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Grünes Jobwunder

Durch »Green Jobs« soll Österreich zukunftsfit werden. Wie erfolgreich die politischen Ambitionen sind, wo Industrie und Exportwirtschaft tatsächlich punkten. 

 

An der »Klimafront« herrscht Kampfgetümmel. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest, wenn große Online-Portale wie »Spiegel« oder »Standard« eine Meldung zum Thema Klimaschutz oder Erderwärmung bringen. Wie auf Knopfdruck füllen sich dann die Foren mit hunderten Beiträgen von »Meteo­rologen« und »Klimaforschern«, die mit erstaunlicher Ausdauer und Sendungsbewusstsein argumentativ übereinander herfallen. Filtert man die gröbsten Dümmlichkeiten, Forentrolle und Lobbyisten aus, bleibt nach der Lektüre solcher Verbalschlachten vor allem ein Eindruck: Die Menschen sind verunsichert. Das dürfte auch daran liegen, dass Klimapolitik ein kompliziertes Minenfeld ist. Offensichtlich herrscht zwar Handlungsbedarf, aber die pompös inszenierten Klimagipfel vermitteln ein Bild des Jammers: Entweder scheitern sie schon im Vorfeld, oder die Bewegung ist maximal in Trippelschritten zu messen. Die »Weltgemeinschaft« leidet an denselben Symptomen wie eine österreichische Landeshauptleute-Konferenz. Der Blick auf den großen Wurf oder das Ganze geht nicht selten durch Machtspiele und Partikularinteressen verloren. Aber wie Landeshauptleute agieren auch Staaten bisweilen pragmatisch.

Barack Obama möchte die USA vom Öko-Saulus zum Umwelt-Paulus transformieren und setzt nur das fort, was unter – lässt man Details beiseite – Vorgänger George Bush begonnen wurde. Die USA sollen ihre Energieunabhängigkeit stärken und ihre gleichzeitige Position im industriellen Öko-Business ausbauen. China wird die USA in wenigen Jahren als größter Energieverbraucher ablösen und leidet unter dramatischen Umweltproblemen. Aber die Führung in Peking tut auch etwas. Gerade eben geht in Jiuquan ein einziger Windpark ans Netz, der ungefähr so viel Energie liefert wie alle Windparks in Deutschland zusammen. Bis 2020 sollen gar 120 GW aus Windkraft gewonnen werden. Klotzen statt kleckern heißt es auch bei der Photovoltaik. Die europäischen Produzenten von Solarmodulen litten zuletzt nicht nur unter der Krise, sondern auch der zunehmenden Konkurrenz aus Fernost. Eine Kehrtwende vollzog auch das alte Industrieland Japan, das 2009 die »Hatoyama-Initiative«“ ausrief, um den eigenen CO2-Ausstoß drastisch zu senken. Der damalige Regierungschef Yukio Hatoyama ist schon Geschichte, was bleibt, ist wohl die Idee dahinter.

Österreichische Pläne

Ganz uneigennützig spielte Japan den CO2-Vorreiter sicher nicht. Gleichzeitig wurde verkündet, man wolle den Entwicklungsländern mit Technologie und Investitionen beim Klimaschutz helfen. Mit anderen Worten: Es geht ums Geschäft. Und das dürfte auf Jahrzehnte hinweg boomen. Im Windschatten von China explodiert auch im bevölkerungsreichen Indien oder dynamischen Schwellenländern wie Brasilien der CO2-Ausstoß. Die Verheiratung von Öko und Wirtschaft hat einen gewissen Charme und ist auch in Österreich angekommen. »Gerade in der Wirtschaftskrise hat sich gezeigt, dass in den Green Jobs ein unglaubliches Wirtschaftspotenzial steckt«, sagte Lebensminister Niki Berlakovich bei der Vorstellung seines Masterplans (siehe Kasten). Mit Rufzeichen war die entsprechende Pressemeldung so wenig knausrig wie die »Kronen Zeitung«: Ökonomie und Ökologie schließen sich nicht mehr aus! Und der Anglizismus »Green Jobs« als Programmtitel – das Copyright liegt wahrscheinlich bei Barack Obama – musste wohl auch sein. Bis 2020 sollen im Umweltbereich zu den bereits bestehenden 185.000 Arbeitsplätzen zusätzlich 100.000 neue geschaffen werden.

