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Kristalline Generation

Mit der Kraft der Sonne: Photovoltaik auf der Überholspur. Gebäudeintegrierte Photovoltaik bildet für Österreich einen sicheren Wachstumsmarkt. Welche PV-Module im Wohnbau zur Anwendung kommen und wie die Nanotechnologie ins Spiel kommt.

Von Karin Legat

 


Bei wolkenlosem Himmel und Sonne steht es nicht nur für Insider außer Frage, dass Photovoltaik auch in Zukunft großes Entwicklungspotenzial hat. »Die Nachfrage wächst ständig. Die Menschen erkennen die multifunktionalen Eigenschaften von Photovoltaik. PV schafft nicht nur Energie, sondern übernimmt auch die Aufgabe der Gebäudehülle als Wetter- und Sonnenschutz und präsentiert sich als dekoratives Element«, verdeutlicht Christian Ulrich von ertex solar. Die Wirtschaftszahlen unterstützen seine Analyse.  2011 wurden weltweit PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 27,7 Gigawatt in Betrieb genommen, drei Viertel davon in Europa. »Damit waren in der EU im vergangenen Jahr 50 GW PV-Leistung aktiv, an vorderster Stelle in Deutschland«, informiert Stephan Abermann, Solarzellenforscher des Austrian Institute of Technology AIT.

PV-Gebäudeglobus

Die Integrationsbereiche von Photovoltaik in Gebäuden sind vielfältig geworden: Kalt- und Warmfassaden, Brüstungen, Geländer, Sonnenschutz, Dachintegration sowie Sheddach. Mit 83 % dominieren jedoch Aufdachanlagen. »Wo Grund kostbar ist, macht es Sinn, bestehende sonnenausgerichtete Dächer zu nutzen«, so Abermann. Egal ob auf, vor oder in der Gebäudehülle – die leistungsbeeinflussenden Faktoren sind dieselben. Darunter verstehen PV-Experten die optimale Position zur Sonne (südseitig, 30 Grad), Anordnung und Verschaltung der Module, Auslegung des Wechselrichters, Verschmutzung, Verschattung, Fehler im Paneel sowie Alterung und spannungsinduzierte Degradation. Im mehrgeschoßigen Wohnbau hat sich die Photovoltaik laut ertex solar noch nicht durchgesetzt. »Der Preis entscheidet«, so Christian Ulrich. »Mit den billig produzierten chinesischen Modulen können wir nicht mithalten«, betont Andreas Zimmermann, Geschäftsführer von sunplugged. Für das AIT ist der Kostennachteil zu den konventionellen Stromerzeugern generell nicht mehr aktuell. »Die Kosten haben sich in den letzten zwei Jahren um den Faktor 2 bis 3 reduziert. Das System ist technologisch so weit, konkurrenzfähig günstigen Strom zu erzeugen. Allerdings besteht ein großes Informationsdefizit bezüglich Effizienz und Gesamtsituation«, so Abermann. »Der Gebäudebetreiber sollte berücksichtigen, wo und wann Energie produziert wird, wie die Erzeugung an den Verbrauch angepasst werden soll, welches Mikroklima und welche Orientierung vorherrschen und wie die PV in das Gebäude integrierbar ist.«

Photovoltaik im Jahr 2012

Heute sind drei PV-Generationen am Markt bzw. wird an ihnen gearbeitet: Silizium, Dünnschicht und neue Konzepte und Materialsysteme, wie z.B. organische Solarzellen. An einer vierten Generation, der Kombination erstgenannter Technologien, wird intensiv geforscht. Kristallines Silizium überwiegt aufgrund seiner hohen Effizienz und attraktiven Kostenstruktur. Je nach Kristallstruktur unterscheidet man hierbei Mono- und Polysilizium. Der Wirkungsgrad der Zellen steigt laut ertex solar von Jahr zu Jahr. »Zu Beginn meiner Tätigkeit vor zehn Jahren haben Poly-Zellen 3,7 Watt erreicht, heute liegen sie bei 4,2 Watt. Mono-Zellen konnten von 3,8 Watt auf 4,4 Watt verbessert werden.« Keine eigene PV-Generation, aber Doping für alle bestehenden, bildet die Nanotechnologie. »Sie wird eingesetzt, um Effizienz und Lichteinfang zu erhöhen«, informiert Abermann. »Lichtreflektion bedeutet in der Photovoltaik ein großes Problem. Die Nanotechnologie hilft, indem sie die Lichtabsorption verbessert. Die jeweiligen Herstellungsverfahren gibt es in der Mikrotechnologie schon lange. Nun stellt sich die Frage, ob sich ihr Einsatz auch in der PV rechnet.« Auf jeden Fall lohnt sich der Einsatz der Energie der Sonnenstrahlen in Verbindung mit Silizium, dem zweithäufigsten Material weltweit. Bei seltenen Materialien wie Indium, Gallium oder Selen sieht die Lage dagegen nicht so rosig aus. Bei Indium wird bereits zwischen 2025 und 2035 mit einem Versiegen der Ressourcen gerechnet.

