Griechenland gerettet – weiter im Bullen-Takt? Featured
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Das griechische Parlament hat gestern dem Spardiktat der Troika zugestimmt und damit die entscheidende Hürde auf dem Weg zur Freigabe von weiteren Hilfsmitteln und einem neuen, internationalen Hilfspaket genommen. Die Regierung in Griechenland will mit Einschnitten im Haushalt und bei den Renten, sowie einer Absenkung des Mindestlohns bis 2015 rund 14 Mrd. Euro sparen. Allein in diesem Jahr sollen es 3,3 Mrd. Euro sein. Man darf gespannt sein, ob die Sparbeschlüsse dieses Mal das Papier wert sind, auf dem sie stehen, denn bisher wurden die Sparvorgaben nur –sagen wir es vorsichtig- sehr unvollkommen umgesetzt.
Am Samstagabend hatte der Übergangs-Ministerpräsident Papademos in einer Fernsehansprache noch vor den Konsequenzen gewarnt, wenn es keine frischen Hilfsgelder gibt: „Eine ungeordnete Insolvenz wäre für das Land ein Abenteuer, das in der Katastrophe endet. Sie würde unkontrollierbares wirtschaftliches Chaos erzeugen und die Gesellschaft zusammenbrechen lassen.“ Ob es mit dem Spardiktat kein wirtschaftliches Chaos gibt, ist noch nicht ausgemacht. Ein politisches jedenfalls gibt es jetzt schon – abzulesen an den Tumulten in Athen am Wochenende. Wobei die Demonstranten in einer ruhigen Stunde überlegen sollten, ihre Empörung nicht nur gegen die auswärtige Politik, sondern auch gegen ihre eigene politische Kaste zu richten. Die hat der griechischen Bevölkerung mit Lügen, Vetternwirtschaft, Unfähigkeit und Nichtstun die Suppe schließlich eingebrockt.
So ganz scheinen die Griechen jedenfalls (noch) nicht zu glauben, dass Papademos in Aussicht gestellt hat, die griechische Wirtschaft könnte in zwei Jahren wieder wachsen. Er sagte in derselben Ansprache: „Wenn wir das Programm umsetzen, können wir erwarten, dass es ab 2013 zu einer wirtschaftlichen Erholung und Wachstumsraten zwischen 2,5 und 3 Prozent in den Jahren 2014 und 2015 kommt.“
Status quo: Das Land steht mit dem Rücken an der Wand – am 20. März müssen Altschulden in Höhe von 14,5 Mrd. Euro getilgt werden. Mitte der Woche wollen die Eurozonen-Finanzminister, um darüber zu beraten, ob Hilfsgelder frei gegeben werden. Eine wichtige Bedingung ist dabei auch, dass sich die privaten Schuldner auf einen Schuldenschnitt von etwa 70% verständigen und so die Schuldenlast des Landes um nominal 100 Mrd. Euro senken. Es darf also noch ein wenig herumgezittert werden, obwohl kaum jemand daran zweifelt, dass man das Land jetzt nicht pleite gehen lassen wird.
Die Betonung liegt auf “jetzt nicht“. Erstens hat nämlich der Vorsitzende der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, der wahrscheinlich im April neuer Ministerpräsident wird, bereits angekündigt, dass nach den Wahlen neu verhandelt werden soll. Und zweitens berichtet Eurointelligence, nach „Der Spiegel“ hätten Merkel und Schäuble nun (endlich) realisiert, dass die bisher verfolgte Griechenland-Strategie nicht erfolgreich sein wird. Beide sind aber in ihren früheren (Fehl-)Entscheidungen gefangen. Sie hätten sich entschieden, das Land nicht aus der Eurozone zu werfen, weil die Konsequenzen unkalkulierbar sind. Nach „Spiegel“ könnte ein Plan B darin bestehen, das Land demnächst innerhalb der Eurozone pleite gehen zu lassen. Dabei möchten beide jedoch den Eindruck vermeiden, Deutschland sei die treibende Kraft.
Wolfgang Münchau schreibt heute in der FT, die Eurozone habe nichts aus Finanzkrisen anderer Länder gelernt und wiederhole deren Fehler. Er sagt, in drei bis sechs Monaten hätten wir in Griechenland die gleiche Situation wie zuletzt mit neuen Haircuts usw. Eine tragfähige Schuldenquote per 2020 seit nicht, wie angestrebt 120%, sondern 60%. Zudem würde nun Portugal ins Visier genommen, spätestens aber dann, wenn sich die Lage in Griechenland erneut zuspitzt. Das beste sei, jetzt einen Default beider Länder innerhalb der Eurozone zu organisieren und die übrigen Länder vor den Konsequenzen abzuschirmen.
Das Ifo-Institut hat ausgerechnet, dass im Falle eines 100%-igen Defaults von Griechenland bis zu 71,7 Mrd. Euro Belastungen auf Deutschland zukommen. Auch die jetzt wohl kommende Beteiligung von Banken und Versicherungen an der Rettung Griechenlands bleibt nach Berechnungen des Kieler Instituts für Wirtschaftsforschung (IfW) zu einem großen Teil am Steuerzahler hängen. Zwar soll der Forderungsverzicht staatliche Geldgeber nicht treffen, aber indirekt könnten dennoch Belastungen von mehr als 25 Mrd. Euro beim deutschen Steuerzahler landen.
