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Social Software

Auf der Suche nach der Konvergenz in den Unternehmensnetzwerken stoßen die Experten nun auf die soziale Seite des Internets. Lange als Medium für pickelige, bleichgesichtige Brillenträger verschmäht, steigert sich das Netz der Netze zu einem Paradigma für eine neue Gesellschaft und Arbeitswelt. Nach Jahren der einsamen Internetathleten scheint die Menschheit die Datennetze mehr und mehr zur menschlichen Kommunikation zu benutzen. Miteinander statt nebeneinander lautet die Devise: »Social Software« unterstreicht diesen Trend zur Gemeinsamkeit. Was Social Software ist? Es sind Softwaresysteme, die Interaktion und Zusammenarbeit unterstützen. Den Systemen ist gemein, dass sie Aufbau und Pflege sozialer Netzwerke und von Communitys unterstützen und weitgehend mittels Selbstorganisation funktionieren. Social Software ist keineswegs neu: Vorläufer des Konzeptes sind beispielsweise Groupware und herkömmliche Kommunikationsmittel wie E-Mail.

Neue Logbücher. Neuere Ausprägungen sind etwa Weblogs, die - oft missverstanden als Online-Tagebücher - als Erweiterung der Medienlandschaft ganz spezielle Lesergruppen mit Neuigkeiten oder Persönlichem des Autors aufwarten (siehe Kasten). Ein Weblog ist ein Personal-Knowledge-System, das etwa den Freunden und Bekannten die eigene Sicht der Dinge im Weltgeschehen näher bringt. Untermalt könnte dies mit Bildern werden, die von einem Foto-Handy auf die Website geladen werden. Ein weiterer Aspekt des »Blogging« im Unternehmensbereich ist die Unterstützung der Corporate-Leadership. Oft haben in größeren Unternehmen die eigenen Mitarbeiter kaum Bezug zur Firmenleitung. Die Unternehmensführung in größeren Unternehmen steht damit permanent vor der Aufgabe, genügend auch nach innen zu kommunizieren. »Dies kann nicht mehr auf die Firmenzeitung reduziert werden, die einmal im Monat verteilt wird«, warnt Dieter Rappold, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Knallgrau New Media Solutions. Unternehmen sollten sich Rappold zufolge intensiv mit Weblogs auseinandersetzen. Bislang gäbe es kein »ernstzunehmendes« Beispiel für den Einsatz von Weblogs in der Unternehmenskommunikation in österreich. Dies wird sich aber in Kürze ändern: Rappold bastelt an einer Weblog-Lösung für niemand Geringeren als die österreichischen Bundesbahnen. Jemand aus dem öBB-Management des Beschaffungsbereichs hat die Chancen, die sich mit der unkonventionellen Art der Informationsverbreitung bieten, erkannt. In einer ersten Phase wird nun der Abteilung der Zugang zur Blogger-Szene ermöglicht. Weiteres soll bei Bedarf initialisiert werden. Besonders die Integration des öBB-weiten Single-Sign-On-Konzepts stellt sich als Herausforderung für die kleine Knallgrau-Truppe dar. Rappold hofft, mit dem Projekt konzernweite Signalwirkung erreichen zu können. Prinzipiell stieße die Idee des »Knowledge-Workers auf Tool-Ebene« allerorts auf Begeisterung.

