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Wohnen für alle

 Mietzinsobergrenze - realisierbares Konzept oder kommunistische Traumidee? Mietzinsobergrenze - realisierbares Konzept oder kommunistische Traumidee?

Die Diskussion über Mietpreisobergrenzen in Wien und der Wahlerfolg der Grazer KPÖ haben es gezeigt. Das Thema »Wohnen« ist wieder in der Politik angekommen. Die Konzepte, um das Wohnen nachhaltig leistbar zu halten, liegen in der Schublade − jetzt geht es um die Umsetzung.

 

Als die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou im November laut über die Einführung einer Mietzinsobergrenze nachdachte, war der Aufschrei groß. Auf politischer Ebene wurde reflexartig die Kommunismuskeule geschwungen, qualifiziertere Kritik kam unter anderem von der Fachgruppe Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich: »Mit einer Obergrenze der Mieten würde niemand mehr sein Erspartes in Wohnungen investieren. Eine weitere Wohnraumverknappung wäre die Folge«, mahnte Obmann Michael Pisecky nicht ganz zu Unrecht. Dass Vassilakou mit ihrer Forderung aber den Nerv der Bevölkerung traf, zeigte die Wahl in Graz wenige Wochen später. Nur ein einziges Wahlkampfthema brauchte die Grazer KPÖ, um Platz zwei zu erreichen: Wohnen.

Die konstant steigenden Mieten haben dafür gesorgt, dass das Thema »Wohnen« wieder in der Politik angekommen ist. Laut Arbeiterkammer kletterten die Mieten im Zehn-Jahres-Vergleich österreichweit um 34,5 Prozent in die Höhe. Die Löhne hingegen sind im gleichen Zeitraum nur um 22 Prozent gestiegen. Im Zeitraum von 2005 bis 2010 sollen die privaten Mieten sogar doppelt so stark angezogen haben wie die Inflation und die Löhne. Dass für viele Familien Wohnen immer mehr zu einem finanziellen Kraftakt wird, belegt auch eine Studie der Österreichischen Nationalbank. Demnach muss das unterste Einkommensviertel über die Hälfte des Haushaltseinkommens aufbringen, damit ihre Familien ein Dach über dem Kopf haben. »Aufgrund der trüben Aussichten für die Wirtschafts- und Lohnentwicklung ist in diesem Segment der Bevölkerung auch nicht mit einer Erhöhung der Kaufkraft und damit einem größeren finanziellen Spielraum für die Wohnversorgung zu rechnen«, ist Karl Wurm, Obmann des österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen, überzeugt.

>> Preisentwicklung hält an <<

Seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise hat sich ein wahrer Boom bei Wohnimmobilien ergeben. Die Preise sind sukzessive nach oben geklettert. Und auch 2013 ist ein Sinken der Nachfrage laut Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter der EHL Immobilien GmbH, nicht in Sicht. »Der Wiener Wohnungsmarkt wird sein hohes Niveau problemlos halten und sowohl die Preise für Eigentumswohnungen als auch für Mieten werden sich stabil nach oben entwickeln.« Und der starke Nachfrageüberhang wird weiter steigen. Denn einerseits führen die leeren öffentlichen Kassen zu Rückgängen im geförderten Wohnbau, andererseits steigt der Bedarf an Wohnraum durch den weiter anhaltenden Zuzug und die steigende Zahl von Singlehaushalten.
Nicht nur in Wien, auch in den anderen Ballungszentren wächst der Druck auf den Wohnungsmarkt. In Graz, Salzburg und Innsbruck stöhnt die Bevölkerung ebenfalls unter der Mietpreisentwicklung. Experten schätzen den jährlichen Neubaubedarf in den nächsten Jahren österreichweit auf 48.000 bis 50.000 Einheiten. Dass die aktuell noch hohe Neubauleistung von knapp 48.000 Einheiten die Nachfrage dennoch nicht bedienen kann, liegt an einer deutlichen Verschiebung vom geförderten hin zum frei finanzierten Neubau. Angesichts der Krise und des historisch niedrigen Zinsniveaus ist viel privates Kapital in den als sicher eingestuften Immobilienbereich geflossen. Jede Menge Vorsorgewohnungen wurden errichtet, die aber zu deutlich höheren Mieten am Markt angeboten werden und für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen kaum eine Alternative darstellen. 

Um »leistbares Wohnen« nachhaltig sicherzustellen, hat die überparteiliche Nachhaltigkeitsinitiative »Umwelt+Bauen« das Strategiepapier »Wohnen 2020« erarbeitet. Darin werden wohnungspolitische Zielsetzungen ebenso behandelt wie Fragen der Finanzierung, Problemfelder in der Raumordung, Umwelt- und Energiefragen sowie sozial- und gesellschaftspolitische Aspekte.

