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Effizient arbeiten

Effizient arbeiten Foto: Thinkstock

Zeitfresser kosten uns Geld und Lebensqualität. Wie man lernt, Prioritäten zu setzen, den Alltag besser zu organisieren und manchmal auch Nein zu sagen.

Zurück vom Urlaub quillt das Postfach vor E-Mails über, das Telefon hört nicht zu klingeln auf und die Kollegen geben sich die Klinke in die Hand, um auf die Dringlichkeit bestimmter Anfragen hinzuweisen. Die Erholung ist zunichte, sobald man das Büro betreten und den Computer gestartet hat. Auch das Abtragen des Aufgabenberges klappt nicht so, wie man sich das vorgestellt hat. Kaum eine Tätigkeit kann ohne Unterbrechung durchgeführt werden. So bleiben am Ende des Tages jede Menge unerledigte Arbeiten übrig – mit der Aussicht, dass es auch die restliche Woche mit Stress und permanentem Zeitmangel weitergehen wird.

Durchschnittlich elf Minuten beschäftigt sich einer Studie aus dem Jahr 2004 zufolge ein Büroangestellter mit einem Thema, bevor er unterbrochen wird. Das klingt aus heutiger Sicht ziemlich lange. Gloria Mark, Professorin für IT-Wissenschaften an der University of California, stoppte und analysierte in einer kalifornischen Hightech-Firma die Arbeitsabläufe von Mitarbeitern und Führungskräften in 700 Arbeitsstunden. Das Ergebnis: Nach jeder Unterbrechung wendet sich der Büroangestellte mindestens zwei anderen Aufgaben zu, bevor er zu seiner ursprünglichen Tätigkeit zurückkehrt. Das ist erst nach 25 Minuten der Fall – und er muss sich dann in diese Aufgabe erst wieder hineindenken. Inzwischen sind aber neue E-Mails eingetroffen, auch das Telefon klingelt wieder.

Multitasking bremst

Die vielen Unterbrechungen versuchen viele Mitarbeiter durch Multitasking aufzuholen. Wie Marks herausfand, waren die Angestellten des Unternehmens immer mit mehreren Arbeiten gleichzeitig beschäftigt, im Durchschnitt waren es zwölf Tätigkeiten. Während eines Telefonats wurden E-Mails gelöscht oder beantwortet, auch dieses Gespräch aber unterbrochen, weil das Handy klingelte, ein Kollege eine kurze Frage hatte oder in den Unterlagen ein bestimmtes Schriftstück suchte. Durch die wiederholten Ablenkungen gehen nicht nur täglich zwei Stunden Arbeitszeit verloren, wie die Wissenschafterin errechnete. Die unregelmäßige Arbeitsweise führt auch vermehrt zu Fehlern, bedingt durch Stress und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit.

Auch die Unternehmensberaterin Corinna Ladinig hält Multitasking für »nicht effizient«: »Das Gehirn braucht einfach Zeit, um zu fokussieren. Manche Menschen lieben Multitasking, weil sie sich dadurch besonders wichtig vorkommen. Aber tatsächlich braucht man mehr Zeit, als wenn eine Aufgabe nach der anderen erledigt wird.« Die kurzen Aufmerksamkeitsspannen setzen sich in der Freizeit fort – beim Zappen durch die Fernsehkanäle, Serienbrei statt langer Spielfilme, möglichst knappen Info-häppchen in Internet und Zeitung oder Radiosendern, deren gleichmäßig plätschernder Klangteppich gar kein bewusstes Zuhören mehr erfordert. Unser Gehirn wird auf kleine Einheiten konditioniert, große Zusammenhänge oder Gedankenbögen lässt der menschliche Arbeitsspeicher kaum noch zu.

Nachrichtenflut

In den 1970er-Jahren beschränkte sich die Kommunikation auf Telefon, Fax, Telegramm und Gespräche von Angesicht zu Angesicht. Den persönlichen Austausch mit Mitarbeitern, Kollegen oder Kunden ausgenommen, betrug die Zahl der übermittelten Nachrichten weniger als 1.000 pro Jahr. Mit der Verbreitung neuer Technologien stieg dieser Wert auf durchschnittlich 30.000 pro Jahr. Je höher die Hierarchieebene und je größer der Verantwortungsbereich, desto mehr Zeit muss ins Filtern und Bearbeiten der Mitteilungen investiert werden.