Für Claudia Pöpperl, Managerin bei dem M-Commerce-Spezialisten Qpass und zuständig für Business Development & Strategic Marketing, sind die Geschichten rund um Social Software lediglich eine »Welle, die wieder aufgegriffen wurde«. Sind Communitys im Web und Blog-Seiten schon vor vier, fünf Jahren »einfach passiert«, wird heute über sie groß geschrieben. Internetplattformen würden seit jeher versuchen, »Underground-Strömungen« und Sub-Communitys aufzubauen, berichtet die gelernte Kommunikationswissenschafterin. Diesen müssten dann nur noch die richtigen Ausdruckswerkzeuge zur Verfügung gestellt werden. Pöpperl nennt die Webplattform uboot.com, die als konzertierte Ansprache für Jugendliche aufgestellt ist. über Suchwerkzeuge könnten die User dort Gleichgesinnte finden respektive »Communities of Interest« ansteuern. Natürlich haben auch Unternehmen wie Qpass die Zeichen der Zeit längst erkannt. Das US-Unternehmen bietet User-Spielplätze solcher Art bereits als Komponente in seinen Systemplattformen an. Auch wenn Pöpperl zurzeit dem Geschäft mit den mobilen Handybenutzern verhaftet scheint - Potenzial für Internetplattformen sieht sie auch für ihre Branche. »Zunehmend mehr Endgeräte sind fähig, nicht nur verschiedene Medienformen darzustellen, als auch ins Netz zu laden«, beobachtet Pöpperl. Dies sei auch eine enorme Herausforderung für die Plattformbetreiber: Die Inhalte der Communitys müssten prinzipiell in einem permanenten Content-Filtering auf etwa jugendgefährdende Inhalte durchforstet werden. »Aus dieser Angst heraus, haftbar für strafbare Inhalte gemacht werden zu können, sind noch viele Anbieter zögerlich«, weiß die Expertin. Scansysteme, die automatisiert die guten von den bösen Beiträgen trennen, kennt Pöpperl bislang nicht. Wie schon vor Jahren müssen auch heute noch in einem ständigen Wettlauf mit der Zeit verwerfliche Inhalte manuell aussortiert werden.

Neue Lexika. Für Thomas Strasser, Geschäftsführer des Linzer Softwarehauses Silbergrau, ist das Social-Software-Modell eines Wiki (siehe Kasten) ebenfalls nichts Neues. Ein Wiki ist eine verfügbare Seitensammlung (in der Regel mittels HMTL verlinkt), die von den Benutzern nicht nur gelesen, sondern auch online geändert werden kann. Seit 2001 beschäftigt sich der Oberösterreicher mit Content-Management-Modellen wie diesem. Silbergrau fokussiert sich auf Websites und Webdesign - doch das hört Strasser nicht so gerne. »Wir haben uns auf Portalanwendungen und Anwendungsintegration spezialisiert«, spielt der bekennende Open-Source-Fan in einer höheren Liga. Das interne Supportsystem bei Silbergrau läuft auf Wiki-Basis: Mitarbeiter können eigenständig Texte eingeben und durch geschickte themenrelevante Verknüpfungen einen Kontext zu bereits bestehenden Inhalten herstellen. Es sei »nicht viel dabei«, so Strasser, den Informationspool eines Unternehmens auf einem Wiki aufzubauen. Doch warnt der Silbergrau-Geschäftsführer bei aller Liebe zur Technik vor Mängeln in der Benutzerfreundlichkeit der Systeme. »Was in einem nichttechnischen Umfeld sauer aufstößt, ist das strikte Verlinken nach WikiWiki-Words«, weiß Strasser. Aus Usability-Gründen kreierten die Linzer kurzerhand ihr eigene Social-Software: Die übliche Verknüpfung nach einzelnen Schlagworten wurde umgangen, die Inhalte auf eine breitere Basis gestellt. Die Indizierung erfolgt nun auch nach Autoren und diffizileren Kriterien wie dem Content-Standort und der Art der Textdarstellung. Dieser neue Level der Beschlagwortung eröffnet frische Möglichkeiten: etwa das Verknüpfen von Texten in verschiedenen Sprachen - etwas, das in klassisch aufgebauten Wikis in der Regel ausgeklammert wird. Weiters ist ein solches System fähig, dem Anwender selbst Links zu verwandten Seiten vorzuschlagen. Verknüpft wird dann nur noch thematisch. Technokratisch angeführte Schlagworte à la WikiWiki-Words verschwinden in den Hintergrund.