>> Wohnen 2020 <<

»Der Fokus des Strategiepapiers liegt auf kurzfristig umsetzbaren Lösungen, die keine zusätzlichen Budgetmittel verlangen, dafür aber Arbeitsplätze schaffen und sichern und der Finanzministerin zusätzliche Einnahmen bringen«, erklärt Umwelt + Bauen-Sprecher Josef Muchitsch (siehe auch Interview Seite 54). Darunter finden sich bekannte Forderungen wie die bedarfsorientierte Zweckbindung der Wohnbauförderung oder die Schaffung fiskalischer Anreize für private Auftraggeber, aber auch neue Aspekte wie etwa die Einrichtung einer Bundeswohnbauagentur zur Absicherung einer bedarfsgerechten Wohnbaufinanzierung und als Investitionsimpuls für Neubau und Sanierung oder der schrittweise Ausbau des Bundes-Sanierungsschecks zu einer »Sonderaktion: Thermische Sanierungsmilliarde«.

Neu ist ebenfalls, dass die Wohnbau-Lobby auf eine breite politische Unterstützung bauen kann – zumindest auf Bundesebene. Während am Höhepunkt der Krise die Bundesregierung noch offen kommuniziert hat, dass in einem beengen Budgetrahmen den Bereichen Gesundheit und Soziales Vorrang eingeräumt wird, schlägt das Pendel nun in die andere Richtung. Nach Staatssekretär Andreas Schieder, der sich schon 2009 auf der vom Bau & Immobilien Report veranstalteten Enquete »Chance Hochbau« für eine Rückkehr zur Zweckbindung der Wohnbauförderung eingesetzt hat, zählen jetzt neben Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl auch die Minister Rudolf Hundstorfer und Reinhold Mitterlehner zu den Unterstützern einer Wiedereinführung der Zweckbindung. Selbst Finanzministerin Maria Fekter kann den Vorschlägen von Muchitsch, Frömmel & Co einiges abgewinnen. Allerdings nur inoffiziell, offiziell ist eine Wiedereinführung der Zweckbindung für sie kein Thema. »Das ist Sache der Länder und muss auf Länderebene geklärt werden«, will es sich Fekter nicht mit den mächtigen Landesfürsten verscherzen. Denn die Länder genießen ihre beim letzten Finanzausgleich gewonnene Freiheit. Auch wenn das Beharren auf der Budgethoheit nach der Causa Monika R. in Salzburg und den kolportierten Spekulationsverlusten anderer Bundesländer wie Hohn klingen mag, werden die Landespolitiker weiter wie Löwen darum kämpfen, dass sie auch über die Bundesgelder nach Belieben verfügen können. »Umwelt+Bauen« hingegen fordert »einen Schulterschluss auf Bundesebene und dass die Regierung nicht wieder vor den Ländern in die Knie geht«.

>> Lob und Kritik für neuen Sanierungsscheck <<

Einen Teilerfolg kann die Initiative »Umwelt+Bauen« in Sachen Sanierung feiern. Mitte Jänner präsentierten Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Umweltminister Nikolaus Berlakovich die neue, überarbeitet Förderoffensive für die thermische Sanierung. Das Gesamtvolumen beträgt 123 Millionen Euro. Zu den geplanten 70 Millionen Euro für den privaten Wohnbau und die 30 Millionen Euro für Betriebe fließen auch die nicht abgeholten 23 Millionen Euro aus dem Vorjahr in den Topf für 2013. Außerdem wurden die Sanierungskriterien unbürokratischer gestaltet und mit dem neuen Konjunkturbonus soll ein starker Anreiz für raschere Investitionen geschaffen werden. »Damit wollen wir gerade im auftragsschwächeren Frühjahr zusätzliche Baumaßnahmen auslösen, die Wachstum und Arbeitsplätze sichern«, Wirtschaftsminister betont Mitterlehner. Bei einer Einreichung bis 30. Juni 2013 und Fertigstellung der Maßnahmen bis 31. März 2014 gibt es ergänzend zu den normalen Zuschüssen einen Bonus in Höhe von 2.000 Euro bei einer umfassenden Sanierung und von 1.000 Euro bei einer Teilsanierung oder einer Einzelbaumaßnahme wie dem Fenstertausch.

