Der Gast als König
- Written by Redaktion_Report
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Der Trend im Tourismus geht klar in Richtung Qualität. Urlaubsgäste schauen mehr als bisher aufs Geld und werden gleichzeitig anspruchsvoller. Ohne eigenen Spa-Bereich läuft in der gehobenen Hotellerie gar nichts.
Whirlpool, Massage, Kosmetikprogramm, Nordic-Walking-Kurs und Fahrradverleih – so lebt sich’s als Tourist in Österreich. Und die Gäste lassen sich auch gerne verwöhnen: Wellness- und Gesundheitsangebote gehören in der gehobenen Hotellerie in Österreich bereits längst zum selbstverständlichen Standard. Neun von zehn Hotels der 4-, 4+- und 5-Sterne-Kategorie bieten beides.
Nach einer Studie des Beratungsunternehmens W&D Consulting zu »Trends in der gehobenen Hotellerie« sind eigene Spa-Bereiche (85 % der befragten Betriebe) und die dazu gehörigen Massageangebote
(73 %) inzwischen selbstverständlich. Mehr als die Hälfte der Hotels verfügt außerdem über ein eigenes Fitnesscenter, 48 % punkten mit Kosmetik- und Diät-Programmen. Weitere Zuckerl sind der Verleih von Fahrrädern (39 %), geführte Wanderungen und Nordic-Walking-Kurse (28 %).
Wer neue Gäste anlocken möchte, muss sich schon etwas Besonderes einfallen lassen. »Bis vor fünf oder zehn Jahren war das Vorhandensein eines Spa-Bereichs noch ein wichtiges Differenzierungsmerkmal. Heute ist dieser praktisch selbstverständlich, es geht nur mehr um die Größe und die qualitative Ausstattung«, sagt W&D-Geschäftsführer Julius Dem.
Kurz und sparsam
Die Touristen achten mehr auf Qualität – und auf den Preis. Auch sonst haben Feriengäste ihr Verhalten grundlegend geändert. Der große Urlaub, der mindestens ein halbes Jahr vorher gebucht wird, ist Geschichte. Die Reservierungen erfolgen zunehmend online und immer kurzfristiger. Die Gäste bleiben kürzer, das verlängerte Wochenende löst die klassische Ferienwoche ab. 40 % der Hoteliers beobachten diesen Rückgang der Aufenthaltsdauer. Was noch schmerzlicher ist: Auch die Tagesausgaben sind rückläufig.
Für Tourismusbetriebe, die über wenig Eigenkapital verfügen, wird es unter diesen Bedingungen immer schwieriger, am Ball zu bleiben. 40 % der Unternehmer müssten laut Wirtschaftskammer bereits wieder investieren, denn auch der schönste Wellnessbereich ist nach 20 Jahren nicht mehr einladend und Hotelzimmer sind nach spätestens 15 Jahren abgewohnt. Im Rahmen des Konjunkturpakets der Bundesregierung wird deshalb eine spezielle Förderung für Tourismusbetriebe ausgeschüttet. Die Resonanz ist groß und zeigt den großen Bedarf an Modernisierung, wenn auch vielfach eine klare Positionierung fehlt. Nur ein Viertel der für die W&D-Studie befragten Hoteliers gab an, in den letzten Jahren aufgrund aktueller Trends Veränderungen vorgenommen zu haben.
Angesichts der düsteren Erwartungen infolge der Wirtschaftskrise fällt die Bilanz für das vergangene Jahr dennoch recht erfreulich aus. 69 % der österreichischen Tourismus- und Freizeitbetriebe beurteilen zumindest die Sommersaison 2009 rückblickend positiv. »Für die Wintersaison 2009/2010 erwarten die Betriebe einen guten Verlauf – wenn auch mit Abstrichen«, sagt Hans Schenner, Obmann der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich. Der Trend zum Kurzurlaub ist stärker denn je: »Die Wochenendurlaube machen diesen Winter fast 40 % unserer Buchungen aus«, sagt Tiscover-Geschäftsführer Matthias Grundböck.
