Kommunikation ist Alles
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
Die Stadt von morgen baut laut Experten auf die Vernetzung der fünf Parameter Stadtplanung, Gebäude, Energie, Mobility und Industrie. Dazu braucht es verstärkt Kommunikation zwischen den Sektoren. Die Devise lautet: gemeinsam.
Von Karin Legat.Die Megastädte der Welt sind heute bereits so groß wie Länder und sie wachsen weiter. Um einen Kollaps zu vermeiden, bedarf es funktionierender Verkehrssysteme, intelligenter Logistik, effizienter Energieversorgung sowie umweltfreundlicher Gebäudetechnik. Dafür sind nicht unbedingt neue Komponenten und innovative Gebäudekonzepte erforderlich, sondern die Optimierung des Gesamtsystems. Fachleute sehen darin die Interaktion zwischen Smart Grids und Gebäuden mit intelligentem Demand-Side-Management oder das gesamtheitliche Energiemanagement für Gebäude, Städte und Regionen.
Smart Cities
»Wir glauben, dass sich die Schnittstellen zwischen Gebäude, Gebäudeinfrastruktur und Mobilität stark ändern«, eröffnet Werner Kerschbaumer, Leiter Life Cycle Management Building Automation bei Siemens. Daher hat Siemens im Oktober vergangenen Jahres die neue Division Infrastructure & Cities gegründet. Die junge Disziplin hat genug zu tun, denn Stadtinfrastruktur ist ein sehr breites Thema. Im neuen Sektor bietet Siemens Städten technische Lösungen für nachhaltige Mobilität, Umweltschutz und Energieeinsparung. »Wir sprechen von Smart Cities, die interaktiv gestaltet werden. Sektoral getrennte Systeme müssen miteinander kommunizieren, d.h. Gebäude mit Mobilität, Energieversorgung und Industrie«, ergänzt Doris Österreicher, Geschäftsfeldleiterin Sustainable Building Technologies im Energy Department des AIT, Austrian Institute of Technology. »Im Bereich Energie müssen Bedarf und Versorgung aufeinander abgestimmt werden.« Dazu sind Monitoring und Controlling nötig. Kerschbaumer geht noch einen Schritt weiter: »Nachbarschaften können direkt vernetzt werden. Ein Energieüberschuss muss nicht gespeichert oder eingespeist werden, sondern kann direkt dem Nebengebäude zugutekommen.« Dabei wird zwischen dem thermischen und dem elektrischen Netz unterschieden. »Über das thermische Netz, also über wassergeführte Systeme, wird Energie in Form von Wärme oder Kälte übertragen«, informiert Doris Österreicher. »Damit kann auch die Abwärme der Industrie effizient genutzt werden. Mit dem elektrischen Netz wird erneuerbare Energie eingespeist.«
Nutzungsmix
Entscheidend für die Stadt von morgen ist Gebäudevielfalt. »Reine Wohnbauten benötigen untertags wenig Energie, weil viele Bewohner außer Haus sind. Wenn ich diese Gebäude mit Bildungseinrichtungen, Spitälern und Freizeiteinrichtungen kombiniere, die verstärkt Energie untertags brauchen, vermeide ich Spitzen. Energie wird damit rund um die Uhr verbraucht«, beschreibt Kerschbaumer. Ein ähnliches Konzept empfiehlt er für Alternativenergien. »Die Sonne scheint nicht immer dann, wenn ich sie brauche. Also muss sie in der Gemeinschaft effizient genutzt werden.« Im Neubau sind diese Pläne leicht umsetzbar. Stadtviertel wie Aspern sind so geplant, dass Mobilität, Energieversorgung, gewerbliche Gebäude wie private Wohneinheiten aufeinander abgestimmt sind. Im Bereich Altbestand, dem meist größeren Part des Gebäudebestands, erfolgt die Optimierung anders. Zurzeit wird laut Siemens Dämmung forciert, daneben gibt es Energiecontracting-Modelle und technische Updates.
Smarte Stadtplanung
Die Zukunft Europas entscheidet sich in den Städten, ist der Klima- und Energiefonds überzeugt. »Nur Städte, die es schaffen, das Mehr an Bevölkerung durch ein Mehr an Lebensqualität zu kompensieren, werden im globalen Wettbewerb als Standort gewinnen«, betont Geschäftsführer Ingmar Höbarth. »Eine zukunftsfähige Stadt muss leistbare, nachhaltige Energie, klimafreundliche, flexible Mobilitätskonzepte, intelligente Vernetzungen bieten und die Bedürfnisse ihrer BewohnerInnen kennen.« Dazu hat sie die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – unter einen Hut zu bringen. »Hierzu zählen die emissionsarme, platzsparende Verkehrsinfrastruktur ebenso wie ressourcen- und energiesparende Gebäude- und Siedlungskonzepte, sozial gerechte Arbeitsstätten, solidarische Güterverteilung und lebenswerte Wohnstrukturen«, zeigt Architekt Christian Hanus, Leiter des Zentrums für Baukulturelles Erbe an der Donauuniversität Krems, auf. Im Bereich Energie setzen einige Städte bereits große Schritte. Ehrgeizige Ziele verfolgt etwa die Stadt Salzburg mit ihrer Smart-Grids-Modellregion sowie dem CONCERTO-Projekt Stadtwerk Lehen, wo es um die Restrukturierung des Stadtteils Lehen auf Niedrigenergiehausstandard und die Versorgung durch eine thermische Solaranlage geht. Wörgl gestaltet eine Siedlung aus der Nachkriegszeit zu einem energieeffizienten Vorzeigeprojekt mit Mikrofernwärmenetz und modernster Gebäudetechnik um. Die Region Rheintal hat das Projekt Energiezukunft Vorarlberg aus der Taufe gehoben. Die Smart City Wien ist in vielen Rankings topplatziert, vom amerikanischen Klimastrategen Boyd Cohen sogar an die Spitze gesetzt. »Hervorgehoben wird in diesen Bewertungen, dass Wien einen Stakeholderprozess initiiert hat«, erklärt Doris Österreicher. Vertreter aus den Bereichen Industrie, Forschung, Planung, Energieversorgung, Mobilität u.a. entwickeln gemeinsam eine Vision, daraus eine Roadmap und einen Actionplan. Als wesentlich sehen alle ExpertInnen an, dass eine Smart City lebenswert bleibt. »Das wird sich bald in Aspern bestätigen«, bemerkt Siemens-Manager Kerschbaumer.
