Besserung nicht in Sicht
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Barbara Schmidt ist Generalsekretärin des Branchenverbandes Oesterreichs Energie. Mit Report (+) PLUS spricht sie über Herausforderungen der E-Wirtschaft in Österreich und Europa und warum selbst Wasserkraftprojekte heute verzögert werden.
(+) Plus: Wie ist es der heimischen E-Wirtschaft im abgelaufenen Jahr ergangen?
Barbara Schmidt: In Anbetracht der bekannten Fakten über die E-Wirtschaft im deutschsprachigen Raum – überraschend stabil. Aber natürlich sind die Marktverzerrungen ein gewaltiges Problem, das praktisch alle Unternehmen unserer Branche zu Einsparungsmaßnahmen und Rationalisierungsprogrammen zwingt. Die Erträge aus der Stromproduktion aus Wasserkraft sind zurückgegangen, thermische Kraftwerke stehen wegen der niedrigen Marktpreise für Strom weitgehend still und die Stromimporte wachsen rasant.
(+) Plus: Kann mit thermischen Kraftwerken heute Geld noch verdient werden? Vor welchen Herausforderungen stehen die Energieversorgungsunternehmen?
Schmidt: Im Einzelnen müssen Sie dazu die Betreiber fragen. Fakt ist jedoch, dass die hocheffizienten KWK-Anlagen Österreichs sämtlich Produktionskosten aufweisen, die über den Marktpreisen für Strom liegen. Das führt zu der absurden Situation, dass vielfach die benötigte Fernwärme in Gaskesseln erzeugt wird, während die Gasturbinen, die viel effizienter wären, still stehen. Das ist eine fast unerträgliche Situation, einerseits wirtschaftlich, andererseits auch für die Umwelt, weil dadurch höhere Emissionen entstehen.
(+) Plus: Warum ist das so schlimm?
Schmidt: In den ersten elf Monaten summierten sich die Stromimporte auf acht Terawattstunden – bei einem Inlandsstromverbrauch von rund 55 Terawattstunden. Das heißt: Jede siebente Kilowattstunde, die in Österreich verbraucht wurde, kam bereits aus dem Ausland. Österreich verliert also durch die Krise an den Strommärkten nicht nur an Wertschöpfung, weil die Erlöse für den Strom deutlich niedriger sind, sondern muss auch noch zusätzlich Stromimporte zahlen. Früher hat man geglaubt, die E-Wirtschaft wäre kein exponierter Sektor, tatsächlich aber sind wir einer der Sektoren, die am stärksten von außen beeinflusst werden. Das kann sich auch auf die Versorgungssicherheit auswirken, denn wenn weitere Kraftwerke im Inland mangels Rentabilität stillgelegt werden müssen, dann sind wir nicht nur finanziell abhängig vom Ausland, sondern auch physikalisch. Und eine Besserung der Lage an den Strommärkten ist heute nicht in Sicht. Zudem muss man sagen, dass die Strompreisbombe ja einen Verzögerungszünder hat.
(+) Plus: Selbst Neubauten im Bereich Wasserkraft werden durch den niedrigen Strompreis in Frage gestellt. Hier sind die Durchrechnungszeiträume relativ groß. Mit welcher Strompreisentwicklung rechnen Sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten?
Schmidt: Der Preisverfall begann 2009 und kam erst 2013/14 voll zur Wirkung, weil Strom oft über Forwards beschafft wird. Sollte sich also die Lage 2017/18 infolge der Schließung von Atomkraftwerken in Deutschland bessern, ist deshalb dennoch keine schlagartige Markterholung zu erwarten. Die Megawattstunde für 2018 können Sie heute für unter 31 Euro bekommen. Zu diesem Preis rentiert sich kein Kraftwerksneubau. In Österreich sind deshalb alle thermischen Projekte verschoben oder abgesagt, viele Wasserkraftprojekte werden sich ebenfalls verzögern. So wie sich die Lage heute zeigt, wird sich der Beitrag der Wasserkraft zur Energiestrategie deshalb nicht erfüllen lassen.
(+) Plus: Mit dem Ausrollen von Smart Metern haben Energieversorger in erster Linie einen weiteren Kostenblock zu bewältigen. Wie lässt sich mit den neuen Stromzählern auch Geld verdienen?