Dazu kommen meist unzählige Meetings und Telefonkonferenzen, denn im Zuge der Globalisierung sind viele Unternehmen zu weltumspannenden Konzernen herangewachsen. Statt rund um den Erdball zu fliegen, wird virtuell konferiert. Nicht immer  laufen diese Meetings straff organisiert und diszipliniert ab. Statt rasch auf den Punkt zu kommen, wird um den heißen Brei herumgeredet oder Entscheidungen sogar vertagt.

»In meinen Coachings und Seminaren sagen in der Regel alle Teilnehmer, dass sie tagsüber kaum zu den eigentlich wichtigen Aufgaben kommen und diese erst nach Feierabend oder am Wochenende erledigen könnten«, berichtet Autorin und Coach Cordula Nussbaum. »Das Spannende dabei: Dies sagen sowohl Vorstandsvorsitzende, Vorstände, Manager des oberen und mittleren Führungskreises, Chefs des unteren Führungskreises als auch Mitarbeiter ohne Führungsfunktion, Freiberufler und Teilzeitkräfte. Es leiden folglich alle Berufstätigen darunter, dass sie zu den normalen Bürozeiten nicht ihr Pensum schaffen.«

Cordula Nussbaum, Foto: Jan Roeder

Kommunikative Un-Kultur

Der Segen moderner IT- und Kommunikationssysteme entpuppte sich in vielen Unternehmen, die nicht rechtzeitig entsprechende Regeln festlegten, als Fluch. Die Un-Kultur, unzählige Mitarbeiter und Kollegen in »CC« zu setzen, führt nach wie vor zu einer wahren E-Mail-Flut. Für Trainerin und Managementcoach Andrea Tschirf spielt hierbei auch viel Eitelkeit mit: »Man will zeigen, wie wichtig man ist und wie viel man arbeitet. Grundsätzlich sollte sich jedes Unternehmen fragen: Wie kommunizieren wir miteinander? Wird auf jede Mail sofort eine Antwort erwartet?«

Beraterin Corinna Ladinig erkennt bereits ein Umdenken: »An den Rückmeldungen in den Seminaren merke ich, die E-Mail-Kultur ist viel besser als noch vor fünf Jahren. Die Betreffzeile wird allerdings noch immer kaum sinnvoll genützt, dabei wäre das ideal für die wichtigste Information und eventuell die Deadline. Die ›Antwort auf die Antwort auf die Antwort‹ nicht zu löschen, ist einfach eine Unart. Außerdem könnte man sich eine Codierung ausmachen, zum Beispiel ein I voranstellen für Information, A für Aktion, E für Entscheidung.«

Auch bei Besprechungen führen einfache Regeln rasch zu mehr Effizienz. »In Meetings geht unglaublich viel Zeit verloren«, meint Tschirf. »Es muss vorab eine Agenda und einen Zeitplan geben. Ein Moderator sollte darauf achten, dass alle Punkte abgearbeitet werden. Am besten macht man sich auch aus, wie viel Redezeit jeder bekommt. Es sollte ein Ergebnisprotokoll geben; das kann bereits während der Besprechung am Laptop mitgeschrieben und über den Beamer eingeblendet werden.«

Unterbrechungen durch Kollegen kann man durch firmeninterne Vereinbarungen entkommen: Das Zurückziehen in einen Konferenzraum, eine geschlossene Tür oder das Aufsetzen von Kopfhörern bedeuten »Ich möchte ungestört arbeiten«. Diese Zeichen sollten  respektiert werden, ebenso wie die Grenzen der Hilfsbereitschaft. Die Unfähigkeit, Nein zu sagen, bringt nämlich so manches fragile Zeitgefüge endgültig ins Wanken. »Es sind immer dieselben Leute, die als Erste gefragt werden und dann aushelfen. Irgendwann wird man der Depp vom Dienst, das sollte man sich nicht zumuten«, rät die Expertin. »Ich schau erst im Kalender nach und geb dir dann Bescheid«, empfiehlt sie als bewährte Taktik, um nicht mit »fremder« Arbeit überschüttet zu werden.  Die bewusste Fokussierung auf wenige Aufgaben kann ebenfalls helfen. »Man sollte ganz bewusst in den Tag starten und ein, zwei Hauptprioritäten festlegen: Das will ich heute schaffen«, so Tschirf.