Die Eckdaten des Vorhabens: Im Fokus der Bemühungen stehen die Branchen Land- und Forstwirtschaft, Umwelttechnik und Tourismus. Weiters sollen die für Österreich wichtigen KMU  bei der Internationalisierung unterstützt werden. Durch Forcierung der Exportförderung sollen etwa 6.000 neue Jobs entstehen, weitere 6.500 durch Forcierung von Biomasse, gar 31.000 durch die thermische Sanierung. Ebenfalls am Plan steht eine Ökologisierung des Steuersystems. Bei sich selbst will die Republik mit nachhaltiger öffentlicher Beschaffung mit gutem Beispiel vorangehen und so Wirtschaftsimpulse setzen. Abgestützt werden soll der Masterplan aber auch durch Bündelung von Interessen. So sollen etwa die rund 60 unterschiedlichen Plattformen, die sich mit Umwelttechnologie befassen, stärker vernetzt werden. Und während die Wirtschaftskammer in die Exportoffensive eingebunden ist,  soll das Arbeitsmarktservice (AMS) mit Programmen wie »klima:aktiv« für Nachschub an qualifizierten Arbeitskräften sorgen.

Masterplan oder Desasterplan?

Ohne Forschung und Entwicklung wird Österreich seinen Platz als Technologie-Exporteur nicht halten können. Darum sieht der Masterplan auch eine Vertiefung der Kooperation zwischen Unternehmen, Universitäten und Schulen vor.  Selbst »Kinder und Jugend« sollen für Umwelttechnik mobilisiert werden. Das klingt ein bisschen wolkig und nach Mobilisierung der letzten Kräfte. So ruft der Masterplan Berlakovichs auch Kritiker auf den Plan. »Die Debatte um Green Jobs verläuft bislang eher diffus und ohne konkrete Handlungsoptionen«, meint etwa Dieter Drexel, Umweltexperte der Industriellenvereinigung (IV). Eine Aufteilung der Wirtschaft in »Grün« und »Nicht-Grün« sei kein Konzept, es gehe darum, die gesamte Wirtschaft einem »Greening« zu unterziehen. Eine Aufteilung in Grün oder Nicht-Grün sei auch in Hinsicht auf die Herausforderungen der Klima-, Energie- und Ressourcenpolitik keine Lösung. »Das gesamte Energiesystem sowie der Umgang mit stofflichen Ressourcen ist in Richtung eines globalisierungsfähigen Wirtschaftssystems zu unterziehen«, so Drexel. Nicht nur die Industriellenvereinigung wünscht sich eine »integrierte Tranformationsstrategie« und »konkrete Handlungsoptionen« für die heimische Wirtschaft.

Zumindest so ähnlich könnte das auch auf der Agenda der Grünen stehen. Umweltsprecherin Christiane Brunner hält den Masterplan gleich in mehrfacher Hinsicht für einen »Öko-Schmäh«. »Dass zum Beispiel Beschäftigte in der Automobilindustrie, in der Intensivlandwirtschaft oder prekär und gesundheitsgefährdet Beschäftigte als ‚Green Jobber‘ durchgehen, ist für uns nicht akzeptabel«, so Brunner. Ebenfalls in der Kritik der Grünen ist das Fehlen von konkreten Budgetmaßnahmen. Als jobwirksam verortet Brunner lediglich die Wiederauflage des 100-Millionen-Euro-Schecks zur thermischen Sanierung. »Dabei handelt es sich lediglich um die Fortführung eines bestehenden Programms und keine neue Green-Job-Offensive«, moniert Brunner. Weiters ist zu befürchten, dass es sich um kein frisches Geld handelt, sondern die Finanzierung der thermischen Sanierung zulasten anderer Klimaschutzmaßnahmen erfolgen soll.

Hoffnungsmärkte

Mit der statistischen Zuordnung von grünen Arbeitsplätzen haben die Grünen ebenso ihre Not wie die Industriellenvereinigung. Warum Landwirte, Touristiker oder Parkranger – wie der Masterplan es anspricht –  die Job-Statistik aufbessern sollen, ist möglicherweise nicht ganz naheliegend. Sehr gut untersucht ist der Kernbereich der industriellen Umwelttechnik. Laut Wifo verzeichnete der Sektor 2003–2007 ein Umsatzwachstum von knackigen 12,3 Prozent pro Jahr, und die Exporte stiegen von 2,45 auf knapp vier Milliarden Euro. Die Zahl der Beschäftigten stieg im selben Zeitraum von 17.200 auf rund 22.200 an. Österreich ist im Umweltbereich nicht nur gefühlt gut unterwegs. Der Gesamtbeitrag von Umwelttechnik und Dienstleistungen zum BIP lag 2004 bei über 4,5 Prozent. Unter allen 25 EU-Ländern spielt lediglich noch Dänemark in derselben Liga. Das obere Mittelfeld um Deutschland pendelt bei etwa drei Prozent. Das letzte Drittel um England, Griechenland und Spanien krebst in der Region von einem Prozent herum. Der Umweltsektor arbeitet kontinuierlich an der Internationalisierung. Zuletzt lag die Exportquote, je nachdem ob man Ausreißer berücksicht oder nicht, bei rund 65–70 Prozent.

