Der richtige Mix
- Written by Redaktion
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Bis ein Team zur Hochform aufläuft, ist es mitunter ein langer Weg. Diversität macht die Zusammenarbeit nicht einfacher – die Ergebnisse sind aber die Mühe wert.
Man nehme einen Fachmann, einen Visionär, einen Organisator und einen Kommunikator – und fertig ist das Team? Wenn es nur so einfach wäre. Eine Formel für das ideale Team gibt es nicht. Tägliche Reibereien oder teilnahmslose Mitarbeiter, die sich nicht einbringen, können die Produktivität lähmen und somit genau das Gegenteil von innovativer Gemeinschaftsleistung bewirken.
Die Zusammenstellung eines Teams erfolgt im Firmenalltag meist unter anderen Prämissen. Ausgewählt wird, wer gut und gerne mit anderen zusammenarbeitet oder gerade Zeit hat. Die anstehende Aufgabe spielt nur eine untergeordnete Rolle. Das Team wird unter Zeitdruck zusammengewürfelt und sieht sich von Anfang an mit der Erwartung konfrontiert, mehr zu leisten, als jeder Einzelne imstande wäre. Gleichzeitig ist jedes Team auch ein soziales System, das seine eigene Dynamik entwickelt und das Verhalten der einzelnen Mitglieder prägt.
Bis ein Team seine volle Leistungsfähigkeit entfaltet, durchläuft es jedoch einen längeren, manchmal mühseligen Prozess der Selbstfindung (siehe Kasten). Zunächst beschnuppern die Teammitglieder einander neugierig bis misstrauisch: Was können die Kollegen, welche Interessen verfolgen sie? Sobald die Rollenverteilung ansteht, kochen Konflikte hoch. Die Teammitglieder sind oft stärker mit Statuskämpfen als mit ihrer Aufgabe beschäftigt. Erst in der dritten Phase glätten sich die Wogen langsam, die Teammitglieder entwickeln Spielregeln für den Umgang miteinander und die Arbeit.
Allmählich erzielt das Team bessere Ergebnisse, als wenn jeder für sich arbeiten würde. Weil das Team über lange Zeit weitgehend mit sich selbst beschäftigt ist, wird die Zusammenarbeit häufig als wenig befriedigend erlebt – von den Teammitgliedern selbst und auch von ihrem Umfeld, das auf rasche Ergebnisse drängt. Das wirkt sich kontraproduktiv auf die Stimmung aus. Manchmal verlassen sogar einige die Gruppe, bevor die Zusammenarbeit richtig begonnen hat.
Inspirationsquelle
Besondere Bedeutung kommt somit dem optimalen Mix der Persönlichkeiten zu. Haben alle Mitarbeiter das gleiche Know-how, die gleiche Sichtweise, findet kein befruchtender Gedankenaustausch statt. Innovative Lösungsstrategien entstehen leichter durch gegenseitige Inspiration. »Ein Mitarbeiter aus dem Vertrieb wird eine andere Sichtweise vertreten als ein Jurist und ein Betriebswirtschafter eine andere als ein Kreativer. Da braucht es Führungskräfte, die in diesen funktionalen Unterschiedlichkeiten etwas Nutzbringendes sehen«, sagt Unternehmensberaterin Gabriele Höller.
Auch die Faktoren Alter, Geschlecht, Herkunft, Berufserfahrung und Ethnie spielen eine Rolle, auch wenn Studien besonders bezüglich der Konstellation Mann-Frau recht unterschiedliche Ergebnisse zutage fördern. Der Diversity-Experte Larry E. Page, Professor an der Universität Princeton, argumentiert, dass es weniger um die Frage männlich oder weiblich gehe, sondern grundsätzlich um möglichst maximale Unterschiedlichkeit. Page differenziert dazu drei kognitive »Toolkits«, wie er es nennt: Wissen (Fakten, Erfahrungen, Prozesskenntnisse), Perspektiven (weiblich/männlich, kulturell etc.) und Heuristiken (Problemlösungsstrategien). Je unterschiedlicher ein Team in diesen drei Bereichen aufgestellt ist, desto geringer fällt die Fehlerquote aus.
