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Weiz wirkt Wunder

Das Plus-Energie-Haus Gemini in Weiz war der Startschuss für viele weitere Regionalprojekte.Mehr Energie produzieren als verbrauchen: Bis zum Jahr 2020 will die steirische Energieregion Weiz-Gleisdorf das Ziel umsetzen. Begonnen hat das ehrgeizige Projekt mit einem drehbaren Haus.


Und es dreht sich doch. Nicht sehr laut, nur ein leises Knarren ist zu hören. Aber das genügt, um seinen Zweck zu erfüllen. Das runde Gemini-Haus in Weiz bewegt sich mit der Sonne um seine Achse, so wird die Energie optimal aufgesogen. 2001 wurde das Gemini-Haus von Architekt Erwin Kaltenegger erbaut und bald als Weltsensation gefeiert. Das erste bezugsfähige Einfamilienhaus der Welt war geboren, das mehr Energie erzeugt als verbraucht. Als Plus-Energie-Haus hat es in der Fachwelt heute seinen festen Platz. In Weiz steht es noch immer als Wahrzeichen und war der Initiator für viele weitere Bauprojekte. Grundstein für die Energierevolution sind große Photovoltaik-Flächen an der Fassade und auf dem Dach, innovative Wärmedämmung und eine gefinkelte Steuerung, die das Haus nach dem jeweiligen Stand der Sonne optimal ausrichtet. »Der Leidensweg war lange, bis das Projekt realisiert wurde«, gesteht Erwin Kaltenegger, »ich habe die typische Reaktionskette wie bei allen Innovationen zu spüren bekommen: Zuerst wird man belächelt, dann bekämpft und am Schluss ist sowieso alles selbstverständlich.« Mittlerweile ist das Eigenheim als Kraftwerk Realität. Gemini, Zwilling, steht schließlich für die Doppelfunktion aus Wohnhaus und Kraftwerk. Und aus dem Zwilling wurde eine ganze Siedlung. »Für viele war das Utopie, eine Spinnerei, für mich ein serienreifes Konzept.«

Nachhaltig gebaut: Tanne aus der Region, Dämmung mit Zeitungspapier.Die Errichtung der Energie-Plus-Siedlung in Weiz ist bereits umgesetzt: 24 Häuser in der neuen Technik. »Zum Preis eines ganz normalen Wohnhauses«, betont der Architekt. Allerdings ohne Drehfunktion, die wurde nur für den Prototyp gebaut. Die neuen eckigen Serienhäuser entstanden aus dem Projekt »Tanno meets Gemini«. Die Gebäude sind Passivhäuser aus großteils nachwachsenden Rohstoffen. Für die Konstruktionselemente wurde Tanne aus der Region verwendet, gedämmt wird mit Zellulose aus aufbereitetem Zeitungspapier. Damit erzielt man Dämmwerte, die drei- bis fünfmal so gut sind wie bei normalen Häusern. Natürlich werden auch die Photovoltaikelemente integriert. Aus gutem Grund: »Die Sonne strahlt ca. 15.000 Mal mehr Energie auf die Erde, als wir verbrauchen können. Wir müssen nicht in die Erde bohren, um das eingelagerte CO2 herauszuholen und die Luft zu verpesten.«

Vom Haus zum Auto
Jedes Haus schafft nicht nur ein Mehr an Energie, sondern die gesunkenen Heizkosten schaffen ein Plus im Haushaltsbudget. Die Heizkosten bewegen sich bei so einem Haus zwischen 95 und 300 Euro pro Jahr. Bei bereits bestehenden Häusern wird in der Energieregion ebenfalls kräftig umgebaut, beim jüngsten Projekt konnte für das Bezirkspensionistenheim in Weiz eine Energieeinsparung von 85 Prozent erreicht werden.

Auch im Bereich der E-Mobilität hat die Region eine Vorreiterrolle. Einer der Pioniere ist Fred Gingl, Frank Stronachs Weggefährte und Magna-Mann der ersten Stunde. Seit Jahren treibt er die E-Mobilität voran und war mit seinem Unternehmen Magna Marque Geburtshelfer eines Edel-E-Bikes. Die neue Styriette ist ein modernes und leistungsstarkes Pedelec, ein Leicht-Motorrad der Steyr-Daimler-Puch Werke aus dem Jahr 1938, das eigentlich ein verbrennungsmotorisiertes Fahrrad war. Dieses Konzept wurde nun auf ein Pedelec mit von Gingl entwickeltem BionX-Antrieb übertragen. Das Besondere an diesem System: Beim Treten bekommt der Fahrer zusätzliche elektrische Unterstützung, die Motorleistung ist über einen Kraftmesssensor automatisch an die Muskelkraft des Fahrers gekoppelt. Der Motor ist also nur während des Tretens aktiv.