Monokristalline Technologie

Bei diesem Verfahren werden einkristalline Stäbe aus einer Siliziumschmelze gezogen und in dünne Scheiben, sogenannte Wafer, zersägt. Daraus werden die einzelnen Zellen gefertigt und anschließend zu Solarmodulen verschaltet. Serienschaltung erzielt eine höhere Spannung, was speziell für kleinere PV-Anlagen nützlich ist. Die hohen Energiekosten, die mit monokristalliner Produktion in Verbindung gebracht werden, relativiert Abermann. »Silizium muss zwar erst in die Waferform gebracht werden, was einen sehr aufwendigen Schritt hinsichtlich Energie und Know-how darstellt, aber der Energiebedarf konnte in den letzten Jahren erheblich reduziert werden. Aussagen, dass sich der Wafer selbst energetisch nicht amortisiert, stimmen nicht mehr.«

Polykristalline Technologie

Polykristalline Module haben einen geringeren Wirkungsgrad als monokristalline, sind aber deutlich preiswerter und daher gefragter. »Wir produzieren zu 65 % poly«, berichtet ertex solar-Manager Ulrich. »Momentan ist hier auch keine Trendänderung erkennbar.« Die polykristallinen Zellen werden im Gießverfahren hergestellt. Charakteristisch ist die Kristallstruktur mit höherer Reflektion.

Dünnschicht

Zellen dieses Typs werden durch Aufdampfen von absorbierendem Material wie amorphem Silizium oder Cadmiumtellurid auf ein Trägermaterial aus Glas oder Kunststoff hergestellt. Entstanden ist die Dünnschichttechnologie, als vor einigen Jahren der Rohsiliziumpreis regelrecht explodierte. »Ich benötige nur wenige Mykrometer. Durch das flexible Substrat wie Metall oder Polymerfolie erreiche ich deutlich weniger Gewicht und mehr Flexibilität. Diese architektonischen Vorteile bieten völlig neue Möglichkeiten im Gebäudebau«, erläutert Abermann das Konzept.
Der Nachteil der Dünnschichtvariante liegt in ihrer geringen Effizienz gegenüber kristallinem Silizium. Mittlerweile befindet sich der Rohsiliziumpreis laut AIT wieder auf einem vernünftigen Niveau. Silizium hat den Markt auf stetig hohem Niveau zurückerobert.

Organische/Farbstoffsolarzellen

Bei organischen Solarzellen treten anstelle des kristallinen anorganischen Materials Kohlenwasserstoffverbindungen wie Polymere. Ihre Vorteile liegen in kostengünstigen Produktionstechnologien (Rolle-zu-Rolle-Verfahren), niedrigen Materialkosten, hoher Stromausbeute dank Dünnschicht-Großflächentechnologien, Flexibilität, Transparenz und energieeffizienter Herstellung ohne Hochtemperaturverfahren. Zudem erfüllen sie die Auflagen der EU-Richtlinie 2002/95/EG, da der Einsatz von gefährlichen Stoffen entfällt. Farbsolarzellen bestechen durch ihre höhere Empfindlichkeit für Streulicht und ihre größere Temperaturtoleranz. Der geringe Wirkungsgrad sowie die fehlende Langzeitstabilität sind Nachteile dieser Technologien.

Next Generation

Die Nachfrage nach Photovoltaik wächst, »aber es steht ihr ein Mangel an geeigneten Produkten für Fassaden und Flachdächer gegenüber. Vielfach wird nur eine fixe Breite hergestellt. Architekten benötigen aber eine offene Geometrie«, umreißt Thomas Badegruber, COO von crystalsol, das Problemfeld. »Dächer sind oft gebogen. Es bedarf flexibler Produkte im Sinn von biegsam und in Größe und Form anpassbar. Wir forschen an einer PV-Technologie, die es erlaubt, auf Größen und Formwünsche einzugehen, um möglichen Kunden wie ertex solar oder Saint Gobain ein unverkapseltes Modul liefern zu können, welches sehr einfach in Gebäudeelemente integriert werden kann.« Die patentierte Technologie verbindet die Vorteile der hohen Stabilität einkristalliner Materialien und der kostengünstigen Rolle-zu-Rolle-Produktion. »Die Integration unserer PV-Module kann von Anfang an miteingeplant werden. Die Halbleiter werden nicht in Fläche hergestellt, sondern als Pulver. Bei jenen Prozessschritten, die hohe Temperaturen erfordern, arbeiten wir mit kleinen Volumina. Wir erreichen also einen hohen Durchsatz bei geringem Energiebedarf.« Das Modulgewicht kann um rund 90 % reduziert werden. Auch sunplugged arbeitet an einer Dünnschichtsolarzelle im Endlosband. »Unsere Solarzelle basiert auf sogenannten CIGS-Halbleitern. Im Produktionsprozess lassen sich alle kundengerechten Formen, z.B. rund, rechteckig in unterschiedlicher Größe und Spannung (von 0,5 Volt bis 100 Volt) bestimmen und fertigen«, informiert Zimmermann. Die ersten Muster sollen gegen Ende des Jahres ausgeliefert werden.    

 

>> Wirkungsgrade Solarzellen:

- Monokristalline Technologie                          bis 25 Prozent
- Polykristalline Technologie                           bis 20 Prozent
- Dünnschichttechnologie amorphes Silizium    bis 12 Prozent
- CdTe (Cadmiumtellurid)                               bis 16 Prozent
- CIGS (Kupfer-Indium-Gallium-Sulfid)            bis 20 Prozent
- Organische Solarzellen/Farbstoffsolarzellen   bis 10 Prozent
- »crystalsol«-Zelle*                                      bis 20 Prozent

>> Potenzielle PV-Flächen:


- Kaltfassaden-Integration VSG
- Warmfassaden Integration VSG-ISO
- Brüstungen und Geländer VSG/VSG-ISO
- Sonnenschutz oder Beschattung VSG/VSG-ISO
- Dach-Integration VSG/VSG-ISO
- Indach-Integration VSG-EVO
- Sheddach-Integration VSG/VSG-ISO

Last modified onFreitag, 19 Oktober 2012 18:07
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