Smarte Architektur
»Das Gebäude ist als funktionale und gestalterische Einheit eines Gesamtsystems zu verstehen. Ohne Wahrung des Gesamtkontextes kann das Einzelobjekt, so ausgeklügelt es auch sein mag, seine Vorzüge niemals voll ausspielen«, zeigt Hanus auf. »Damit soll aber nicht gesagt sein, dass einzig durch eine großflächige Siedlungsplanung smarte Architektur ermöglicht wird. Im Gegenteil, vielmehr sollen im Städtebau die Rahmenbedingungen ausgearbeitet und definiert werden, die dann individuell und variantenreich umgesetzt werden können«. Dem stimmt auch Doris Österreicher vom AIT zu. Gute Architektur könne nur in der Gesamtheit punkten. Sie bettet Gebäude in einen urbanen oder regionalen Kontext ein. Für den Klimafonds leben Städte, Gemeinden und die Wirtschaft bereits dieses Bewusstsein. Das Forschungsförderungsprogramm FIT for SET unterstützt diese Entwicklung. »Innovative Energietechnologien werden gefördert, die Teilprojekte zusammengeführt. Erstmals soll eine Smart City oder eine Smart Urban Region entstehen«, informiert Höbarth. »Grundlage für FIT for SET sind nicht einzelne Gebäude, sondern ganze Stadtteile, Gemeinden und Regionen. Ziel muss sein, dass Gebäude und Stadt(teile) vernetzt werden.« Dazu ist es notwendig, das Konzept der Smart City in der Architektur zu verankern und gute ArchitektInnen für diese Idee zu gewinnen.
Urbane Forschung
Energieeffizienz als wichtiges Planungskriterium findet verstärkt in der Raumplanung Eingang, ebenso wie umweltverträgliche Stoffflüsse und nachhaltige Ressourcenplanung. Mindestens so wichtig sind für den Klimafonds intelligente, multimodale Verkehrskonzepte, »denn das Bedürfnis nach Mobilität ist ungebrochen. Hier sind Konzepte gefragt, die weg vom Besitz und hin zur Nutzung gehen.« Mit dem Programm Complete Mobility schafft Siemens integrierte Transport- und Logistiklösungen für einen sicheren, wirtschaftlichen und umweltgerechten Personen- und Güterverkehr. Verkehrsströme lassen sich auch über eine intermodale Verkehrssteuerung synchronisieren. Intelligente Stadtinfrastruktur bildet die zentralen Infrastrukturthemen der Zukunft. Den Energiemix wird es laut AIT zwar weiter geben. Durch innovative Regelungsstrategien werden Gebäude künftig aber verstärkt zur Lastverschiebung genutzt, wodurch teure Lastspitzen in den Morgen- und Abendstunden vermieden werden können. »Das Energiesystem von morgen ist heterogen, es muss adaptiv und resilient sein«, stellt Österreicher klar. Dazu betreiben Institutionen und Unternehmen österreichweit Forschungsarbeiten. Denn: EinwohnerInnen und Unternehmen in der Stadt müssen das Konzept der Nachhaltigkeit akzeptieren und leben. Ohne deren aktive Partizipation wird die nachhaltige Stadt nicht existieren können.
>> Emissionen: CO2-Schleuder Stadt
Gebäude sind laut internationaler Energieagentur als Sektor der größte Energieverbraucher. »Es wird mehr über andere Verbraucher gesprochen, weil die deutlich stärker wachsen, z.B. die Mobilität. Energieverbrauch im Gebäude nimmt jeder als selbstverständlich hin«, bedauert Kerschbaumer. Städte produzieren 70 Prozent der CO2-Emissionen und verbrauchen 60 Prozent der Wasserressourcen – und das bei einem Flächenbedarf von nur 2 Prozent.
>> Smart Energy
Ziel: Zero Emission City
Die Vision des Klima- und Energiefonds für das Programm Smart Energy Demo – FIT for SET ist die erstmalige Umsetzung einer Smart City oder einer Smart Urban Region, also eines Stadtteils, einer Siedlung oder einer urbanen Region in Österreich, die sich durch den Einsatz intelligenter grüner Technologien zu einer Zero Emission City oder Urban Region entwickelt und in der Nachhaltigkeit gelebt wird. Der besondere Schwerpunkt liegt auf vorwiegend urbanen Demonstrationsprojekten, in denen bestehende bzw. bereits weitgehend ausgereifte Technologien und Systeme zu interagierenden Gesamtsystemen integriert werden.