Andrea Tschirf

Das ewige Aufschieben

Der »Aufschieberitis« ging Dan Ariely, Psychologe und Verhaltensökonom an der Duke University in North Carolina, in einem interessanten Experiment auf den Grund. Seine Studenten sollten im Laufe des Semes­ters drei Arbeiten verfassen. In einem Kurs mussten sie sich auf einen bestimmten Abgabetermin festlegen. Der Termin konnte nicht mehr geändert werden, für jeden Tag Verspätung gab es Abzüge bei der Punktezahl. Gab jemand die Arbeiten früher ab, erhielt er keinerlei Belohnung oder Vorteil. Obwohl das Risiko eines Punkteabzugs am letztmöglichen Tag am geringsten wäre, verteilten die Studenten die Termine gleichmäßig über das ganze Semester. Offenbar wollten sie sich selbst unter Druck setzen und großen Stress am Ende des Semesters vermeiden.

Im zweiten Kurs ließ Ariely den Studenten völlig freie Hand. Die Arbeiten mussten spätestens am letzten Tag abgegeben werden, die Abgabe zu einem beliebigen früheren Zeitpunkt bewirkte wiederum keine Belohnung oder Vorteil. Im dritten Kurs gab der Professor die Termine vor – und zwar in der vierten, achten und zwölften Woche, ohne Flexibilität oder Wahlmöglichkeit.

Das Ergebnis überraschte auch Ariely: Die besten Noten erreichten die Studenten der dritten Gruppe, jene mit den fest vorgegebenen Terminen. Am schlechtesten schnitt die freie Gruppe ab, die ihre Arbeiten ohne Terminvorgabe spätestens am Ende des Semesters abgeben konnten. Je mehr Freiraum gewährt wurde, desto größer war also die Gefahr des Aufschiebens und umso schlechter war auch die Qualität der Arbeiten.

Den Alltag regeln

Basierend auf seinem Experiment entwickelte der Uni-Professor mit zwei Kollegen die App »Timeful«, einen Kalender für Smartphones, in den nicht nur fixe Termine eingetragen werden können. Das Programm – inzwischen vom Internetriesen Google übernommen – lässt sich auch mit Vorhaben füttern, die man zwar irgendwann erledigen möchte, aber gerne verschiebt oder vergisst, und sucht ein passendes Zeitfenster. Der Nutzer kann den Vorschlag bestätigen und bekommt rechtzeitig eine Erinnerungsnachricht: »Eine Stunde schreiben«. Nach einiger Zeit stimmt die lernfähige App die Vorschläge auf den Tagesablauf und die individuellen Gewohnheiten ab. Die Wissenschafter empfehlen ausdrücklich, auch Freizeitaktivitäten wie Sport, Freunde anrufen oder Wäsche waschen einzutragen. »Was nicht in den Tagesplan eingetragen wird, das wird in der Regel einfach nicht gemacht«, erklärt Ariely.

Denn zu einem guten Teil haben Zeitfresser durch unsere mangelnde Selbstdisziplin leichtes Spiel. Nicht immer sind die anderen schuld. Wir selbst lassen uns manchmal ganz gerne ablenken, hören uns die Urlaubserlebnisse des Kollegen an, verlieren uns in Nebensächlichem und schieben unangenehme Aufgaben vor uns her. So betrachtet ist Zeitmanagement eigentlich Selbstmanagement, wie Trainerin Tschirf bestätigt: »Der Tag hat für jeden 24 Stunden. Die Kunst ist, diese Zeit optimal zu nutzen.«


 

Glossar: Wie Zeitmanagement klappt

ABC-Methode: Aufgaben werden nach ihrer Wichtigkeit geordnet: A für sehr wichtig (sofort zu erledigen), B für weniger wichtig (später zu erledigen oder zu delegieren) und C für kaum wichtig oder unwichtig (delegieren oder verwerfen).

