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Kommt der Grexit? Featured

„Grexit“, die neue Wortschöpfung für einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone. 50% der Banker halten ihn mittlerweile für wahrscheinlich.

Analysten der Londoner City drängen darauf, die Firewall (aus Papier-Geld) des Stabilisierungsfonds EFSF/ESM von aktuell rund 500 Mrd. Euro massiv zu erhöhen. Um Spanien, Italien und Belgien für drei Jahre vom Kapitalmarkt nehmen und die Hilfsprogramme für Portugal und Irland weitere drei Jahre fortführen zu können, muss der ESM auf eine Bill. Euro verdoppelt werden, heißt es.

Zudem muss die EZB ein weiteres Liquiditätsprogramm starten, damit die Gefahr von Kapitalflucht aus Spanien und Italien eingedämmt, die Banken in den PIIGS mit Liquidität ausgestattet und die Kreditvergabe an die Wirtschaft gewährleistet wird. Außerdem muss die EZB die Anforderungen an Sicherheiten weiter senken. Die hoch schießenden Target2-Salden muss sie akzeptieren, auch von der Bundesbank wird das erwartet.

Das liest sich wie der Maximal-Wunschzettel von Liquiditäts-Junkies, dabei ist noch gar nicht Weihnachten – eine Grußadresse von dem Finanzplatz, der weltweit die risikoreichsten Geschäfte betreibt.

Da nimmt sich die Vorstellung des scheidenden Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Thomas Mayer, geradezu bescheiden aus. Er plädiert für eine griechische Parallelwährung zum Euro, den „Geuro“. Er soll höchstens halb so viel wert sein wie der Euro.

Die Deutsche Bank will im Falles eines „Grexits“ auch das Kapital der Europäischen Investitionsbank erhöht und die Einführung Eurobonds beschleunigt sehen. Zudem soll der EFSF/ESM Banken direkt finanzieren können, auch eine Banklizenz könnte sinnvoll sein. Ein europaweites Einlagensicherungssystem könnte die Gefahr von Bank-Runs eindämmen, schreibt die Bank.

Und JP Morgan meint, die EZB müsse ESM-Anleihen kaufen, damit dieser Italien und Spanien stützen kann.

Nach Vorstellungen von Banken der Londoner City müsste die EZB bei einem geordneten Grexit die griechischen Banken weiter mit Liquidität versorgen, ESM und IWF müssten das Land weiter finanzieren. Zudem müsste der EFSF/ESM die griechischen Banken rekapitalisieren. Immer schon weiter zahlen…

Die Citibank hält einen Grexit innerhalb der nächsten beiden Jahre zu mehr als 70% für wahrscheinlich. Ihr Szenario: Die neue griechische Währung würde sofort um 50 bis 60% gegen den Euro abstürzen und auf diesem Niveau in den folgenden fünf Jahren bleiben. Griechenland wird bei einem Exit sofort alle Zinszahlungen auf Staatsschulden einstellen, diese würden aber nicht abgewertet oder auf Null gestellt, weil das Land dann eine Chance hätte, an Hilfsprogramme der Eurozone und des IWF heranzukommen. Mit der schwachen Währung und den meisten Staatsschulden in Euro lautend, steigt die BIP-Schuldenquote auf etwa 400%. Eventuell könnte es zwei bis drei Jahre nach dem Exit zu einer Restrukturierung der Schulden kommen, um die Schuldenquote dem europäischen Durchschnitt von dann ungefähr 95% anzunähern. Das würde zu hohen Abschreibungen bei den Kreditoren führen, wahrscheinlich müssten sich dann auch die öffentlichen Darlehensgeber beteiligen. Im Jahr eins nach dem Exit dürfte das BIP um etwa 10% fallen. Es könnte dann ab dem dritten Jahr nach dem Exit wieder um vier bis fünf Prozent pro Jahr steigen, wenn die verbesserte Wettbewerbsfähigkeit die Exporte neu belebt und den Tourismus ankurbelt.

Der weltweite Markt für auf Zinsen basierenden Derivaten ist fast 200 Bill. Dollar groß. 2008 brachte der CDS-Teil des Derivatemarktes die Finanzwelt an den Abgrund, dabei ging es „nur“ um ein Volumen von 50 bis 60 Bill. Dollar. Das gesamte Volumen des Derivatemarkts liegt aktuell bei rund 700 Bill. Dollar, mehr als dem zehnfachen des Welt-BIP. Ich habe den Zins-Teil des Derivatemarktes herausgegriffen, weil der vermutlich im Zentrum stehen würde, wenn es zu einem Grexit kommt. (Eine Übersicht über die Entwicklung des Derivatemarktes bis Mitte 2011 findet sich hier).

Bei all den Katastrophen-Szenarien mag man einwenden, die Finanzwelt hatte lange genug Zeit, Vorkehrungen zu treffen. Der Blick zurück zu „Lehman“ zeigt jedoch, dass die Zeit damals entweder nicht genutzt wurde oder die vorsorglich ergriffenen Maßnahmen nicht wirkten. Die damals fünftgrößte US-Investmentbank Bear Stearns wurde im März 2008 illiquide, nachdem ein Jahr zuvor schon Immobilienfonds der Bank aufgelöst werden mussten. Erst Monate später, im September 2008, brach Lehman zusammen. Eigentlich Zeit genug, sich vorzubereiten.

Vielleicht reicht aber auch keine Zeit der Welt aus, um sich vorzubereiten, weil der Derivatemarkt in höchstem Maße intransparent ist. Daher ist die Gefahr von Kettenreaktionen hier auch sehr hoch. Das einzige Mittel, sich vorzubereiten, wäre dann, die Ausrichtung auf diesen Markt abzubauen. Davon kann jedoch keine Rede sein – ganz im Gegenteil, der Markt hat sich seit 2008 wieder “prächtig” entwickelt. Und wer will auch schon gerne auf ein lukratives Geschäft verzichten – rechnen Sie nur mal aus, was bei einer Bank-Provision von einem Prozent verdient wird.

Grexit? Die Gefahr von chaotischen Reaktionen auf einen solchen Fall ist sehr hoch angesichts des hohen Engagements der Bank im Derivatemarkt. Ich glaube aber nicht, dass es zumindest in den nächsten 12 Monaten einen Grexit geben wird. Warum? Die Eurokraten in Brüssel und anderswo werden trotz anderslautendem Getöne alles tun, um ihn zu vermeiden. Nicht weil sie Helden sind, die gerne das Heft des Handelns in der Hand haben. Dann hätten sie längst Mittel und Wege gefunden, das Problem “Griechenland” an der Wurzel zu packen.

Diese, unsere „Helden“ ließen sich lange treiben und sind nun längst Getriebene der “Märkte”, auf die sie stets hinweisen, wenn sie irgendwelche Maßnahmen ergreifen. Griechenland in der Eurozone ist nach wie vor das perfekte permanente Droh-Szenario, gerichtet an Brüssel und v.a. die EZB. Und wer nutzt dieses „Droh-Szenrio“? Sagen wir mal diplomatisch, die „Märkte“. Griechenland wird noch gebraucht, damit der obige Wunschzettel in Erfüllung geht.

Quelle: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/2012/05/25/kommt-der-grexit/



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