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Warum Schweigen nicht Gold ist

Warum Schweigen nicht Gold ist Foto: iStock

Ob Demonstrationen von Bürgerinitiativen oder Proteste von Anrainern gegen Infrastrukturprojekte: Wer in Krisen professionell und erfolgreich kommunizieren möchte, muss das Ohr am Meinungsmarkt haben und seine Kommunikationsaktivitäten strategisch bündeln. Die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort kann über die Zukunft von Projekten entscheiden. Von Karin Wiesinger

Vor ein paar Jahren noch hatten es Unternehmen und Organisationen in der Krisenkommunikation mit einer überschaubaren Anzahl an Personen oder Gruppen zu tun, die es zu adressieren galt. Mittlerweile sind die Karten durch die Veränderungen in der Medienlandschaft und den Aufstieg der sozialen Netzwerke neu gemischt. Negativmeldungen verbreiten sich rasend schnell, werden von den klassischen Medien oft unreflektiert aufgegriffen und von Usern im Netz kommentiert. Wo sie dank Google & Co auch Jahrzehnte nach einer Krise leicht auffindbar sind – und aufgrund der speziellen Ranking-Mechanismen meist an vorderster Stelle der Such­ergebnisse. Es sei denn, die krisengebeutelten Unternehmen oder Organisationen gehen in sich, machen ihre Hausaufgaben und setzen ihre Kommunikation neu auf. Kritische Artikel, Posts und Kommentare bleiben dann zwar weiterhin online, werden aber durch andere, selbstinduzierte Inhalte relativiert und von den Top-Platzierungen im Suchmaschinen-Ranking abgelöst. Selbstredend sollte ein Kommunikations-Neustart und aktives Gegensteuern in der »Meinungsarena« erst dann erfolgen, wenn die Ursachen und Auslöser der Krise analysiert und behoben sind. Alles andere würde schnell als Schönfärberei enttarnt und die Reputationskrise verlängern, wenn nicht weiter verschlimmern.

Werbung  zurückfahren

Dass Schnelligkeit und genau aufeinander abgestimmte Timings im Krisenfall spielentscheidend sind, sollte kein Geheimnis sein. Da meist mehrere Probleme wie Mitarbeiter-, Verteilungs- und/oder Produktprobleme gleichzeitig auftreten, sind alleine die internen Recherchen zu den Ursachen aufwendig und komplex. Von der Koordination der verschiedenen Abteilungen und Ansprechpartner ganz zu schweigen. Liegen zum Beispiel die klassische Werbung, Public Relations und die Betreuung der Online-Kanäle bei unterschiedlichen Verantwortlichen, lauern bei einer Krise zusätzliche Fallen. Manchmal scheint auch die Marketingabteilung nichts davon zu wissen, dass der Vertrieb gerade im Change-Management-Modus läuft und daran arbeitet, Reputationsschäden für das Unternehmen zu begrenzen. Als etwa eines der führenden Bankinstitute am österreichischen Markt im Rahmen eines Sparprogrammes 2016 die Anzahl seiner Mitarbeiter um rund ein Drittel reduzieren musste, wurden auch im Wiener Umland eine hohe Anzahl an Filialen geschlossen. Dies Umstand führte über Wochen hinweg nicht nur zu einer Reihe kritischer Medienberichte in reichweitenstarken Print- und elektronischen Medien, sondern auch zu teilweise sehr emotional geführten Gesprächen mit Kunden vor Ort. Diese sahen sich nicht nur der Vertrauenspersonen in »ihrer« Filiale beraubt, sondern zukünftig auch mit oft doppelt so langen Anreisewegen konfrontiert. Dass in dieser Situation den Betroffenen weiterhin bunte Werbefolder und Direct Mailings ins Haus flatterten, die in salbungsvollen Worten die Vorzüge und die »smarte« IT-Ausstattung der (verbleibenden) Filialen anpriesen, heizte die Stimmung nur noch weiter an. Wird Krisenkommunikation nicht ganzheitlich und mit Sachargumenten im Fokus gemanagt, haben nicht nur die Kunden ein veritables Vertrauensproblem.

Was du heute kannst besorgen…

Der Ratschlag für eine rechtzeitige Prüfungsvorbereitung wird Kindern schon zu Schulzeiten von Eltern mitgegeben. Letztendlich ist auch eine Krise nichts anders als eine Prüfung, wie trag- und widerstandsfähig eine Organisation ist. Damit Vorfälle nicht schnell zu Flächenbränden für die Reputation werden, braucht es den rechtzeitigen und richtig dimensionierten Bau einer »Brandschutzmauer« in Form eines Krisenkommunikationskonzeptes. Die Planung und das Aufsetzen wichtiger Basismaßnahmen wie Krisenmanual, Checklisten und Argumentarien erfordert allerdings – wie die reale Schutzmauer ja auch – ausreichende Investitionen: Sei es in Form der Beauftragung externer Krisenexperten oder durch die Bereitstellung von Ressourcen im eigenen Kommunikationsteam. Zögerlichen Entscheidern oder Gremien, die angesichts dieser Aufwände die Kosten-Nutzen-Relation in Frage stellen, sei eine kurze Online-Suche mit den Stichwörtern »Krise, Folgen, Kosten« empfohlen.

