Frühpensionisten Paradies
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Österreich - das Land der rüstigen Rentner. Warum das so ist, warum das nicht so bleiben wird. Der Wirtschaft werden schon in wenigen Jahren die Arbeitskräfte ausgehen.
Was für ein Wirbel! Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka nahm das Frühpensionistenparadies ÖBB aufs Korn – und dominierte mit dem Thema tagelang die Medien. Die wenig erfreulichen Fakten: je nach Monat pendelte das Durchschnittspensionsantrittsalter zwischen Jänner und Oktober letzten Jahres zwischen 50 und 53 Jahren. Der Jahresdurchschnitt 2009 dürfte bei rund 52 ,4 Jahren liegen, ein Wert um den das Pensionsalter seit Anfang des Jahrzehntes leicht pendelt. Zum Vergleich: bei ASVG-Pensionisten lag das durchschnittliche Antrittsalter 2001 bei 58,0 Jahren, letztes Jahr, trotz Hacklerregelung, immerhin schon bei 58,2 Jahren. Lopatkas Vorstoß, oder vielleicht besser gesagt die Erinnerung an langjährig bekannte und unhaltbare Zustände, zeigte Wirkung. Infrastrukturministerin Doris Bures signalisierte den Willen, das Pensionsalter der Bundesbahner in den nächsten Jahren schrittweise anzuheben. Ein Ansinnen, dem sich nicht einmal der mächtige Eisbahngewerkschafter Wilhelm Haberzettl verschließen will. Zumindest prinzipiell und wenn die kollektivertraglichen Spielregeln eingehalten werden. Via Aussendung stellte Haberzettl dem Finanzstaatssekretär schon die Rute ins Fenster. Wenn Lopatka den „Dampfhammer“ nicht einpacke oder gar an gesetzliche Eingriffe in den Kollektivvertrag denke, werde er ein Problem haben, dass veritabler sein als 2003.
Das Datum ist eine Anspielung auf den Eisenbahnerstreik, mit dem die Bahngewerkschaft 2003 die österreichische Streikbilanz der letzten Jahrzehnte quasi im Alleingang „aufmöbelte“. Wirklich glücklich ist Haberzettl mit den Frühpensionierungen nicht. „Es wurde trottelhaft nach Geburtsschein pensioniert. Dafür fehlt jetzt Eisenbahn-Know-how auf allen Ebenen“, sagt der Gewerkschafter. Und erinnert daran, dass die ÖBB-ler ja nicht von der Gewerkschaft sondern vom Management in die Frührente geschickt wurden: „Diese Form der Personaleinsparungen war ein bequemes und beliebtes Vehikel, um die Ziele und Boni zu erreichen“. Die verbale Schlacht zwischen Lopatka und Haberzettl wird wohl weiter gehen, aber wie sieht die Lage in anderen staatsnahen Unternehmen aus? Der rüstige Telekom- oder Postrentner hat sich als einprägsames Bild beinahe verselbstständigt, ist aber schon lange Geschichte. Dass vor den Börsengängen via Frühpension „ausgeputzt“ wurde um die Börsenstory für die Investoren nicht zu verhageln, wurde damals auch vom Rechnungshof kritisiert. Aber das ist lange her und wurde - maßgeblich auf Betreiben von Finanzminister Karl-Heinz Grasser - abgestellt. Die Entscheidungshoheit über Pensionierungen liegt etwa bei der Post seit bald einem Jahrzehnt nicht mehr im eigenen Haus oder bei „Sonderärzten“, sondern bei der Pensionsversicherungsanstalt oder dem Finanzministerium.
Ignorierte Warner
Das durchschnittliche Pensionsalter der Postler dürfte derzeit bei 55-60 Jahren liegen, wie Post-Chef Georg Pölzl unlängst schätzte und damit das erste diesbezügliche offizielle Statement der letzten Jahre abgab. Im Österreich-Vergleich sind diese Zahlen nicht wirklich auffällig. Zumal Österreich im europäischen Umfeld ohnehin ein Paradies für Frührentner ist. Noch 1970 arbeiteten Österreichs Männer bis zum Alter von knapp 62 Jahren, Frauen nicht viel kürzer und bis 60,4 Jahre. Auch wenn gegengesteuert wird, aber trotz Bevölkerungspyramide und geänderter Beschäftigung sinken die Zahlen seither tendenziell. An Warnern und Mahnern fehlt es nicht. „Wenn wir es schaffen, das faktische Pensionsantrittsalter in auf 62 zu erhöhen, ersparen wir uns jährlich einen Betrag von fünf Milliarden Euro. Das das ist die Hälfte des in Österreich erforderlichen Sanierungsbedarfes“, erinnerte Kammer-Chef Christoph Leitl wieder einmal kürzlich und nahm sich die Schweden als Vorbild. Aber Leits Rufe zerschellen – wie auch seine schon gebetsmühlenhaften Forderungen nach einer Staatsreform – an einer kleinlichen Klientelpolitik und Partikularinteressen. Auch in seiner eigenen Partei. Der eisenharte Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer verschob noch noch jede ernsthaft Reform bei den Beamtenpensionen auf den Sankt-Nimmerleinstag.
