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»Wir brauchen nicht überall eine XXL-Autobahn«

\"''BeiIm Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Infrastrukturministerin Doris Bures über notwendige Sparmaßnahmen, die Sinnhaftigkeit großer Prestigeprojekte und darüber, warum sich PPP-Modelle bei großen Infrastrukturprojekten nur selten rechnen.

Report: Nach zähem Ringen hat die Bundesregierung ein Budget präsentiert, das von vielen Seiten heftig kritisiert wird. Wie lässt es sich aus Sicht des BMVIT mit den Ergebnissen leben?

Doris Bures: Fix ist: Auch mein Ressort muss sparen. Darum habe ich alle Infrastrukturprojekte auf Herz und Nieren prüfen lassen. »Klug investieren, verantwortungsvoll sparen« war das Motto. Fazit: Von 2011 bis 2016 werden 18 Milliarden Euro in die Bahn- und Straßeninfrastruktur investiert. Wir investieren trotz Einsparungen noch immer so viel wie nie zuvor in den Bahnausbau.

Report: Dennoch muss das BMVIT rund 555 Millionen einsparen. Wo wird der Rotstift konkret angesetzt?

Bures: Bei der Verwaltung des Ministeriums werden wir 30 Millionen Euro einsparen. Bei der ÖBB-Struktur werden 250 Millionen Euro gespart. Durch Rationalisierungen in der gesamten Produktion, durch Standortzusammenlegungen usw. Die Verwaltung wird effizienter und die Overheadkosten werden gesenkt. Darüber hinaus werden bei den Infrastrukturinvestitionen ebenfalls 250 Millionen Euro gespart. Unter anderem durch die zeitliche Verschiebung der Fertigstellung des Koralmtunnels. Aber auch durch eine bessere Koordination mit den Ländern wird es Einsparungen geben.

Report: Kritiker bezeichnen die großen Tunnelprojekte der ÖBB als reine Pres­tigeprojekte, die sich volkswirtschaftlich niemals rechnen können. Ist es sinnvoll, in Krisenzeiten in derart umstrittene Großprojekte zu investieren?

Bures: Gerade in Krisenzeiten muss die öffentliche Hand mit Aufträgen einspringen. Dieser Weg war sehr erfolgreich, das beweist die niedrigste Arbeitslosenquote Europas. IHS und WIFO haben die volkswirtschaftlich positiven Wirkung in ihren Studien für die ÖBB-Infrastruktur AG zum letzten Rahmenplan ganz eindeutig bestätigt. Die Südbahn ist aus internationaler, aber auch aus österreichischer Sicht von enormer Bedeutung. Aber mit der Südautobahn kann die Südbahn heute nicht konkurrieren. Auf der Westbahnstrecke ist das anders. Da steht eine leistungsfähige, schnelle Bahnverbindung zur Verfügung. Daher muss die Südbahn den modernen Anforderungen gerecht werden. Dazu gehören unbedingt auch die Koralmbahn und der Semmeringtunnel sowie viele zusätzliche Maßnahmen, wie zum Beispiel zahlreiche Bahnhofssanierungen entlang der Achse.

Report: Für die österreichische Bauwirtschaft von großer Bedeutung sind die große Bahnhofsoffensive und der Ausbau des Schienennetzes. Inwieweit werden
diese beiden Bereiche von den Einsparungen betroffen sein?

Bures: Bei den Bahnhofsumbauten wird gar nichts gespart, wir halten daran fest, bis 2014 100 Bahnhöfe und Haltestellen zu modernisieren, mit vielen Kleinaufträgen gerade für mittlere und kleine Baufirmen in der Fläche. 56 Prozent der Investitionen bis 2016 werden für Bestandsinvestitionen aufgewendet, also für viele kleine Vorhaben von Eisenbahnkreuzungen bis zu Unterführungen oder Brückensanierungen.

