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In Stein gemeißelt

Vielleicht haben Sie’s nicht bemerkt, aber: Es herrscht Krieg. Einige wackere Kulturmenschen wehren sich endlich gegen den unheilvollen Einfluss, den das Internet schon zu lange auf unsere Kultur ausübt. Fast keine Satire von Rainer Sigl.

Endlich, endlich wagen es die letzten Kulturmenschen dieser Welt, sich gegen jenen erdrückenden Kraken zur Wehr zu setzen, der die Grundfesten unserer Zivilisation bedroht, die Jugend verdummt und schaurigste Verbrechen und Perversionen bis in die letzten Kinderzimmer bringt. Lange hatten sie sich zurückgehalten, im festen Glauben daran, dass sich all das neumoderne Gedöns mit Internet und so nach anfänglicher Begeisterung auch bald wieder zurück in die Mottenkiste der Geschichte verkriechen würde, in etwa so wie der seinerzeit ja auch ganz schön populäre Hula-Hoop-Reifen. Nachdem diese Normalisierung der Verhältnisse aber inzwischen auch schon ganz schön lange auf sich warten lässt, sehen sich diese letzten Idealisten gezwungen, nun ihr gewichtiges Wort in die Waagschale zu werfen und klar und deutlich zu sagen: SO nicht, Internetz! Es war aber auch an der Zeit.

Klar, solange sich nur die angebliche »Musik« von Teenie-Kreischern wie den Backstreet Boys oder das, was heutzutage an potenziellen Hirnkarzinogenen so aus Hollywood überschwappte, von diesem neuartigen Jugendspielzeug namens Internetz bedroht fühlte, das angeblich so funktioniert wie ein System von Röhren, war alles noch so halbwegs okay. Doch mit ungläubigem Staunen musste in den letzten Monaten auch etwa ein gewisser ehrenwerter Herr Rupert Murdoch, seines Zeichens Medienmogul und Feingeist von Weltrang, feststellen, dass das, was er in unerschütterlicher moralischer Standfestigkeit für eine harmlose technische Spielerei gehalten hatte, ungeniert an seiner Existenzgrundlage zu rütteln begonnen hatte. Angeblich, so hatten die schnell engagierten Verlagsdetektive nämlich festgestellt, würde sich etwa ein halbseidenes Unternehmen namens Gockel oder Guckel oder Gugel oder so ähnlich ohne zu fragen und, was noch schlimmer war, ohne zu bezahlen, erlauben, Wörter, Wortverbindungen und einzelne Sätze im Internetz wieder abzudrucken oder, besonders dreist, – man beachte den aussagekräftigen Jargon der Verbrecher – auf jene Inhalte »hinzulinken«, die von den Rupert Murdoch mit Leib und Seele verfallenen Redakteurssklaven in den finsteren Schreibminen des Verlegers mit Schweiß, Blut und Tränen produziert worden waren.

Natürlich war der kulturbeflissene Medienmogul zunächst skeptisch, was den Wahrheitsgehalt dieser atemberaubenden Enthüllungen betraf. Das war natürlich ein harter Schlag für den Geschäftsriesen, der den liberal-geistesschwachen »Konsumentenschützern« immer noch wegen seiner mit lächerlichen Begründungen abgewiesenen Patentierung der Buchstaben »e«, »n« und »u« sowie des Wortes »the« völlig zu Recht grollte. So konnte kein Qualitätsjournalismus funktionieren, polterte der australische Tycoon – und abgesehen davon würden auch seine eigenen Produkte darunter leiden. In einem umfassenden Masterplan machte sich Murdoch unverzüglich daran, das Problem zu lösen: Dem frechen Guckel oder Gockel oder so solle es wie dem restlichen Internetz-Gesindel künftig verboten werden, auf die gefälligst kostenpflichtigen Artikel des angesehenen Medienimperiums zu »verlinken«: Wer lesen wolle, was sich die schlauen Schreibsklaven so über Nacht ausgedacht hatten, solle gefälligst wie jeder normale Mensch seinen Butler beauftragen, eine gekaufte und, wie es sich gehörte, gebügelte Zeitung dem Frühstückstablett beizulegen.

Denn insgeheim, so die weitreichenden, kühnen, aber noch geheimen Träume des Mediengiganten, sollten zukünftig sowieso Schritt für Schritt einige falsche Entscheidungen der Vergangenheit revidiert werden. Denn eigentlich wolle man nicht nur vom Internetz nichts mehr wissen, sondern auch die seinerzeit schon stark umfehdete Entscheidung, tatsächlich auf diesem neumodernen »Papier« zu drucken, wieder rückgängig machen und zur bewährten Tradition des Meißelns auf handfesten, ehrlichen Stein zurückkehren.
Denn eines ist ja wohl unbestritten: Nur so kann Print wieder das Gewicht bekommen, das ihm zusteht.

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