Bei Unternehmen wie Silbergrau gehört es beinahe zum guten Ton, sich technisch vor dem Kunden im Understatement zu üben. Da werden komplexe Portale in Projekten einfach »Netzwerk« getauft - diese Vokabel verstehen heutzutage schließlich die meisten. Für den Oberösterreichischen Fußballverband wurde mit der Content-Management-Technologie »blueContent«, die sich bereits im internen Support-Wiki bewährt hat, die ballverrückte Lokalszene elektronisch abgebildet. Das Netzwerkprojekt reicht von der Verwaltung der Spiele, Spieler und Ergebnisse bis zur Erfassung der Spielberichte direkt am Spielfeld mit Laptop und Handy. Dabei findet der Erfindungsreichtum kaum Grenzen: Mit der entwickelten Software ist es nun auch möglich, live von den Spielen zu berichten. The name of the game: »BallCasting«. über die BallCasts können die Ereignisse als Weblogs oder normale HTML-Seiten angezeigt werden.

Neue Hierarchien. Grundlegend haben Social-Software-Systeme wie Weblogs und Wikis eines gemeinsam: Sie stellen die traditionelle Arbeitsweise, sich mindestens dreizehnmal durch ein Filesystem klicken zu müssen, um eine Datei zu finden, auf den Kopf. »Diese Art, wie Daten gesammelt und weitergegeben werden, ist Vergangenheit«, prophezeit Rappold. Die Workforce darf sich schon einmal darauf einstellen, sich künftig in weniger hierarchisch aufgestellten Ordnersystemen zu bewegen. Frei nach dem Motto: Information wird optimal verwaltet (und gefunden), wenn sie kontextualisiert und semantisch verknüpft ist. Die Idee: ein einziger Know-how-Pool - aber verschiedene Sichtweisen darauf. übrigens, das gibt es schon: Es ist das Internet. Das Informationsmanagement darin darf nun professioneller werden: Vor allem PR-Agenturen sollten sich massiv mit dem neuen Medium Weblog beschäftigen, rät der Knallgrau-Geschäftsführer. »Die Unternehmen können mit der richtigen Informationsstrategie völlig neue öffentlichkeiten entstehen lassen.«

Alles bekannt. Unternehmen wie IBM oder auch Novell sehen eines der wesentlichen Attribute von Social Software - Collaboration - als Herzstück. Ein Lokalaugenschein bei der Unternehmenszentrale in Wien zeigt eines der durchdringendsten Intranetportale, die es weltweit gibt. Das interne Portal bei IBM lässt kaum Wünsche offen, was Tools für die Zusammenarbeit in Projektgruppen, zu Themen oder die Echtzeitkommunikation betrifft. Durch eine »Presence«-Funktion ist etwa jederzeit feststellbar ob ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz sitzt - oder gerade nicht erreichbar ist. Eingebettet in einem simplen - aber intern abgegrenzten - Instant-Messenger ist dann auch sichtbar, welcher Kollege in welcher Weise gerade erreicht werden möchte. Selbst elends lange Meetings, die normalerweise die Erreichbarkeit am Telefon neutralisieren, gehören damit der Vergangenheit an. Selbst mitten in einem Telefongespräch poppen die kurzen Textnachrichten am Bildschirm auf. Fragen wie »Wer ist die Vertretung von Frau Bacher?« können damit schnell und einfachst beantwortet werden. Wenngleich solch komplexe Lösungen kaum in der Kundenlandschaft zu finden sind: IBM-Business-Software-Chef Josef Kröbmannsberger sieht den zwangsläufigen Trend zum »integrierten Arbeitsplatz«. Der Wechsel zu Instant-Messenger und Webcasts sei nur noch eine »Kulturfrage«. Interne Suchfunktionen werden in Zukunft die Informationspools der Portale weiter aufwerten. Ein Kunde, der bereits auf dem IBM-Portalsystem »Websphere« Instant-Messages verschickt, ist etwa die Telekom Austria.

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