USA ... oder die seelenlose Allmacht.
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Wer sein USA-Bild aus TV oder Kino bezieht, lernt wenig über das Land. Wer vor Ort ist, muss umlernen. Anders als die endlos gleichen Bildzitate suggerieren, ist Amerika nicht das Land der dynamischen Wolkenkratzer. Wer etwa in die Chicagoer Hochbahn – ein Standardmotiv in gefühlten 50.000 US-Krimis – einsteigt und nur zwei Stationen damit fährt, kommt den USA schon näher.
Gleich hinter dem klitzekleinen Herzeige-Zentrum erstreckt sich eine endlose Ansammlung von niedrigen Häusern, deren desolater Zustand nur mehr durch den der Straßen überboten wird. Oder Las Vegas. Dank Hollywood kennt man schon jede Glühbirne auswendig, die dort glitzert. Aber wer am Strip nur 50 Meter in die Seitengasse einbiegt, braucht Nerven. Schlagartig wechselt man vom Licht zur Finsternis und traut seinen Augen kaum: Dort sieht es aus wie nach einer Beiruter Straßenschlacht. Autowracks ohne Reifen, zerschossene Fenster und mannshohe Löcher in den Hausfassaden.
Desolat ist auch die amerikanische Seele. Wenn die »Happiness« ausbleibt, folgt die »Frustration«. Ein merkwürdiger Zustand, der sich alle paar Jahrzehnte kollektiv entlädt. Dann fragt sich das ganze Land: What’s wrong with America? Vor allem die Divergenz zwischen Schein und Sein. Land of the free? Der Harvard-Philosoph George Santayana sah das so: »Es gibt kein zweites Land, in dem die Menschen unter einem überwältigenderen Zwang leben. Man hat einen tödlichen Hass für unzähmbare Menschen.« Was Teddy Roosevelt äußerte, ist auch heute noch aktuell: »Es gibt keinen gemeineren Charakter als einen Amerikaner, der nur Geld rafft und ein Vermögen macht, ohne Grundsätze zu respektieren.«
Der US-Manager ist nicht nur gemein, sondern laut US-Federal Trade Comission auch mäßig fähig: »Sie vernachlässigen die fundamentalsten Funktionen, die für befriedigende Erfolge in Unternehmen notwendig sind.« Und nahm damit dumpfes Cost-Cutting und Quartalsdenken aufs Korn. Die US-Dichter sind ohnehin harsch. »Das Unmoralische ist Amerika. Mit dem Unmoralischen hat es begonnen«, meint etwa W.C. Williams. Eugene O’Neil wird wehmütig: »Dem Land ist mehr gegeben worden als irgendeinem anderen. Aber wir haben unsere Seele verloren.« Folgt man O’Neil, ist auch der wirtschaftliche Niedergang nicht weit: »Wir werden nicht nur unsere Seele verlieren, sondern auch das, was wir versucht haben in unseren Besitz zu bringen.«
Höchste Zeit, dass die USA das tun, was sie am besten können:sich selbst neu erfinden. China als einzig verbliebene Supermacht ist eine ziemlich schaurige Vision.