Damit ist nach der Rettung Griechenlands in Kürze wieder vor der Rettung.
Die vorläufige Lösung der Griechenland-Krise dürfte nun dazu führen, dass die „Märkte“ ihren Fokus weg von Hoffnungen auf Lösung der Schuldenkrise und hin zur Realität richten werden. Dabei war und ist wohl niemand so naiv, ernsthaft zu glauben, die Liquiditätsflut der EZB könne die Ursachen der Schuldenkrise beheben. Aber die Kursentwicklung bei Aktien seit Jahresbeginn hat gezeigt, dass eine genügende Anzahl von Akteuren glaubt, dass sie Zeit verschafft. Und dass es sich lohnt, die Zeit zu nutzen für ein paar Schnäppchen. Der Zeithorizont bei der Aktienanlage ist seit dem offenen Ausbruch der Finanzkrise 2008 nochmals kürzer geworden, die durchschnittliche Haltedauer bei US-Aktien liegt mittlerweile unter einer Minute. Da lassen sich immer weniger von der Frage leiten, was in ein paar Wochen ist.
Oder haben sich die Zeiten geändert und mit dem starken Jahresauftakt hat ein struktureller Bull-Markt bei Aktien begonnen? Das ist unwahrscheinlich.
Da ist zunächst das altbekannte Thema „Deleveraging“. Wie der nachfolgende Chart zeigt, hat das gerade erst begonnen. Die spannende Frage ist natürlich, wo geht die Korrektur der privaten Schuldenquote noch hin? Am Beispiel USA: 175% ist der halbe Weg zwischen dem Tief bei 50% Mitte der 1940er Jahre und dem Hoch in 2007 bei 300%. Das wäre etwa das Niveau um 1990 – immer noch hoch, aber vermutlich zumindest eine gewisse Zeit tragbar. Wahrscheinlich wird die Liquiditätsflut der Fed jedoch dazu führen, dass mit der Korrektur vorher Schluss ist. Das dürfte bei rund 200% der Fall sein – noch ein ordentliches Stück des Wegs von den aktuellen 260% aus.
Weiter ist da die bisher in den USA unterdurchschnittlich verlaufende Quartalssaison. Einerseits liegt die sogenannte „Beat-Rate“ mit gut 60% unter dem historischen Mittelwert bei 70%. Zum anderen sind in den zurückliegenden Monaten die für 2012 erwarteten US-Unternehmensgewinne deutlich nach unten revidiert worden (siehe Chart!). Gleichzeitig hat das US-BIP im vierten Quartal eine deutlich schwächere Konsumentwicklung als von den Unternehmen erhofft gebracht, wie sich im deutlichen Lageraufbau gezeigt hat. Dies sind nicht die besten Vorboten für die weitere Makroentwicklung in den USA, der auch die Fed mit einer weiteren Reduktion ihrer Prognosen Rechnung getragen hat.
Eine flaue Entwicklung der US-Konjunktur ist gerade angesichts der noch schwächeren Entwicklung der Schuldenkrisen-geplagten Eurozone nicht gerade das, was jetzt in Europa „hilfreich“ wäre.
Dann kommt dazu, dass politische Krisen in Nah-Ost drohen. Wenn hieraus ein Ölpreisschock resultiert, wäre die Konjunkturdynamik mit Sicherheit zu schwach, um diesen zu verkraften.
Und schließlich ist da China, die „Lokomotive der Weltwirtschaft“: Der IWF hat jetzt seine Wachstumsprognose für China für das laufende Jahr von zuvor 9 auf 8,25% gesenkt. Das wird begründet mit den schwächeren Exportaussichten in einer eingetrübten Weltwirtschaft. Im vergangenen Jahr war das BIP noch um 9,2% angewachsen.
Das sind Belastungsfaktoren genug, die aus meiner Sicht nicht dafür sprechen, dass schon der strategische Bulle von der Leine ist. Ich gehe eher davon aus, dass wir weiter in einer typischen „Risk on“ – „Risk off“ Situation bleiben, in der schnell und kurzatmig auf aktuelle Entwicklungen reagiert wird. Auf kurze Sicht ist die Wahrscheinlichkeit eines Pullbacks bei Aktien hoch. Die von mir beobachteten Marktindikatoren zeigen ein deutlich abnehmendes bullisches Bild (siehe Chart!).
Ein wesentlicher Faktor ist und bleibt die Liquiditätsflut der Notenbanken. Bei der EZB stellt sich das gegenwärtig so dar: Die EZB-Bilanz hat sich in den zurückliegenden sechs Monaten um nahezu 50% auf aktuell 2,66 Bill. Euro verlängert (siehe Chart!). Die Bilanzsummen der 17 nationalen Zentralbanken der Eurozone kommen jetzt auf 1,7 Bill. Euro – macht zusammen 4,4 Bill. Euro. Und es geht weiter: Die Anforderungen an die Qualität von Sicherheiten darf jetzt von jeder nationalen Eurozonen-Zentralbank selbst angepasst werden – das zündet die nächste Stufe der Bilanzverlängerung. Hinzu kommt zum Monatsende der nächste LTRO, bei dem man damit rechnet, dass europäische Banken um bis zu einer Billion Euro an Krediten anstehen.
Die Bilanz der Fed nimmt sich dagegen richtig bescheiden aus. Aber ich bin mir sicher, sie wird bald nachziehen…
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