Die Schweigespirale stoppen

Vor allem im Infrastrukturbereich können Krisensituationen und Konflikte mit Bürgergruppen oder NGOs Projekte jahrelang verzögern und damit ernsthafte wirtschaftliche Schäden verursachen. Die beispielsweise beim geplanten Neubau von Stromleitungen immer wieder ins Treffen geführten – nicht belegten – Schreckensszenarien über Gesundheitsschäden durch elektromagnetische Felder, die Verschandelung der Landschaft u. v. m. sind Argumente, die auf lokaler und regionaler Ebene jeden Politiker verstummen lassen. Angesichts des aufgeheizten Meinungsklimas scheuen Entscheidungsträger daher davor zurück, Projektbetreiber offen zu unterstützen. Es sind kaum unabhängige Stimmen zu hören, welche die Diskussion versachlichen. Gleichzeitig kooperieren die Gegner, verschärfen das Meinungsklima weiter und treiben so die sogenannte Schweigespirale an.

Dieses Bild beschreibt die gerade bei Infrastrukturprojekten häufige Situation, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck einer großen Gegnerschaft entsteht, auch wenn die (stillen) Befürworter in Wahrheit überwiegen. Als Herdentier passt sich der Mensch gerne der – vermeintlichen – Mehrheit an. So kann es passieren, dass die Zahl der Gegner tatsächlich wächst, je länger sich die Schweigespirale dreht.

Meinungsarena nicht den Gegnern überlassen

Projektbetreiber können nur dann effizient gegensteuern, wenn sie selbst in der öffentlichen Meinungsarena aktiv werden. Am besten, nachdem sie die Anliegen, Bedürfnisse und Interessen der unterschiedlichen Gruppen analysiert und den Nutzen eines Projektes verständlich aufbereitet haben, etwa in Form einer eigenen Projekt-Website.

Auch für den Dialog mit Politikern und Entscheidungsträgern ist es wichtig, Pro-Argumente rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, noch ehe sie sich – unter dem Druck von Gegnern und der vermeintlichen öffentlichen Meinung – gegen Projekte stellen. Wichtiger Grundsatz für die Krisenkommunikation: den eigenen Standpunkt im Gespräch klarlegen. Es braucht einen Dialog – mit den Medien, Bürgern und Anrainern –, um sich Gehör zu verschaffen. Die gute Nachricht: Die Vielfalt an Kanälen, Plattformen und Veranstaltungsformaten wie z.B. Bürger-Cafés steht nicht nur den Gegnern zur Verfügung. Auch die Projektträger können diese nutzen, um Sach- und Nutzenargumente in eine Diskussion einzubringen. Ohne die Erwartung, Widerstände dadurch ganz aufzulösen. Aber mit der Chance, dass die eigenen Botschaften ankommen und gehört werden. 

Zur Person

Karin Wiesinger berät seit mehr als 25 Jahren Unternehmen – vom Start-up bis zum internationalen Konzern – bei strategischer Kommunikation und im Reputationsmanagement. Als eingetragene Mediatorin ist sie auf die Kommunikationsbegleitung von (vielfach konfliktträchtigen) Projekten in der Infrastruktur und Stadtentwicklung sowie auf den Dialog mit Bürgern und Anrainern spezialisiert.

Info: www.wiesingerpr.com


Daten & Fakten: Fünf Tipps für eine effektive Krisenprävention:

1.  Sich Zeit für die Vorbereitung von möglichen Krisenfällen nehmen
Welche Vorfälle können eine Krise auslösen?
Sind wir auch auf Issues unserer Partner/Lieferanten vorbereitet?
Gibt es klare personalrechtliche Vorgaben im Falle von Fehlverhalten von Mitarbeitern?

2. Hausaufgaben bei Kontakt- und Checklisten machen
Wer muss wann wie informiert werden?
Wie stelle ich die Erreichbarkeit der Verantwortlichen im Krisenfall sicher?
Haben alle relevanten Personen Zugang zu Kontakt- und Checklisten?

3. Klare Abläufe und Zuständigkeiten festlegen
Wer entscheidet, wann ein Vorfall eine Krise bedeutet?
Sind für die verschiedenen Szenarien klare Abläufe definiert?
Kennen die Mitarbeiter die Vorgaben für den Krisenfall?

4. Kommunikation und Medien­kontakte professionalisieren
Wer agiert – abhängig von der Art der Krise – als Unternehmenssprecher?
Haben diese ein Medien- und Krisentraining absolviert?
Wie stellen wir sicher, dass wir einheitliche Botschaften über alle Kanäle verbreiten?

5. Tragfähige Kontakte zu relevanten Stakeholdern knüpfen
Kenne ich die für meine Organisation wichtigen Personen(-gruppen)?
Gibt es Unterstützer in meinem Netzwerk, die auch öffentlich als Fürsprecher auftreten?
Welche Anliegen haben Projektgegner und wie gehen wir sachlich damit um?

Last modified onDonnerstag, 22 November 2018 11:20
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