Vorbild Bau
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Die Scheinheiligkeit der Wirtschaft zum Fachkräftemangel setzt sich fort. Die österreichische Bauwirtschaft zeigt vor, dass es besser geht. Ein Gastkommentar von Josef Muchitsch.
Die Scheinheiligkeit der Wirtschaft zum Thema Fachkräftemangel ist nicht zu überbieten. Einerseits will WKO-Präsident Christoph Leitl 30.000 zusätzliche neue Fachkräfte aus dem Ausland importieren, andererseits bewegt sich die Wirtschaft seit Jahrzehnten nicht, wenn es um Gewerkschaftsforderungen wie die Einführung eines Berufsausbildungsfonds oder die »Fachkräftemilliarde« geht. Ganz so ernst dürfte es der Wirtschaft mit dem Thema Fachkräfteausbildung also doch nicht sein.
Eine Ausnahme bildet die österreichische Bauwirtschaft. Seit 1980 gibt es einen internen Ausbildungsbeitrag von allen Bauunternehmen, mit dem die überbetrieblichen Ausbildungsstätten – die Lehrbauhöfe – finanziert werden. Außerdem werden die Internatskosten bei Berufsschulbesuchen damit zu 100 Prozent refundiert. Des Weiteren erhält jeder Betrieb pro Lehrling und Lehrjahr 1.500 Euro Ausbildungsprämie aus diesem Topf. Ergebnis: Trotz der höchsten Lehrlingsentschädigung in Österreich verzeichnet die Baubranche eine kontinuierliche Steigerung der Lehrlingszahlen. Ein Musterbeispiel, wie es ohne öffentliche Förderungen geht: Wirtschaft motiviert Wirtschaft, Lehrlinge auszubilden.
Die angebliche Unfinanzierbarkeit der Pensionen und unqualifizierte Rufe nach »Arbeiten bis 67« werden das Interesse von Jugendlichen, einen Lehrberuf zu erlernen, auch nicht gerade steigern – schon gar nicht in den Bauberufen, in denen ein Pensionsantrittsalter von 60 schon kaum möglich ist.
Fakt ist, dass derzeit nur 5 % der Schwerstarbeiter am Bau die Schwerarbeitspension überhaupt erreichen. Alle anderen scheiden bereits vor dem 60. Lebensjahr aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben aus. Nur sechs von zehn betroffenen Bauarbeitern erreichen eine Invaliditätspension. Die restlichen werden zwischen Krankenkasse, Arbeitsamt und Pensionsversicherung oft auch jahrelang hin- und hergeschoben.
Die Gewerkschaft Bau-Holz hat deshalb ein 7-Punkte-Programm vorgestellt, mit dem es gelingen kann, die Schwerarbeitspension zu erreichen. Das reicht von regelmäßigen Gesundheitsschulungen über Aus- und Weiterbildungsprogramme, Einhalten der Überstunden bis zu einer Evaluierung der Schlechtwetterregelung zum Schutz der Gesundheit.
»Gesünder in Pension!« ist eine Win-win-Situation für den Staat, Sozialversicherungsträger, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Mehr Einnahmen durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, Fachkräfte stehen gesünder zur Verfügung und höhere Pensionen für Schwerarbeiter. Mehr unter www.bau-holz.at/sommer2012
Josef Muchitsch ist Abgeordneter zum Nationalrat
und Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz.