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Wirtschaft vs. Politik — das ist Brutalität

\"RauerFingerspitzengefühl bewies der Erste Group-Chef nicht, als er Politiker als »blöd und feig« beschimpfte.

Die Entschuldigung kam recht kleinlaut und mit einigen Tagen Verspätung. Unter Österreichs Wirtschaftstreibenden hält sich die Empörung dennoch auffallend in Grenzen. Andreas Treichl hätte sich zwar im Ton vergriffen, in der Sache gibt man ihm aber Recht.

Treichl stoßen vor allem die neuen Bankvorschriften durch Basel III sauer auf. Ein Kredit für ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen müsse vielfach höher mit Eigenkapital unterlegt werden als etwa griechische Anleihen, obwohl die Sicherheit im letzteren Fall kaum gewährleistet sei. Die kritisierten Politiker, die — so Treichl — »von Wirtschaft keine Ahnung« hätten, goutierten die Angriffe des Bankchefs naturgemäß nicht und konterten mit süffisanten Hinweisen auf seine Millionengagen und das Hilfspaket aus Steuermitteln. Aber auch Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts und der Wirtschaftsuniversität wiesen die auf Basel II und III bezogenen Äußerungen des Erste-Chefs als »schlichtweg falsch« zurück, das Lamentieren der Banken sei »hochgradig provinziell«. Kredite an Unternehmen wären grundsätzlich riskanter als Staatsanleihen, für »Ramschanleihen« aus Griechenland oder Portugal würden aber ebenso hohe Anforderungen gelten.

Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner, Do&Co-Chef Attila Dogudan und Industriellen-Präsident Veit Sorger zollten dem Banker dagegen demonstrativ Zustimmung. Treichls Kritik sei ein Zeichen von »Unmut, der grundsätzlich da ist«, so Sorger. Der unverhohlene Applaus der Unternehmerseite offenbart die schon länger gärende Verstimmung zwischen der als Wirtschaftspartei deklarierten ÖVP und ihrer ureigensten Klientel, obwohl die ÖVP seit mehreren Legislaturperioden Wirtschafts- und Finanzminister stellt. Politiker aller Couleurs täten gut daran, die — zugegeben überzogene — Kritik ernst zu nehmen. Ein Fünkchen Wahrheit steckt schon drin: Die Politik hat sich von den tatsächlichen Anforderungen und Bedürfnissen der Wirtschaft weit entfernt. Der ungehobelte Ausbruch Treichls hat das Thema aufs Tapet gebracht. Sachliche Diskussionen, ohne untergriffige Wortmeldungen über Millionengagen und geistige Befindlichkeiten, wären nun wünschenswert.

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