Die Vereinfachung und Entbürokratisierung der Aktion wird in der Wirtschaft positiv aufgenommen. »Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass eine Anpassung und Ausweitung der Förderbedingungen notwendig wurde. Die neuen Förderrichtlinien weisen einerseits deutliche Vereinfachungen im Antragsverfahren auf, andererseits wurde auf die derzeitige Konjunktur Rücksicht genommen und eine Zusatzförderung bis Jahresmitte verankert«, zeigt sich etwa Robert Schmid, stellvertretender Obmann des Fachverbandes Steine-Keramik, zufrieden. Und auch Daniel Domini, Geschäftsführer des Dämmstoffspezialisten Saint Gobain Isover, begrüßt die Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren für alle Fördernehmer. »Allerdings müssen die Förderwerber darüber noch umfassend informiert werden. Alleine die Tatsache, dass im vergangenen Jahr fast ein Viertel der vom Bund zur Verfügung gestellten 100 Millionen Euro nicht abgeholt wurde, zeigt, dass hier dringend Handlungsbedarf bestand«, so Domini.

Wermutstropfen bleibt der Umgang mit dem mehrgeschoßigen Wohnbau. Zwar wurde der zeitliche Rahmen für die Einreichung erweitert, die Forderung nach einem einstimmigen Eigentümer-Beschluss bleibt aber ebenso aufrecht wie die ausschließliche Anspruchsberechtigung natürlicher Personen. »Bauträger oder Genossenschaften haben keine Möglichkeit, diese Förderung für die in ihren Baulichkeiten wohnenden Bewohner zu beantragen«, kritisiert etwa der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, der im Sanierungsscheck fast ausschließlich eine Förderung für den ländlichen Raum sieht.

 

>>  Ein Blick in die wohnungspolitische Glaskugel
Oder: Was kommt und was kommen sollte

 

 

 

 

 

Gastkommentar von Karl Wurm, Obmann Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen

Man muss kein Prophet sein: Leistbares Wohnen wird auch 2013 Thema sein – und das sicherlich noch mehr als bereits im Vorjahr. Dafür sprechen zwei Gründe: Zum einen ist davon auszugehen, dass sich die Mieten vor allem durch die Preissteigerungen bei Neuvermietungen im unreglementierten Marktsegment weiter erhöhen und sich der Mangel an bezahlbaren Wohnungen verschärft. Diese Gemengelage wird die Politik gerade im Nationalratswahljahr – zum anderen – unschwer ignorieren können, Maßnahmen zur Linderung des Wohnkostendrucks diskutieren und womöglich auch die eine oder andere  beschließen. So dies der Fall ist, wird es sich dabei wohl (oder übel) um eher kurzfristige, schnell umsetzbare Maßnahmen handeln. Die feinverästelten Wurzeln des sich anbahnenden Wohnungsproblems, so steht zu befürchten, werden dabei bestenfalls besichtigt, aber nicht gekappt.

Keine Mietobergrenze

Wo ist anzusetzen? Sicherlich nicht bei einem »Mietendeckel«. Ein solcher greift zu kurz. Ein ausreichendes Angebot bezahlbarer Wohnungen lässt sich damit nicht herstellen. Um die Errichtung solcher Wohnungen anzukurbeln, braucht es in ausreichendem Maß gesicherte Förderungsmittel. Und es sind Grundstücke erforderlich, die für die gemeinnützigen Bauträger auch finanzierbar sind. Beides ist gegenwärtig nicht gewährleistet. Die Neubauförderungsmittel wandern zusehends in den Sanierungstopf oder werden ein Opfer der Budgetkonsolidierung und auch auf dem Grundstücksmarkt gibt der durch die Vermögensumschichtung verursachte Run auf die Immobilienveranlagung und Bau hochpreisiger Projekte keine Aussicht auf Besserung. Keine substanzielle Entspannung dürfte sich überdies auch am Kapitalmarkt einstellen. Hier erschweren verschärfte Kreditvergabekonditionen und die Nachverhandlung bestehender Darlehenskonditionen zu schlechteren Bedingungen infolge der Finanzkrise und Basel III die langfristig stabile Kofinanzierung von Wohnbauprojekten mit Bankdarlehen.

Mit wenig Aufwand viel Wirkung

Handlungsbedarf ist also gegeben. Die Konzepte zur Sicherung leistbaren Wohnens liegen längst auf dem Tisch. Mit wenig Aufwand ließe sich damit viel Wirkung erzielen. Etwa durch die eine oder andere gesetzliche Anpassung, die der gemeinnützigen Wohnbaubranche die Instrumente an die Hand gibt, mit einem Mehr an unternehmerischer Flexibilität und Selbstfinanzierungskraft das zu liefern, was das Hauptgeschäft der Gemeinnützigen ist – nämlich erschwingliche und qualitätsvolle Wohnungen bereitzustellen.

 

Last modified onMontag, 11 Februar 2013 12:34
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