Eisenhower-Matrix: Ein ähnliches Prinzip, benannt nach US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower – dass dieser seinen Alltag danach organisiert hat, ist freilich nicht belegt. Die Aufgaben werden nach Wichtigkeit und Dringlichkeit auf vier Felder aufgeteilt. Aufgaben, die wichtig und eilig sind, kommen in den ersten Quadranten (A); sie sollten sofort selbst erledigt werden. Wichtige, aber nicht dringende Aufgaben (B) sollten exakt terminiert und dann selbst erledigt werden. Dringende, aber nicht wichtige Aufgaben (C) können an kompetente Mitarbeiter oder Kollegen delegiert werden. Der vierte Quadrant (D) ist eigentlich ein Papierkorb; hier landen Aufgaben, die weder wichtig noch eilig sind. Bei Selbstständigen, die nichts delegieren können, vereinfacht sich die Matrix um eine Dimension.

Getting Things Done: Dieser von David Allen entwickelte Ansatz empfiehlt, alle Aufgaben zu erfassen und nach Dringlichkeit zu sortieren. Sehr wichtige Aufgaben, deren Bearbeitung nur wenig Zeit beansprucht, sollten sofort erledigt werden – beispielsweise die Beantwortung kurzer Mails. Wichtige Projekte, die viel Zeit in Anspruch nehmen, sollten auf kleine Teilschritte reduziert und diszipliniert in einen Plan, Kalender etc. eingetragen werden.

Not-to-do-Liste: Auf dieser Liste stehen Dinge, mit denen man auf keinen Fall Zeit verplempern sollte – zum Beispiel das ständige Checken der Mails oder sozialen Netzwerke.

ALPEN-Methode: Das Akronym soll helfen, einen Tagesplan zu entwickeln und steht für Aufgaben aufschreiben, Länge einschätzen, Pufferzeit einplanen, Entscheidungen priorisieren und Nachkontrolle. Unerledigtes wird für den nächsten Tag eingetragen.

SMART-Regel: Dieser Ansatz kommt aus der Verhaltenstherapie und hilft bei der strukturierten Erarbeitung von Zielen. Mehr eine Methode zum Selbst- als zum Zeitmanagement, sollen die gesteckten Ziele gemäß der Abkürzung spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein.

Pareto-Prinzip: Der italienische Ökonom Vilfredo Pareto erkannte im 19. Jahrhundert, dass sich 80 % des Besitzes in den Händen von 20 % der Bevölkerung befinden. Dieses Prinzip lässt sich auch auf das Zeitmanagement umlegen: 20 % des Zeitaufwands führen zu 80 % der Ergebnisse. Die restliche Zeit, die wir investieren, bringt nur wenig Nutzen. Bei der Setzung der Prioritäten sollte deshalb darauf geachtet werden: Wie wichtig ist der Adressat? Wie viel Perfektionismus ist bei der Erfüllung der Aufgabe wirklich notwendig?

Pomodoro-Methode: Um produktiver zu werden, sind Pausen notwendig. Stellen Sie sich einen Wecker auf 25 Minuten und legen Sie für fünf Minuten eine Pause ein, sobald er läutet. Danach arbeiten Sie weiter, nach vier Durchgängen genießen Sie eine Pause von 30 Minuten. Der italienische Unternehmer Francesco Cirillo benutzte zur Zeitmessung eine Uhr in Tomatenform, eine Pomodoro also – die Methode funktioniert aber auch mit jedem anderen handelsüblichen Wecker.

Nein sagen: Wer sich ständig der Anliegen anderer annimmt, kommt nicht mehr zu den eigenen Aufgaben. Um Kollegen und Vorgesetzten die eigenen Bedürfnisse zu verdeutlichen, ist manchmal Abgrenzung nötig.
Ein freundlich formuliertes, aber bestimmtes Nein enthält immer eine Begründung oder einen alternativen Vorschlag – etwa, dass Sie dafür nicht zuständig sind, ein anderes Mal wieder gerne unterstützen, jemand anderer das besser erledigen könnte oder die Angelegenheit Ihren Zeitplan und Ihre Prioritäten durcheinander bringen würde.

 

Last modified onDienstag, 27 Oktober 2015 10:47
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