»Die Einseitigkeit betrifft reine Frauen- oder Männerteams genauso wie Gruppen mit Über-50-Jährigen. In Organisationen beispielsweise, wo lange Zeit keine Jungen wegen Aufnahmestopps nachgerückt sind, zeigt sich jetzt eine Generationenlücke von 20 Jahren. Umgekehrt fehlt in Betrieben, wo alle älteren Mitarbeiter gekündigt wurden, der Austausch von Erfahrungen und implizites Wissen«, beobachtet Höller in ihren Coachings. »Leider passiert es oft, dass von personenimmanenten auf verhaltensimmanente Kriterien geschlossen wird, also zum Beispiel Frauen nicht für den Vertrieb geeignet seien oder ältere Menschen zu wenig flexibel und innovativ.
Durch hartnäckige Vorurteile werden in vielen Bereichen die Teams homogener gehalten, als es für die Arbeit gut ist«, erklärt Team- und Organisationsentwicklerin Jutta Überacker von der BeraterInnengruppe Naschmarkt. Auch in der Wirkung nach außen spiele Diversität eine wichtige Rolle: »Wenn einer heterogenen KundInnenschaft (z.B. multikulturell) durchwegs homogene DienstleisterInnen (z.B. lauter autochtone ÖsterreicherInnen) gegenüberstehen, kann das mehr Aufwand und geringere Effizienz bedeuten. Das sehen wir in den verschiedensten Arbeitsbereichen wie Handel, Versicherungen, Banken, Krankenhäuser, Schulen oder Tourismus.«
Kritische Distanz
»Vielfalt bietet Chancen, birgt aber auch Risiken«, meint die Fachautorin und Bloggerin Svenja Hofert. »Empfinden sich Teammitglieder als zu unterschiedlich, steigt die Fluktuation. Allerdings ist gerade gegenseitige Akzeptanz sehr gut lern- und trainierbar.« Man muss nicht dick befreundet sein, um ein Projekt gemeinsam zu bewältigen. Im Gegenteil: Unter engen Kumpels fehlt möglicherweise die kritische Distanz, das Ziel gerät aus dem Blickfeld. Ein homogenes Team wird zwar weniger durch Konflikte gebremst, die Streuung der Kompetenzen ist jedoch geringer. Heterogene Teams zeichnen sich durch größere Vielfalt aus, erweisen sich aber in der Regel als instabiler.
Nicht zu unterschätzen ist ein übersteigertes Integrationsverhalten, das in homogenen wie in heterogenen Teams auftreten kann. Die Psychologie nennt dieses Phänomen »Groupthink« – eine Gruppe von kompetenten Personen trifft demnach schlechtere Entscheidungen als möglich, weil jedes beteiligte Mitglied seine eigene Meinung an die erwartete Gruppenmeinung anpasst, selektiv ausgewählte Informationen weitergibt und voreiligen Kompromissen zustimmt.
Der Teamleiter nimmt hier eine zentrale Position ein. Ihm obliegt die Rolle, die Motivation der Mitglieder zu stärken, gemeinsam an »etwas Größerem« mitzuwirken. In gut funktionierenden Teams ist kritisches Hinterfragen und das Einbringen alternativer Vorschläge ausdrücklich erwünscht. Der Teamleiter ist kein »Chef« im klassischen Sinn, sondern fungiert als Koordinator nach innen und als Kommunikator nach außen. Idealerweise wird er nicht von der Unternehmensleitung bestimmt. Seine Funktion kristallisiert sich erst im Laufe der Teamfindung heraus.
