Mehr Kohle mit Kaizen
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Asiatische Philosophie als Heilung für die westliche Wirtschaft? Immer mehr Firmen setzen in Österreich auf Kaizen und erzielen phänomenale Ergebnisse. Was Kaizen bringt, was es kostet.Von Werner Ringhofer.
Kurzfristige Planung für das nächste Quartal, Managerkonzepte statt Mitarbeiterbewegung, langwierige Umsetzung von Verbesserungen – das war gestern. Heute ist Kaizen auf dem Vormarsch. Im Westen wurde Kaizen unter dem Namen Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) vor allem in großen Konzernen wie Mercedes, Siemens und Porsche eingeführt. Auch in Österreich beginnt man die Vorteile von Kaizen zu entdecken. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Einbindung des kreativen Potenzials aller Mitarbeiter und damit eine größere Motivation der Belegschaft, effizientere Workflows, weniger Ausschuss, Verbesserung von Qualität und Produktionsplanung, Senkung der Kosten, mehr Sauberkeit und Ordnung, höhere Kundenzufriedenheit und vieles mehr.
Innovation vs. Kaizen
Westliches Management huldigt der Innovation, also großen Veränderungen durch Technologie oder durch Einführung neuester Managementkonzepte und Produktionstechniken. Die Innovation verläuft dramatisch und ist meist ein einmaliges, abgeschlossenes Phänomen. Im Gegensatz dazu ist Kaizen (Kai = Veränderung; Zen = zum Besseren) wenig spektakulär, Verbesserungen werden aber permanent und schnell durchgeführt. Dabei werden alle Mitarbeiter – Geschäftsleitung, Führungskräfte und Arbeiter – eingebunden. »Kaizen muss eine Mitarbeiterbewegung sein und keine Managementmethode«, sagt Minoru Tominaga, einer der führenden Kaizen-Experten in Deutschland. Wöchentlich, oft täglich, werden neue Verbesserungsvorschläge formuliert. Ohne großen Zeitaufwand, jeden Tag werden bloß fünf bis zehn Minuten dafür verwendet. Die Vorschläge werden durch das Management beurteilt und gute Ideen sofort umgesetzt.
Bis der Kaizen-Prozess in einer Firma zu greifen beginnt, müssen Manager allerdings Geduld beweisen. »Kaizen ist kein Hobby, das am Rande mitsegelt«, erklärt Leopold Pöcksteiner, Leiter der Unternehmensentwicklung und Kommunikation der Firma Amag, »das ganze Unternehmen muss Kaizen leben.« Und das dauert. »Zumindest vier Jahre betreuen wir Firmen, bis sich die Kaizen-Philosophie etabliert hat«, sagt Manfred Pfeiffer, Geschäftsführer des österreichischen Kaizen-Instituts, ein in 45 Ländern tätiges Unternehmen.
Aus Veränderungen innerhalb der Firma resultiert auch eine verbesserte Kommunikation mit den Kunden. Vor allem der Umgang mit Beschwerden ist entscheidend. »Denn wird der Unmut des Kunden missachtet, wechseln 96 % der Unzufriedenen wortlos zur Konkurrenz«, warnt Minoru Tominaga, einer der führenden Unternehmensberater Europas. Frustrierte Kunden erzählen außerdem ihr Erlebnis neun bis 15 weiteren Personen. Aber: 95 % der Beschwerdeführer werden zu Dauerkunden, wenn schnell reagiert wird. Minoru Tominaga fordert daher ein ständiges Arbeiten an der Qualität. Und: Immer lächeln! Vor allem im Servicebereich. »Lächeln kostet schließlich nichts.« Außerdem ist es sehr effizient. Um die Stirne zu runzeln, müsse der Mensch 30 Muskeln betätigen, zum Lachen reichen schon 13.
Mini-Meetings
Das Niveau nur zu halten, genügt schon lange nicht mehr, Kaizen ist gefragt. Die Methode: Jeden Abend oder am nächsten Morgen sollte in kleinen fünf- bis zehnminütigen Meetings der Tag analysiert werden. »Was ist gut gelaufen, was nicht? Wie können wir es verbessern?« Der Impuls dazu muss vom Chef oder vom KVP-Beauftragten kommen. Gefragt sind alle Mitarbeiter, ein offenes Klima ohne sofortige Abwertung von Ideen durch Vorgesetzte ist wichtig. Resultate des tägliche Kaizens: Verbesserung in kleinen Schritten, keine großen Investitionen, Einbindung aller Mitarbeiter vor Ort, sofortiges Umsetzen (»Just do it«). »Monatliche Meetings oder Jahresgespräche greifen überhaupt nicht«, sagt Tominaga.