Damit scheint die Krise ohne die befürchteten dramatischen Einbrüche weitgehend überstanden. Für mehr als 50 % der Tiscover-Nutzer war 2009 der Preis für die Wahl der Unterkunft ohnehin nicht ausschlaggebend. Das größte Wachstum kommt vom wichtigen deutschen Markt. Die Buchungen deutscher Gäste stiegen mit plus 15 % wieder kräftig an. Auch der Anteil der Buchungen aus Zentral- und Osteuropa legte in der bisherigen Wintersaison deutlich zu.
Outdoor in der Stadt
Skepsis zeigen, so Tourismus-Obmann Schenner, aber vor allem noch Betriebe im Osten Österreichs sowie in den Städten. Möglicherweise muss auch hier ein neues Tourismuskonzept entwickelt werden, das einem Trend entspricht, den Zukunftsforscher Matthias Horx als »urbanen Eskapismus« bezeichnet. Wanderwege durch New York, Kajak in Kopenhagen, Langlaufen in Helsinki, Klettern zwischen Hochhäusern oder Fischen am Kanal – was irrwitzig klingt, ist die »Flucht der Städter hin zum Naturerlebnis«, meint Horx. Und zwar möglichst, ohne die Stadt verlassen zu müssen.
Die Sehnsucht nach Outdoor-Feeling ist groß. Das spiegelt sich auch in der Mode wider. Der moderne Stadtindianer trägt Funktionskleidung, auch im Büro. »Der Anblick des Bankers mit Gore-Tex-Regenjacke über dem Anzug und Laptop-Radtasche verwundert kaum noch«, so Horx. Stattdessen erobern Textilien für Extrembergsteiger den Laufsteg und Luxus-Modelabels wie Prada oder Gucci. Ebenfalls unverzichtbar für U-Bahn-Nomaden: Survival-Tools aller Art, wie zum Beispiel garantiert tropfdicht verschließbare Trinkbecher aus der Camping-Abteilung oder Multifunktionswerkzeuge, gegen die ein klassisches Taschenmesser wie ein Relikt aus der Steinzeit aussieht. Schließlich weiß man ja nie, was einen im Großstadtdschungel erwartet.
Exkurs:
Hightech im Hotelzimmer
>> Im Future HotelroomLab, einem gemeinsamen Projekt von ÖHV Touristik Service und Krems Research, werden innovative Hotelprodukte vorab unter realistischen Bedingungen auf Funktionalität getestet.
>> Ein Hotelzimmer im Labor? Kein Aprilscherz. In einem realistischen Nachbau eines Hotelzimmers der gehobenen Kategorie prüfen Testpersonen unter kontrollierten Laborbedingungen neueste technische Errungenschaften auf Herz und Nieren. »Wir decken hier das gesamte Spektrum jener Produkte ab, die in Hotelzimmern zum Einsatz kommen«, sagt Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer von ÖHV Touristik Service.
>> Die Wirkung von Beleuchtungskonzepten wird im Future HotelroomLab ebenso erforscht wie die Funktionalität von Möbelstücken oder berührungslose Zutrittssysteme. Testpersonen bewerten die Produkte, Wissenschafter werten die Ergebnisse empirisch aus. »Unser Verfahren liefert dem jeweiligen Hersteller Informationen zum Status quo hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit und gibt Empfehlungen zur Optimierung des Produktes«, sagt Hans Lichtenwagner, Geschäftsführer von Krems Research.
Bei Bestehen der Tests verleiht die ÖHV ein Qualitätssiegel, das Hoteliers Sicherheit bieten soll. Immerhin betragen die Einrichtungskosten für ein 4-Sterne-Standardzimmer 10.000 Euro aufwärts. »Bei einer Durchschnittsgröße von 55 Zimmern sind das Großinvestitionen«, meint Reisenzahn.
>> Als erstes Produkt wurde das IPTV-System von Kapsch einer Prüfung im Future HotelroomLab unterzogen. Dieses TV-System bietet Pay-TV, Video on Demand sowie Information und Interaktion auf Internetbasis. Die ständige Aufzeichnung des TV-Programms ermöglicht den Gästen, Sendungen zeitversetzt zu sehen. Daneben können Service-Angebote des Hotels, etwa Massage oder Wellness, über IPTV gebucht werden. Auch der Einkauf im Hotelshop oder das Auschecken sind via Fernseher möglich. Die Probanden bewerteten das System vor allem wegen der einfachen Bedienung durchwegs positiv. Das Feedback wird Kapsch in die Verbesserung des Produktes einfließen lassen