Rettet Geoengineering den Planeten?
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Wenn dem drohenden Klimakollaps durch andere Methoden nicht mehr beizukommen ist, bleiben technische Notlösungen als letzte Hoffnung.
Die USA werden das Pariser Klimaabkommen verlassen, China verbraucht trotz Erfolgen bei Erneuerbaren weiter Kohle in Rekordmassen, Musterschüler Deutschland verfehlt seine Klimaziele und auch dem Rest der Welt bleibt die Wirtschaft wichtiger als Kohlendioxidreduktion. Zu den schon bekannten Hiobsbotschaften gesellen sich neue: Die Permafrostböden der nördlichen Hemisphäre tauen schneller als erwartet und setzen Methan in unbekannter Menge frei und in der Antarktis stehen gewaltige Gletschermassive davor, abzubrechen und den Wasserspiegel der Ozeane bedeutend früher als bisher angenommen radikal zu erhöhen.
Die Zeit wird knapp, um das Ruder herumzureißen – wenn es nicht gar schon zu spät ist.
Im Angesicht der alarmierend düsteren Prognosen melden sich vermehrt auch Wissenschafter zu Wort, die auf technische Lösungen hinweisen. Mit Geoengineering sind vorsätzliche und großräumige Eingriffe mit technischen Mitteln in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe der Erde gemeint; das Ziel: die drohende Beschleunigung der Klimaerwärmung zu stoppen, bevor diese apokalyptische Ausmaße annimmt.
Was in den Schubladen der Wissenschafter liegt, klingt nach Science-Fiction – oder aber nach Verschwörungstheorien. Denn eine der simpelsten Methoden, um der rasanten Erderwärmung etwas entgegenzusetzen, ist die Ausbringung von Sonnenlicht reflektierenden Chemikalien in der Stratosphäre – durch Ballone, Flugzeuge oder Artillerie. Richtig geraten: Was weltweit von Aluhutträgern – und auch so manchen heimischen Politikern mit Neigung zur Esoterik – als globale »Chemtrail- Verschwörung« bereits als Tatsache behauptet wird, wäre Wissenschaftern wie dem Chemienobelpreisträger Paul Crutzen zufolge eine praktikable Methode, die Erwärmung der Atmosphäre zu stoppen.
Unbekannte Risiken
Die technischen Mittel, mit deren Einsatz der Erwärmung begegnet werden soll, sind aber weitaus vielfältiger. Das geht von der »Düngung« der Ozeane mit Eisenspänen über gewaltige Baumpflanzprojekte in China bis hin zu rein technischen Methoden, mit denen CO2 in Millionen Anlagen global wieder aus der Atmosphäre gesaugt werden soll. Sie alle haben nur eines gemeinsam: Die Risiken, die mit derartigen Eingriffen in die Natur einhergehen, sind nicht restlos abschätzbar. Bei der Vielzahl der physikalischen, chemischen und biologischen Systeme, die auf kaum berechenbare Weise ineinandergreifen, ist es Kritikern zufolge fast unvermeidlich, dass unvorhergesehene Nebenwirkungen mit potenziell katastrophalen Auswirkungen die Folge jeder Art von Geoengineering sein können.
Die Argumente, die dennoch dafür sprechen, könnten aber schon bald schwerer wiegen als die Vorsicht. Wenn, wie eigentlich schon jetzt absehbar, die freiwillige Reduktion des CO2-Ausstoßes nicht im notwendigen Ausmaß gelingt, werden die finanziellen, aber auch menschlichen Kosten der drohenden Klimakatastrophe so gewaltig sein, dass die riskanten technischen Eingriffe durch Geoengineering als letzter Strohhalm erscheinen werden – als vergleichsweise »billige« Lösungen, die der Menschheit einige Jahrzehnte Spielraum verschaffen könnten, um doch noch auf CO2-freie Energielösungen umzusteigen. Es wäre besser, es nicht so weit kommen zu lassen.