Verbesserungskultur braucht Flexibilität und Improvisation außerhalb bestehender Regeln. Die Führungskräfte stärken die Innovationsfähigkeit, indem sie neue Ideen höher bewerten als regulierte Prozesse und Erhaltung des Bestehenden. »Denken Sie in neuen Bahnen«, sagt Minoru Tominaga, »exklusive, außergewöhnliche Atmosphäre und neue Konzepte sind zielführend.«
Mitarbeiter für ihren Job zu begeistern ist für Minoru Tominaga mindestens genauso wichtig, wie Kunden zu motivieren. Die 3-K-Methode »Kommandieren, kontrollieren, korrigieren« führe oft zur inneren Kündigung. Und auch von der 10-A-Methode rät er ab: »Alle anfallenden Arbeiten auf andere abschieben, danach alle anscheißen, aber anständig.«
HIER gehts zum Interview mit dem GEschäftsführer des Kaizen Instituts Österreich Manfred Pfeiffer.
Best Practice Josko: Prämien für Verbesserungen
Für den Erfolg des KVP-Prozesses bei der Fenster- und Türenfirma Josko sind drei Punkte unumgänglich. Das »Verbessern können«, das »Wollen« und das »Dürfen«. Um das Können zu fördern, durchlaufen die Mitarbeiter hausinterne Schulungen, in denen sie lernen, Verschwendung im Unternehmen zu erkennen und zu beseitigen. »Unsere Erfahrungen sind sehr positiv«, sagt Christa Wagner, Geschäftsführerin der Produktion, »das funktioniert sehr unkompliziert, weil alle den Nutzen sehen und Kaizen auch leben.« Im Schnitt finden einmal wöchentlich kurze Meetings in Kleingruppen statt, immer zu den Fragen: Wo stehen wir? Wo gibt es Rückstände? Wo und wie können wir uns verbessern? Und Ideen zahlen sich aus: Für gute Vorschläge werden Prämien ausgeschüttet.
Best Practice Amag: 10.000 neue Ideen
Bei der Amag in Ranshofen begann man bereits vor 15 Jahren, den Kaizen-Prozess im Unternehmen einzuführen. Laufend werden in täglichen kleinen Sitzungen Verbesserungsvorschläge erarbeitet, insgesamt rund 10.000 positiv beurteilte pro Jahr. Das ergibt im Schnitt sieben Vorschläge und einen Nettonutzen von 7.000 Euro pro Mitarbeiter. Ein Teil davon wird auch in Form von Prämien an die Mitarbeiter ausgeschüttet. Wichtiges Prinzip: Die Ideen sind immer Gruppenvorschläge. »So wird verhindert, dass Neidgefühle entstehen. Schließlich steht das ganze Team für den Vorschlag«, erklärt Leopold Pöcksteiner, Leiter der Unternehmensentwicklung und Kommunikation. Mit Paul Kroh installierte man einen eigens beauftragten Umsetzer und Mastermind für Kaizen.
Best Practice ESW: 46 Prozent zugelegt
In den Eisenwerken Sulzau-Werfen, Erzeuger hochwertiger Walzen, trifft sich der Kaizen-Steuerungskreis der Führungsetage einmal pro Monat. Gleichzeitig finden wöchentlich kleinere Sitzungen unter den Mitarbeitern statt, allein in der Gießerei zwei pro Woche. Die Zahlen belegen die erfolgreiche Anwendung des Kaizen-Prozesses, in der Produktivität der Gießerei konnte man von 2001 bis 2008 um 46 Prozent zulegen, der Ausschuss wiederum ist um 41 Prozent gesunken. Mit Ideenmanagement spart man pro Jahr 200.000 Euro, zehn Prozent davon werden an die Mitarbeiter in Form von Prämien ausbezahlt. »Viele kleine Faktoren führen zu Einsparungen und mehr Effizienz, die zu einem großen Gesamtpaket wachsen«, sagt der technische Direktor Frank Schröder.
Sieben Managertipps für Kaizen-Meetings
1. Es darf nicht wichtig sein, wer etwas sagt, sondern was er sagt.
2. Keine Fronten bilden. Unterbinden Sie daher Schuldzuweisungen.
3. Stellen Sie den Kunden in den Mittelpunkt, es gibt nur einen Satz: »Ja, wir machen das.«
4. Entfernen Sie Jasager.
5. Es ist gut, Fehler zu benennen und daran zu arbeiten.
6. Vermeiden Sie Territoriumskämpfe.
7. Achten Sie darauf, dass alle an einem Strang ziehen. Störenfriede müssen raus.
Sechs Tipps zur Umsetzung von Kaizen
1. Das Management muss hinter Kaizen stehen und mindestens fünf Jahre unterstützen. Die meisten Manager sehen Erfolge sehr kurzfristig.
2. Die Schulung aller Mitarbeiter ist der Grundstein, sie müssen kapieren, was Kaizen ist, und nicht kopieren.
3. Befehl von oben sind meistens gescheitert. Die Mitarbeiter müssen Kaizen verstehen und leben.
4. Machen Sie jeden Tag ein fünfminütiges Kaizen-Meeting statt einmal im Monat zwei Stunden.
5. Versuchen Sie nicht, alles auf einmal zu verändern. Nehmen Sie sich immer kleine Gebiete vor.
6. Definieren Sie alle drei Monate Ziele, z. B. Sauberkeit des Büros, Ordnungs-, Visualisierungs-, Verschwendungseliminierung usw.