Schmidt: Man muss hier sehr strikt zwischen den entbündelten Bereichen unterscheiden. Smart Meter gehören zum Netz und werden über die Netztarife finanziert. Ihre Einführung ist sicher eine technische und bilanzielle Herausforderung, hat aber nichts mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zu tun. Smart Meter müssen ja nicht über Erträge im liberalisierten Bereich der E-Wirtschaft von den Unternehmen »verdient« werden. Der Smart Meter ist ein Zähler und als solcher allein noch keine zusätzliche Einnahmequelle der E-Wirtschaft. Andererseits gibt es natürlich Hoffnungen, dass sich in Zukunft mit Energieservices Deckungsbeiträge mit Zukunftswirkung erzielen lassen. Viele Unternehmen der E-Wirtschaft arbeiten intensiv an Angeboten für Energieservices, bei denen der smarte Zähler durchaus eine Rolle spielen kann – aber nicht muss. Andererseits können auch branchenfremde Anbieter in diesem Bereich auftreten – denken Sie nur an das Beispiel Google.
(+) Plus: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Energieeffizienzgesetz?
Schmidt: Das Gesetz steht leider unter keinem sehr guten Stern. Die Politik hat sich für eine Lösung entschieden, die wir nicht favorisiert haben, die wir aber jetzt natürlich vollziehen müssen und auch vollziehen werden. Aufgrund der Verzögerungen im Zusammenhang mit der Ausschreibung der Monitoringstelle gibt es keine gesicherten Grundlagen für die notwendigen Maßnahmen, die aber dennoch gesetzt werden müssen. Vizekanzler Mitterlehner hat zugesagt, dass man bei Umsetzung des Gesetzes einen pragmatischen Zugang ermöglichen wird und das sehen wir schon als wichtige Erleichterung für den Einstieg ins Effizienz-Zeitalter. Was wir brauchen, ist eine Art goldener Mittelweg zwischen den herausfordernden Vorgaben und den noch unfertigen Strukturen, damit wir einen praxisgerechten Start ins Effizienzzeitalter schaffen. Prinzipiell führt ja kein Weg an Effizienzmaßnahmen vorbei, wenn wir den Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung ernsthaft beschreiten wollen.
(+) Plus: Bisher hat sich die Branche ja selbst nicht gerade als Vorreiter der neuen erneuerbaren Energiewelt positioniert.
Schmidt: Die Entwicklung ist ungeheuer schnell gekommen. Seit Fukushima ist nicht einmal ein Zehntel jener Zeitspanne vergangen, die üblicherweise als Lebenszeit eines Kraftwerks gilt. Bei allen Problemen, die es jetzt gibt, ist aber dennoch klar, dass die Rolle der E-Wirtschaft in Zukunft größer und nicht kleiner werden wird. Wenn man eine Energieversorgung will, die weitgehend auf erneuerbaren Energien beruht, dann wird die Basis dafür Strom sein. Nur Strom aus Wind und Sonnenenergie kann in ausreichender Menge bereitgestellt werden – von den Kosten einmal abgesehen. Das laufende, zweite Jahrhundert der Elektrizität wird damit eine noch größere Erfolgsstory werden als das erste. Die Herausforderungen für die E-Wirtschaft sind aber nicht geringer als vor 130 Jahren.
(+) Plus: Die Herausforderungen der Energiewirtschaft in Europa lassen sich auf einer europäischen Ebene möglicherweise besser lösen. Wie sehen dazu die Bestrebungen aus? Energie ist doch immer noch ein politisch stark besetztes Thema der Staaten und auch Bundesländer.
Schmidt: Lassen Sie mich noch weiter ausholen: Energie ist ein globales Thema. Für das Weltklima ist es nicht wichtig »wo« Treibhausgasemissionen entstehen, sondern »wie viel« emittiert wird. Energiepreise und -subventionen wirken für die weltweiten Warenströme und die Konkurrenzfähigkeit von Nationen ähnlich wie Zölle oder andere Handelsschranken. In Europa sind wir zwar in einem Binnenmarkt, aber der ist nicht vollständig. Und von der politischen Union sind wir noch weiter entfernt. Damit eine Energieunion entstehen kann, muss erst das Bewusstsein wachsen, dass wir sie brauchen, bevor wir sie wollen. Die Energieunion darf zudem kein Elitenprojekt sein. Energiefragen werden heute viel stärker als früher regional und basisdemokratisch entschieden. Die regionale Komponente der Energieversorgung wird ja mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien immer stärker. Was mich dagegen stört, ist die Entsolidarisierung. Projekte von gemeinsamem Interesse brauchen breite Unterstützung und eine sinnvolle Integration zu einem großen Ganzen. Windparks ohne Netzanbindung oder Zugang zu Speichern sind auch sinnlos.
Hintergrund
Oesterreichs Energie vertritt die Brancheninteressen der österreichischen E-Wirtschaft gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit. Der Verband wird von rund 140 Mitgliedsunternehmen mit knapp 21.500 Mitarbeitern gebildet, die mehr als 90 % des heimischen Stroms erzeugen und Transport- und Verteilnetze betreiben. Barbara Schmidt ist seit 2007 Generalsekretärin von Oesterreichs Energie (vormals »VEÖ«).