Report: An der finanziellen Schieflage der Asfinag sind auch die Länder nicht ganz unschuldig. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo laut Verkehrsexperten Landstraßen völlig ausreichen würden, die Länder aber mangels Finanzkraft auf den Bau von Autobahnen drängen. Jüngstes Beispiel: Seestadt Aspern. Ist das nicht verkehrspolitisch und volkswirtschaftlich eine völlig falsche Entwicklung?

Bures: Ich habe hier schon mit einigen Ländern sehr gute Lösungen im Straßenbau finden können. Die S 31 im Burgenland wird zum Beispiel als Landesstraße verwirklicht – mit finanzieller Beteiligung des Bundes. Ortsumfahrungen werden damit rasch verwirklicht, das bringt Einsparungen von 80 Millionen Euro. Oder die A5 in Niederösterreich: Der letzte Abschnitt mit vorgezogener Ortsumfahrung Drasenhofen spart 60 Millionen Euro. Wir brauchen nicht überall eine XXL-Autobahn, man kann auch vernünftig Lösungen gemeinsam mit den Ländern finden. Das ist gelebte Verwaltungsreform mit riesigen Einsparungsbeiträgen.

Report: Mit der Verkehrstelematik wurden einst große Zukunftshoffnungen ­– Stichwort Unfallreduktion durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen – verbunden, heute ist es ziemlich ruhig um dieses Thema geworden. Wie soll es in den nächsten Jahren weitergehen?

Bures: Effiziente Verkehrssysteme stärken unsere Wirtschaft. Unser Ziel ist es, rasch neue innovative Technologien einzusetzen, damit die Verkehrsteilnehmer sicherer, schneller und umweltfreundlicher von A nach B kommen. Parallel zum Aktionsplan werden von uns auch Entwicklungen im Umfeld intelligenter und multimodaler Mobilität sowie intelligente Verkehrssysteme gefördert. Das ist ein sehr komplexes Vorhaben, das erste Erfolge zeigt. So wird der Weltkongress für intelligente Verkehrssysteme 2012 erstmals in Wien stattfinden. Das bietet dem Wirtschaftsstandort Österreich und seinen Vertretern die einmalige Chance, ihre langjährige Kompetenz im Bereich Telematik unter Beweis zu stellen.

Report: Immer wieder heiß diskutiert wird das Thema PPP. Franz Hammerschmid, zuständig für den Fachbereich Schiene und Nahverkehr im BMVIT, hat im Rahmen der vom Report Verlag veranstalteten Enquete »Chance Hochbau 2010« PPP-Modelle als ein »Miraculum, das nicht wirklich funktioniert« bezeichnet. Welche Zukunftschancen sehen Sie für PPP bei Asfinag und ÖBB?

Bures: Es ist tatsächlich so, dass sich PPP-Modelle bei derartigen großen Infrastrukturprojekten wie im Bereich des BMVIT für den Auftraggeber selten auszahlen. Für den Brennerbasistunnel zum Beispiel wurde dies international mit der Europäischen Investitionsbank EIB untersucht und negativ beurteilt. Und darüber hinaus haben wir ein gemischtes Netz mit einer gemischten Nutzung, Renditen für Private sind hier nicht zu lukrieren. Am Ende des Tages sind dann solche Modelle reine Vorfinanzierungsmodelle, die sich für den Bund nicht rechnen. Im Bereich Güterterminals könnten sie unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung kommen, bei der Straße eventuell in sehr engen Bereichen.

Report: Das Bauwesen ist eine wichtige Säule der heimischen Wirtschaft und bietet rund 262.000 Personen einen Arbeitsplatz. 2009 wurden rund 16 Milliarden Euro erwirtschaftet. Wie kann dieser wichtige Wirtschaftszweig nachhaltig gestärkt werden und welche Rolle kann das BMVIT dabei spielen?

Bures: Wir investieren in den kommenden sechs Jahren drei Milliarden Euro jährlich in das Bauwesen. Das ist vielleicht die nachhaltigste Stärkung des Bauwesens und der hier Beschäftigten. Das sind Investitionen, die ja auch Folgeaufträge in anderen Bereichen der Bauwirtschaft nach sich ziehen.

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