Ebenfalls symptomatisch: Den Massenmedien war die jüngste Meldung von PVA-Obmann Karl Haas – wenn überhaupt – nur eine Randnotiz wert. Laut Haas werden die Mehreinnahmen aus der Pensionsversicherung für 2009 krisenbedingt nicht einmal die Pensionserhöhung abdecken. Der Bundeszuschuss gegenüber 2008 wird jedoch heuer jedoch um weitere zwei Milliarden auf rund 4,6 Milliarden steigen. Medial beliebter ist da schon die Geißelung von Politpensionen. Die „echte“ Politikerpension wurde in Österreich zwar schon 1997 abgeschafft, schaffte es nach wie vor Jahr für Jahr in die Schlagzeilen (siehe Kasten). Ganz unschuldig sind die Politiker daran nicht. Der Widerstand gegen den Abbau eigener Privilegien war so eisenhart, dass selbst Haberzettl und Neugebauer vor Neid erblassen müssten. Das jüngste Schmankerl: „Frühpensionistenjäger“ Reinhold Lopatka optierte in eigener Sache zwar – lobenswerterweise – gegen die „Politpension alt“. Was aber nichts daran ändert, dass er seinen eigen Pensionsbescheid als steirischer Landtagsabgeordneter bereits im zarten Jünglingsalter von 43 Jahren zugestellt bekam.
Neue Paradigmen braucht das Land
In eigener Sache predigen die Politiker also oft Wasser – und trinken selber Wein. Ein allgemeines Muster ortet Wolfgang Tritremmel, Leiter der IV-Abteilung für Arbeit und Soziales: „Bei jedem Wahlgang werden politisch motivierte Verbesserungen durchgedrückt und die Kosten der Pensionserhöhungen sind in diesem Moment wurscht“. Der „Hammer der Rechnung“ wie bei der Hacklerregelung folge aber erst später. Insgesamt seien die Frühpensionierungen ein „gesamtwirtschaftlicher Wahnsinn“. Auch vor Tabus schreckt Tritremmel nicht zurück. Dass die pensionsrechtliche Sonderstellung der Frauen bis in die 2030-er Jahre verfassungsrechtlich abgesichert ist, hält er für „antiquiert“. Die sprichwörtliche malochende Billa-Verkäuferin mit Mann und Familie hat er dabei nicht im Sinn. Eher schon gut ausgebildete Frauen und Beamtinnen, die zwar zunehmend kinderlos sind, aber trotzdem das Zuckerl für „Doppelbelastungen“ aus Familie und Beruf lukrieren. Für die betroffenen Frauen ein bequemer, aber letztendlich unhaltbarer Status, der das Budget noch über Jahrzehnte belasten wird.
IV-Mann Tritremmel spricht auch ein Problem an, dass weitsichtige Personalisten ohnehin schon drückt und das nur durch die gegenwärtige Krise verdeckt wird. Die Generation der „Babyboomer“ geht langsam aber sicher in Pension - und der Wirtschaft wird der Nachwuchs fehlen. Nicht heute, aber schon bald. „In drei, vier Jahren werden die Personalisten Schwierigkeiten haben, junge Leute zu finden“, so Tritremmel. Dafür, dass die Arbeitnehmer nicht schon mit 50 zusammen klappen und gesund bleiben, werde auch schon „wirklich viel“ gemacht. Schön ist, dass sich die Erkenntnis parteiübergreifend durchsetzt. Sozialminister Rudolf Hundsdorfer lobte erst kürzlich das Gütesiegel „Nestor Gold“ aus, dass Unternehmen auszeichnet, die Beschäftigte länger – und gesund - im Arbeitsprozess halten. Auf der Netzplattform www.arbeitundalter.at wiederum versuchen IV, WKO, AK und ÖGB im Schulterschluss ihren Schäfchen klar zu machen, wie wichtig ältere Arbeitskräfte schon jetzt sind - und in Zukunft noch mehr sein werden. Und welche Fördermaßnahmen es dafür schon heute gibt. Das gemeinsame Engagement ist für das verkorkste heimische Pensionssystem noch nicht die Lösung – aber immerhin ein Anfang. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Exkurs: Aufreger Politpensionen
Medial sind Politpensionen ein beliebter Aufreger, dabei wurden die „echte“ Politikerpension - anders als etwa in Deutschland - bereits 1997 abgeschafft. Wenn Politiker Wasser Predigen und Wein trinken, ist die öffentliche Erregung trotzdem groß. Ein kleiner Streifzug:
Reinhold Lopatka nahm die ÖBB-Frühpensionen aufs Korn. Der Staatssekretär optierte anders als viele Kollegen seinerzeit zwar nicht für die „Polipension alt“, so etwas wie ein „rüstiger Renter“ ist er freilich auch schon. Der Bescheid über den Anspruch auf eine Pension als Landtagsabgeordneter – rund 1.400 Euro – wurde ihm zugestellt, als er knackige 43 Jahre alt war. Den Anspruch die Pension zu beziehen hat STS Lopatka im Alter ab 65 Jahren.
Wie viele seiner Parteikollegen nicht nur ein Kämpfer für den „kleinen Mann“. Der rechte Frontmann Ewald Stadler optierte für die oppulente „Politpension alt“ und war im Alter von 45 anspruchsberechtigt.
Exkanzler Wolfgang Schüssel wurde als „Frührentner“ durch den medialen Kakao gezogen, als mit 63 die Kanzlerrente (System alt) von rund 11.100 Euro bezog. Ganz fair war das freilich nicht. Immerhin geht der männliche Durchschnittsösterreicher bereits mit 58 in die die Pension.
Bunt treiben es die Brüsseler Abgeordneten. Ihr Investmentfond für eine luxuriöse private Zusatzpension wurde von der Finanzkrise zerfleddert. Die Verluste soll - erraten – der Steuerzahler ausgleichen. Die Optik ist verheerend. Wer zu den rund 1.000 Begünstigten zählt, wird daher in Brüssel wie ein Staatsgeheimnis gehütet.