Outdoor-Hype vorbei
Bis vor wenigen Jahren galten noch Outdoor-Trainings mit Raftingtouren, Hochseilklettern und Segelturns oder auch exotische Kochkurse als das Teambuilding-Instrument schlechthin. Je spektakulärer, desto besser. Dieser Hype ist vorbei. Als zu realitätsfern erwiesen sich diese Grenzerfahrungen und Naturerlebnisse, kaum übertragbar auf den Arbeitsalltag. Was sagen schon spielerisch erprobte Rollenkonstellationen über die künftige Zusammenarbeit aus? Dazu kam eine gewisse Abgestumpftheit: Mitarbeiter, die häufig an Gruppentrainings teilnahmen, hatten für Hindernisparcours mit verbundenen Augen und ähnliche Partnerübungen nur ein müdes Lächeln übrig. Ohne methodischen Unterbau – just for fun – machen derlei Aktivitäten auch kaum Sinn, so der Grundtenor in der Branche. Mit professioneller Begleitung und Reflexion könne aber auch ein Trainingsansatz mit starkem Incentive-Charakter zum Erfolg führen.
Der bloße Nervenkitzel trägt vielleicht zu einem neuen Wir-Gefühl bei, aber der Kick verblasst allzu schnell wieder. »Es spricht nichts dagegen, dass Leute zusammenkommen und miteinander Spaß haben oder spannende Erfahrungen machen. Man darf sich aber nicht erwarten, dass damit im wirklichen Leben besonders viel anders wird«, kritisiert Erich Kolenaty, der sich mehr als »Prozessbegleiter« statt Trainer sieht. »Ich halte es inzwischen für einen völligen Irrweg, wenn man versucht, Wir-Gefühl, Teamspirit oder wie immer man das nennen mag, direkt zu erzeugen, indem man Menschen durch gemeinsame, außergewöhnliche Erfahrungen zusammenschweißen will.«
Beraterin Jutta Überacker empfiehlt eine Kombination aus Outdoor- und Indoor-Elementen mit enger Anbindung an reale Teamfragen und Herausforderungen: »Der entscheidende Punkt ist, wie der Transfer in den Arbeitsalltag ermöglicht wird. Das euphorische Gefühl am Hochseil ist kein Garant für eine konfliktfreiere Zusammenarbeit.«
Mehrere Tage Auszeit für ganze Abteilungen sind in personell und wirtschaftlich angespannten Zeiten allerdings inzwischen kaum noch machbar. Das Tagesgeschäft bleibt liegen, nach der Rückkehr vom Team-Event wartet vor allem Stress. Der Alltag hält schneller Einzug, als den Teilnehmern lieb ist. Was an Relevanz jedoch nicht verloren hat, sind jährliche Retreats, ähnlich einer Pickerlüberprüfung beim Auto. Hier sind Übungen, die am emotionalen Hebel ansetzen und durchaus Spaß machen dürfen, sehr wohl willkommen. Vor dem Workshop sollte jedenfalls die Zielsetzung klar sein: Geht es um den Aufbau von Vertrauen, die Lösung von Spannungen und Konflikten, neue Strategien oder um eine effizientere Gestaltung der Kooperationsprozesse? Die Teamentwicklung sollte immer auf drei Ebenen – der sachlichen, der strukturellen und der Beziehungsebene – stattfinden, um ein fruchtbares Arbeitsklima zu schaffen.
Einige Unternehmen verknüpfen das Gruppenerlebnis mit einem karitativen Projekt, um der Sache noch einen tieferen Sinn zu geben. Da wird beispielsweise für ein Kinderdorf ein Baumhaus errichtet oder in einem Behindertenheim ein Gemüsegarten angelegt.
Aufgaben wie diese werden erfahrungsgemäß begeisterter angenommen und wirken nachhaltiger als herkömmliche Gemeinschaftserfahrungen.
Für Ruhe und inspirierende Gespräche sollte trotz aller Wünsche nach Abwechslung dennoch genügend Raum bleiben. Weniger ist häufig mehr, schließlich soll der Lerneffekt – Probleme erkennen, Lösungen entwickeln, alternative Verhaltensweisen erproben – in der Praxis weiter wirken. Hier sei die Kompetenz des Managements entscheidend, so Jutta Überacker: »Je mehr Teamkooperation gefragt ist, desto mehr Teamkommunikation braucht es auch. Das übersehen Führungskräfte oft.«