Der Löwenanteil der Auslandsaktivitäten entfällt auf die alten EU-Staaten. In Asien oder Nordamerika haben noch rund zehn Prozent der heimischen Unternehmen eigene Niederlassungen. Länder wie China, Indien oder Russland importieren Umwelttechnologien aufgrund des großen Nachholbedarfs im großen Stil, eine Entwicklung, die lange anhalten wird. Aber auch die USA verzeichnen derzeit eine Sonderentwicklung (siehe Kasten). Barack Obma zwackte beim letzten Mega-Investitionspaket rund 280 Milliarden Dollar für Investitionen in Energieunabhängigkeit und grüne Technologien ab. »Für heimische Unternehmen öffnet sich derzeit ein einzigartiges Window of Opportunity«, sagt Hans Kordik, Botschaftsrat für Agrar- und Umweltangelegenheiten  in Washington. Wer also noch nicht in den USA vertreten ist, sollte sich vielleicht sputen. Das riesige Land bietet Chancen für heimische Umweltexporteure aller Branchen. Die Sunhine-States wie Kalifornien, Arizona und Florida gelten als Mekka für Solaranlagenbauer und Photovaltaiker. Die endlosen und zugigen Hochebenen von Texas oder Kansas wurden zuletzt zum Eldorado für Windkraft-Firmen. Der waldreiche Nordosten wiederum bietet Chancen für ­Biomasseunternehmen wie Hackschnitzelverarbeiter oder Kesselbauer.

 

>> Der Masterplan:

Der »Masterplan Green Jobs« zeichnet ein rosarotes oder – besser gesagt – grünes Szenario. Laut Lebensministerium schließen sich Ökonomie und Ökologie nicht mehr aus, bereits heute seien 185.000 und damit jeder zwanzigste Arbeitsplatz ein »Green Job«. Zukunftsperspektive inklusive. Bis 2020 sollen im Öko-Bereich 100.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Fokus stehen die Branchen Land- und Forstwirtschaft, Umwelttechnik und Tourismus. KMU sollen bei der Internationalisierung unterstützt werden. Durch Forcierung der Exportförderung sollen etwa 6.000 neue Jobs entstehen, 6.500 durch Forcierung von Biomasse, gar 31.000 durch die thermische Sanierung. Ebenfalls am Plan steht eine Ökologisierung des Steuersystems. Etwas wolkig klingt der Masterplan für die Industriellenvereinigung, die schon mit der Definition und Abgrenzung von Green Jobs ihre Not hat und konkrete Handlungsoptionen vermisst. Die Grünen wieder monieren, dass etwa Beschäftigte aus Automotiv oder Intensivlandwirtschaft als »Green Jobber« durchgehen, und vermissen wirksame Budgetmaßnahmen. Fakt ist, dass »echte« Green Jobs Potenzial haben. Laut Wifo verzeichnete der Sektor industrielle Umwelttechnik 2003–2007 ein Umsatzwachstum von knackigen 12,3 Prozent pro Jahr, und die Exporte stiegen von 2,45 auf knapp vier Milliarden Euro.

 

>> Blick über den Tellerrand:

Die USA gelten – nicht zu Unrecht – als Umweltsünder Nummer eins. Noch, denn China holt bei CO2-Ausstoß und energetischem Verbrauch rasend schnell auf. Laut Barack Obama sollen sich die Staaten jedoch in ein Öko-Musterland transformieren. Die Chancen auf Realisierung stehen zumindest in Teilbereichen nicht schlecht. Bei Windenergie und Ethanolproduktion sind die USA Weltmarktführer, bei Solar an vierter Stelle, seit 2004 wird der Sektor Biomasse gepusht. 2010 bis 2011 investieren die Staaten rund 280 Milliarden Dollar in den Umweltbereich. Auch für heimische Exporteure öffnet sich dadurch ein einmaliges Zeitfenster für Investitionen. Vor Ort erfolgreich sind etwa der OÖ-Holzheiztechniker Fröhling im Nordwesten der USA, die steirische SOLID punktet mit ihren Großsolaranlagen und eigener Tochterfirma im Südwesten.

 

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