Energieregion-Geschäftsführerin Iris Absenger macht Weiz mit Pedelecs elektromobil.»200 Pedelecs sind derzeit in der Region im Einsatz«, sagt Energieregion-Geschäftsführerin Iris Absenger, »der Strom kommt natürlich aus Solar- und Photovoltaikproduktion, unter anderem aus fünf Solartankstellen.« Ein professionelles Verleihsystem macht die Gewöhnung an das neue Fahrzeug leicht. Nur der Anfang eines Trends, der gerade steil nach oben geht, ist Fred Gingl überzeugt: »Das Potenzial für unsere Elektrofahrräder ist enorm, wir hatten zuletzt ein 400-prozentiges Wachstum und gehen davon aus, dass sich der Markt weiter dynamisch entwickelt.« Die Region wird vorerst auch zwei bis drei E-Autos kaufen, die man ausborgen kann. »Die Technologie steckt zwar noch in den Kinderschuhen«, räumt Iris Absenger ein, »aber wir wollen, dass sich die Menschen an die neue Technik gewöhnt hat, wenn E-Autos verstärkt auf den Markt kommen.«

Nachhaltige Schafbauern
Solar- und Photovoltaiktechnik wird in der Energieregion weiterhin gefördert, symbolisch steht dafür der Baum aus Sonnenkollektoren, der auf dem Hauptplatz in Gleisdorf steht. »Die Förderungen und Rahmenbedingungen sind in Österreich leider sehr schlecht«, kritisiert Erwin Kaltenegger, »wir liegen in Europa ganz weit hinten. Aber in  wenigen  Jahren wird Solarstrom gleich viel kosten wie konventioneller Strom, das wird der endgültige Durchbruch für die Photovoltaik.« Bis 2020 soll die Energieregion (www.energieregion.at) mit 18 teilnehmenden Gemeinden und 42.000 Einwohnern mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Erreicht werden soll dieses Ziel durch Projekte in mehreren Bereichen. Neben den Bereichen energieoptimiertes Bauen und Elektromobilität arbeiten die Gemeinden an den Projekten Energieforschung (Forschungen im Bereich hochwertiger Energieherstellung), Energiealternativen (Photovoltaik, Biogas), gesundes Wohnen und gesunde Ernährung. Dafür werden hochwertige Produkte aus der Region gefördert. Ein Musterbeispiel ist das Projekt Weizer Schafbauern, das nach den Kriterien Nachhaltigkeit, lokaler Wertschöpfung und Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region gestaltet ist. 300 Weizer Schafbauern erzeugen  innovativ vermarktete Fleisch-, Milch- und Käseprodukte für den österreichischen Lebensmittelmarkt. Im Bereich gesundes Wohnen strebt die Energieregion eine Forcierung heimischer hochwertiger Einrichtung wie Böden und Möbel an.

   Vom Prototyp zur Serienreife: Passiv-Energie-Häuser in der Energie-Plus-Siedlung.Ein Schwerpunkt liegt für Iris Absenger jetzt in der Vernetzung von Politik, Wirtschaft und Menschen innerhalb der Region. »Das Engagement ist groß und viele Projekte laufen. Unsere Aufgabe ist es, das Wissen zusammenzuführen, damit jeder vom anderen profitieren kann.« An einer Bestandsanalyse wird ebenfalls gearbeitet, um den derzeitigen Gesamtenergieverbrauch der Einwohner und die Möglichkeiten von CO2-Einsparungen zu beurteilen. »Diese Art der Zusammenarbeit ist beispielhaft für viele Teile der Welt«, meint Fred Gingl. Auch Christoph Stark, Obmann der Energieregion und Bürgermeister von Gleisdorf, beurteilt das Projekt positiv: »Ich glaube nicht, dass wir 2020 im ganzen Bezirk keine Tankstellen mit fossilen Brennstoffen mehr sehen werden, aber wir gehen davon aus, dass ein Großteil der Bürger sich dann mittels E-Mobilität fortbewegen wird.« Gemini-Haus-Architekt Erwin Kaltenegger fordert allerdings noch mehr Mut in der Umsetzung: »Größere gemeinschaftliche Photovoltaikanlagen wären effizienter, aber da wären klare Beschlüsse der Politik nötig.«
Last modified onDonnerstag, 24 Juni 2010 13:27
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