurch Steuerhinterziehung unterbleibt oder Terror effektiver bekämpft werden kann, wenn es Grenzen für Barzahlungen gibt. Es gibt unserer Auffassung nach genug Regelungen, um gegen Geldwäsche und andere kriminelle Handlungen vorzugehen. Auch hier würde wieder ein Teil der bürgerlichen Freiheit eingeschränkt werden.
Udo Müller
Ich selbst schätze klare gesetzliche Vorgaben und Rahmenbedingungen sehr. Regelungen, die die Grenze zur Bevormundung überschreiten, sind aber nicht im Sinne des Konsumenten und der Wirtschaft. Die Eigenverantwortung des Bürgers ist ein Wert unserer Gesellschaft, an den ich glaube und an den ich auch in Sachen Zahlungen immer wieder appelliere. Bei paysafecard bewegt sich die durchschnittliche Transaktion bei 24,87 Euro und eine einzelne Transaktion kann 100 Euro nicht übersteigen (es gibt paysafecard somit in Nominalen zu 10, 25, 50 und 100 Euro).
Ewald Judt
In Ländern wie Italien, Frankreich, Griechenland, Spanien, Portugal und Belgien ist eine Obergrenze für Barzahlungen bereits Realität. Bei uns kommen Bartransaktionen über der in Deutschland angedachten 5.000 Euro-Obergrenze für Barzahlungen höchst selten vor. Derartige Betragshöhen werden überwiegend vom Konto des Zahlungspflichtigen auf das Konto des Zahlungsempfängers überwiesen oder mit Karte bezahlt. Denn es gibt kaum einen plausiblen Grund dafür, so viel Geld (Risiko!) bei sich zu tragen. Als Gründe für die genannte Bargeldobergrenze wird Bekämpfung der Schattenwirtschaft, des Drogen-, Waffen- und Menschenhandels sowie des Terrors angeführt. Dennoch ist es fraglich, ob sich mit einer Bargeldobergrenze Kriminelle aller Art davon abschrecken lassen, womit es sich um eine klassische Scheinlösung handeln dürfte.
3.Auch die Cent-Münzen stehen in der Kritik. Wie wichtig ist die psychologische Preisgestaltung für die Wirtschaft?
Kurt Pribil
Die Oesterreichische Nationalbank hat einen sehr pragmatischen Zugang: Solange die Kunden, also die Konsumenten und der Handel, die 1-Euro-Cent- und 2-Euro-Cent-Münzen nachfragen und verwenden, werden wir sie auch zur Verfügung stellen. Jüngste Umfragen sagen uns darüber hinaus, dass die Österreicherinnen und Österreicher mehrheitlich mit dem Status quo zufrieden sind. Sollte es jedenfalls in Zukunft dazu kommen, dass die kleinen Cent-Münzen nicht mehr gewünscht werden, schlagen wir gesetzlich verbindliche Rundungsregeln vor, damit es für die Konsumenten nicht zu unerwünschten Aufrundungen und damit höheren Preisen kommt.
Udo Müller
Bei digitalen Gütern, für die paysafecard bisher besonders intensiv eingesetzt wird, spielt dies durchaus eine Rolle. Oft geht es um kleine Beträge, wo für den Konsumenten jeder Cent zählt – psychologisch, aber auch praktisch am Guthabenkonto. Die Nominalen zu 10, 25, 50 und 100 Euro, in denen paysafecard erworben werden kann, sind frei wähl- und kombinierbar – dazu bieten wir mit my paysafecard ein praktisches Online-Zahlungskonto an.
Ewald Judt
Manchen Menschen ist jeder Cent wichtig. Diese Leute stören sich auch nicht, wenn ihre Geldbörse mit Cent-Münzen prall gefüllt ist. Andere hingegen – und das ist, wie Versuche ohne Ein- und Zwei-Cent-Münzen zeigen, die Mehrheit – stört es. Wenn nun auf Ein- und Zwei-Cent-Münzen (und nur um die geht es) bei der Zahlung verzichtet wird, heißt das aber nicht, dass die Produkte und Dienstleistungen nicht auf den Cent genau verrechnet werden. Nur beim Zahlen des Gesamtbetrags kann dann auf den Fünf-Cent-Betrag auf- oder abgerundet werden. Eine derartige Lösung belässt der Wirtschaft die wichtig psychologische Preisgestaltung (z.B. 2,99 Euro), trägt zur Gewichtsreduktion der Geldbörse bei und reduziert die Bargeldkosten des Handels. Somit spricht alles dafür. Aber man kann das Problem, wie es der Rewe-Konzern oder Libro gezeigt haben, auch anders lösen. Mit dem Kundenhinweis »Aufrunden, bitte!« wird auf den nächsten Zehn-Cent-Betrag aufgerundet und man unterstützt mit diesem Betrag via Caritas Familien in Not.