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Print it black

Intellektuelle wehklagen, Zeitungsbarone erbleichen, Qualitätsjournalisten liegen wimmernd in der Ecke: Ist mit dem Internet jetzt tatsächlich das Ende von Print gekommen? Ein Praxisvergleich von Rainer Sigl.

Das Internet macht unsere Kultur kaputt! In zahlreichen Zeitungen, Magazinen und Proseminararbeiten von Seniorstudenten wird händeringend vor dem Untergang unserer Demokratien, unserer Kultur, ja, des ganzen Abendlandes gewarnt. Es werde schlicht unmöglich, schluchzten etwa vor kurzem einige große Printfürsten von Springer bis Spiegel, hochqualitativen, unbestechlichen und gewohnt objektiven Qualitätsjournalismus zu betreiben, wenn im Netz dann alle alles gratis haben wollen und sich unverschämte Amateure anmaßen, auf ihren eigenen MySpace-Seiten und Blogs frech zu schreiben, was ihnen gerade an Laienmeinung in den Sinn kommt. Wo kämen wir denn da hin, wenn all die Strapazen plötzlich nichts mehr wert wären, die echte Qualitätsjournalisten in Jahren der Recherche ihrer Psyche, ihrem Körper und besonders ihrer Leber angetan hätten? Derartige Schwarzarbeit ruiniert unsere Wirtschaft noch zusätzlich, doch leider bleibt das Bildungsministerium beharrlich bei seinem infamen Plan, jedem dahergelaufenen Schüler neben dem wichtigen Lesen unbedingt auch das Schreiben beizubringen, ein Schlag ins Gesicht aller Professionisten, die sich nur mit den jährlichen PISA-Ergebnissen trösten können.
Wir sagen trotzdem: Keine Panik! Der Report PLUS unterwarf Internet und Printprodukte einem gnadenlosen Praxistest, und unser hoffnungsfrohes Fazit, so viel sei schon vorweggenommen, lautet: Es ist alles halb so schlimm.

Test 1: In der Vorbereitungsphase zeigen sich Internet und Print vorerst als gleichwertig. Um die Morgenzeitung hereinzuholen, ist man gezwungen, den bereits in aller Herrgottsfrüh unmenschlich munteren Nachbarn samt Kindern die alltägliche Katastrophe zu präsentieren, die Zeugenberichten zufolge unser Gesicht nach mehreren Stunden wohlverdienten Nachtschlafs darstellt – Punktabzug. Doch sogleich steht’s unentschieden: Obwohl es dem Netz ja angeblich völlig egal sein soll, ob man lästige Details der Etikette wie das Anziehen der Unterhose vor dem ersten Kaffee bereits erledigt hat oder nicht, offenbart sich dies als Scheinvorteil – wenn die Gattin nämlich, wie wir mit Bitterkeit und Groll feststellen müssen, am Vorabend vergessen hat, die Webcam abzustellen. Anonymität im Netz – schön wär’s! 0:0.

Test 2: Beim Frühstück selbst zeigen sich vorerst die klaren Vorteile von Print: Die Zeitung zeigt sich relativ robust gegenüber Orangensaft, Kaffee und Marmeladeflecken, das Notebook der Gattin hingegen trumpft mit einem praktischen Accessoire auf, das das Printprodukt leider alt aussehen lässt: Auf Knopfdruck lässt sich an der Längsseite des Rechners ein Getränkehalter ausfahren – perfekt für eine Tasse Espresso. Die Feuerbeständigkeit der Zeitung hingegen, sofern sie zuvor ordnungsgemäß mit Kaffee, Orangensaft und Marmelade behandelt wurde, entspricht in etwa der eines LCD-Schirms. Der angebliche Nachteil der Zeitung, dass nicht sofort zu jedem Artikel der eigene Senf hinzugefügt werden kann, verflüchtigt sich aber in Anbetracht jener Zeitgenossen, die dies im Internet offenbar bereits getan haben: Wer das Lesen von User-Postings mancher Online-Zeitungen ohne geistige Zerrüttung oder den Verlust des Glaubens an das Gute im Menschen auf nüchternen Magen übersteht, muss neidlos die Leserbriefseiten des Kleinformats als sorgfältig redigierte Auswahl kultiviertester Intellektuellendebattierkunst würdigen. Ein weiterer Punkt für Print also. 3:2.

Test 3: Beim Lesen bei der alltäglichen Morgenandacht auf der Toilette stellt sich Print aber endgültig als Sieger he­raus: Die aus dem Klotürspalt herausragenden Kabel des Laptops führen zu unzumutbaren Belastungen der Mitbewohner, was durch das Googeln nach »Scheidungsanwalt« oder »Industrial Strength Toilet Perfume« nur bedingt gelindert wird. Im entscheidenden Moment aber holt Print den Pokal: Wer einmal die Wahl zwischen dem praktischen Kleinformat, zweilagig, und einem so aber überhaupt gar nicht saugstarken Netbook hatte, der weiß, dass Printprodukte die Konkurrenz des Internets auch in Zukunft nicht zu fürchten haben.
Print – Internet: 4:2. Unser Fazit: Print kann aufatmen – das mit dem Internet wird sich nicht durchsetzen. Genauso wie das mit den Hula-Hoop-Reifen damals.

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