Mauern oder Schmeicheln?
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Wunderbare Welt des Web: Während sich die alte Garde des Journalismus von der angeblich allgegenwärtigen Gratismentalität im Internet massiv bedroht sieht, arbeiten ausgerechnet Ex-Piraten an den Bezahlmodellen der Zukunft.
Was ein echter Medientycoon ist, lässt sich von neumodischem Kram nicht das Geschäft vermiesen. Rupert Murdoch, milliardenschwerer Medienmacher mit einem veritablen Zeitungs-, Radio und Fernsehsender-Imperium, ist das Internet mit seinem Hang zur Gratiskultur schon längst suspekt. Schon seit einigen Jahren schimpft der australische Medienmogul etwa über die Unverschämtheit Googles, das die Inhalte seiner Seiten indiziert und so frech kostenlos zur Verfügung stellt. Und weil Murdochs polternde Honorarforderungen beim Suchmaschinengiganten auf ratloses Achselzucken stießen, ging der Zeitungsbaron nun einen Schritt weiter: Nach dem Wall Street Journal ließ Murdoch nun auch die Webseite der britischen Times digital ummauern: Wer lesen will, muss zahlen. Prompt brach in den Tagen nach der Errichtung dieser »Paywall« der altehrwürdigen Times Anfang Juli der Großteil der Online-Leserschaft völlig weg.
Klar, dass die alte Garde des Print-Journalismus dieses anscheinend gerade spektakulär scheiternde Experiment mit Argusaugen verfolgt. Der deutsche Axel-Springer-Verlag setzt seine Hoffnungen aber eher auf die ganz neuen Verheißungen von iPhone und iPad, das ja bekanntlich laut Apples Chef-Evangelist Steve Jobs auch angetreten ist, um den digitalen Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften per Apps und Abos zu revolutionieren – gegen einen Obolus an Apple, natürlich. Hierzulande, in der kleinen Alpenrepublik, üben sich die Skeptiker der schönen neuen Onlinewelt hingegen auch schon mal in Totalverzicht: Die Lösung des Gratisproblems im Internet kann auch sein, einfach überhaupt keine sinnvolle Webpräsenz aufzubauen, wie die nostalgisch an die 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnernde Minimal-Webseite der bekannt Internet-skeptischen Wiener Stadtzeitung Falter nahelegt – wer nach Verkaufsschluss nachlesen will, kann als handfestes Archiv immer noch die Nationalbibliothek bemühen ...
Freiwillig statt unter Zwang
Fraglos sind große Veränderungen im Gange. Das bisherige Online-Geschäftsmodell der Verlage beruhte auf Werbeeinnahmen; die sinken im Gefolge der Krise aber radikal. Wie also das Publizieren finanzieren? Auch die ebenfalls Internet-kritische deutsche taz haderte in unzähligen Kolumnen und Artikeln mit dem Online-Finanzierungsproblem und der mangelnden Zahlungsmoral der Leserschaft, geht aber seit einigen Monaten einen komplett entgegengesetzten Weg. Weil Paywalls die Leser vergraulen, wandte man sich einem anderen Projekt zu, das ironischerweise aus einer völlig unerwarteten Ecke kommt: von den Piraten.
Peter Sunde ist Gründungsmitglied der berüchtigten Webseite ThePirateBay, die sich seit Jahren Rückzugsgefechte mit Film- und Musikindustrie liefert – und das Gehirn hinter Flattr (von englisch flatter, schmeicheln), einem innovativen Bezahldienst im Internet, mit dem einfach freiwillige Minimalzahlungen an Webseiten getätigt werden können. Das momentan in Beta laufende Projekt, an dem auch die taz teilnahm, baut auf die Großzügigkeit der Nutzer und die Freiwilligkeit, für guten Content nach eigenem Ermessen zu bezahlen. Ein monatlicher Fixbetrag wird bei Flattr selbst einbezahlt und am Monatsende auf all jene Seiten aufgeteilt, denen man per Klick auf den »Flattr«-Button eine freiwillige Spende zukommen lassen wollte. Trotz der beschränkten Nutzerzahlen in der Betaversion kamen so etwa für die taz seit Mitte Mai über 1.000 Euro zusammen – das ist noch keine Revolution, aber immerhin ein erster Schritt in eine mögliche Online-Zukunft des Publizierens.
Konträrer könnten die Lösungsansätze für das Dilemma der Refinanzierung von Online-Inhalten also nicht sein: Hier Murdochs strikt ummauerte, vom Netz isolierte »Pay before you read«-Festung des alten Journalismus, da Flattrs auf Freiwilligkeit und soziale Verknüpfung aufbauendes Ideal ohne Bezahlgarantie. Irgendwo zwischen diesen beiden Polen wird sie stattfinden, die Zukunft des Publizierens im Netz. Denn eines bleibt eine tröstliche Tatsache: So viel gelesen wie jetzt wurde noch niemals zuvor.