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"Es herrscht nun Klarheit in Polen"

Olav Nemling ist Energierechtsexperte bei TaylorWessing e|n|w|c Rechtsanwälte in Warschau. Olav Nemling ist Energierechtsexperte bei TaylorWessing e|n|w|c Rechtsanwälte in Warschau. Foto: Taylor Wessing

Olav Nemling ist Partner und Energierechtsexperte bei TaylorWessing e|n|w|c Rechtsanwälte in Warschau. Mit dem Energie Report spricht er über das neue EEG in Polen und Geschäftschancen für Unternehmen in diesem Markt.

Report: Nach einem jahrelangen Tauziehen wurde im März ein neues Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) in Polen unterzeichnet. Es sieht eine Umstellung von einem Zertifikatssystem auf ein Auktionssystem vor. Was ändert sich konkret?

Olav Nemling: In Polen ist die Erzeugung von Ökostrom bislang durch die Ausstellung von Herkunftszertifikaten, sogenannten grünen Zertifikaten, gefördert worden. Der Ökostromerzeuger erhält jeweils ein Zertifikat pro MW/h erzeugter grüner Energie. Damit stellen diese Zertifikate einen Anreiz zur Erzeugung von Ökostrom dar. Neben dem Preis für Energie erhält der Ökostromerzeuger somit zusätzlich den Erlös aus dem Verkauf der Zertifikate. Grüne Zertifikate sind Börsenware und können an der Energiebörse TGE in Warschau gehandelt werden. In der Praxis erfolgt die Veräußerung von grünen Zertifikaten sehr oft über den Abschluss von langfristigen Zertifikatskaufverträgen (Certificate Purchase Agreement – CPA). Die Nachfrage nach den Zertifikaten wird durch die gesetzliche Verpflichtung von Energielieferanten, eine gewisse Anzahl von Zertifikaten zu erwerben und dem Regulator zur Einziehung vorzulegen, geschaffen. Das bisherige Förderungssystem hat sich aber als mangelhaft erwiesen, da die Preise für grüne Zertifikate hauptsächlich aufgrund eines Überangebots an Zertifikaten (bewirkt insbesondere durch die Mitverfeuerung von Biomasse) massiv gefallen sind. Derzeit liegt der Preis bei ca. 35 Euro pro Zertifikat. Im Jahre 2012 und davor lag der Preis bei ca. 70 Euro pro Zertifikat.

Mit 1.1.2016 wird vom bisherigen Zertifikatssystem auf ein neues System – ein Auktionsmodell – umgestellt. Anlagen, die nach dem 31.12.2015 fertiggestellt werden, können nur noch an Auktionen teilnehmen. Das Zertifikatssystem bleibt lediglich für existierende Anlagen bestehen, wobei ein Umstieg auf das Auktionsmodell möglich sein wird. Zudem wird die Förderung durch Zertifikate auf 15 Jahre begrenzt.

Auktionen werden nach dem Grundsatz „pay as bid“ abgehalten, wonach den Zuschlag nur jener Teilnehmer erhält, der den niedrigsten Preis für das ausgeschriebene Ökostromvolumen bietet. Zuvor wird vom Energieregulator ein sogenannter Referenzpreis (Maximalpreis) pro 1 MW/h festgelegt. Angebote, die den Referenzpreis überschreiten, sind ungültig und von der Teilnahme an einer Auktion ausgeschlossen. Jener Teilnehmer, der den Zuschlag erhält, kann dann über einen Zeitraum von 15 Jahren die erzeugte Energie zu einem fixen Einspeisetarif, der dem Gebotswert entspricht, ins Netz einspeisen. Dieser Einspeisetarif wird alljährlich um den Verbraucherpreisindex indexiert.

Auktionen für diverse Kategorien von Anlagen werden mindestens einmal im Jahr abgehalten. Die ausgeschriebene Strommenge wird alljährlich per Verordnung festgelegt. Der polnische Gesetzgeber erhofft sich dadurch vor allem eine gezielte Förderung, auch kleinere Anlagen etwa sollen unterstützt werden. Das bisherige Zertifikatssystem (ein Zertifikat pro MW/h) hat eine gezielte Förderung nicht ermöglicht. Insbesondere teurere Technologien wie Photovoltaik waren dadurch benachteiligt. Dies ist auch einer der Gründe dafür, warum Photovoltaik in Polen bislang nicht wirklich Fuß fassen konnte. Das soll sich mit dem Inkrafttreten des EEG und des neuen Förderungsmodells ändern. Zudem soll das neue System dem polnischen Staat Ersparnisse bringen und einen direkten Einfluss auf den Markt der erneuerbaren Energien ermöglichen.

Report: Was bedeutet dies für Investoren aus Österreich? Welche Hürden erwarten Sie?

Olav Nemling: Nach jahrelangem Tauziehen herrscht nun Klarheit über die Zukunft des Förderungssystems in Polen. Für die Branche ist das ein wichtiges Signal, da sich in den letzten Jahren zunehmende Unsicherheit breit gemacht hat. Der Preisabsturz der Zertifikate hat zusätzlich bewirkt, dass Investitionen im Bereich der Erneuerbaren Energien nicht immer die erhofften Erträge brachten. Ein funktionierendes Förderungssystem in Polen ist notwendig für die Erreichung der EU Klimaziele. Bis 2020 sollen 15 % am Energiemix in Polen aus Erneuerbaren Energien kommen. Es besteht somit erheblicher Aufholbedarf, welcher zugleich Chancen für Investoren mit dem entsprechenden Know-How bietet. Durch das neue Auktionsmodell sollen auch Netzkapazitäten frei werden, die bislang teilweise durch Spekulanten oder halbfertige Projekte jahrelang blockiert wurden.

Trotz der insgesamt positiven Entwicklung für Investoren müssen diese auch mit einigen Hürden rechnen. Für die Teilnahme an einer Ausschreibung ist die vorherige positive Beurteilung eines Projekts durch den Energieregulator im Rahmen eines sog. „Präqualifikationsverfahrens“ erforderlich. Hierfür ist unter anderem die Vorlage einer unanfechtbaren („bestandskräftigen“) Baugenehmigung für das Projekt, welches an der Auktion teilnehmen soll, erforderlich. Die Entwicklung eines Projekts bis zur Baureife in Polen ist zeit- und kostenintensiv. Für kleinere Unternehmen könnte es daher problematisch werden, ein Projekt bis zur Baureife zu entwickeln, um erst dann an einer Auktion teilnehmen zu können. Zudem garantiert die Teilnahme an einer Auktion noch keinen Erfolg. Hier wird es wichtig sein, den Gebotswert entsprechend zu kalkulieren. Darüber hinaus fehlen derzeit noch die Durchführungsverordnungen zum EEG, außerdem sind einige wichtige Aspekte noch nicht eindeutig reguliert. Dies könnte insbesondere in der Anfangsphase des neuen Auktionsmodells zu Schwierigkeiten und Streitigkeiten mit dem polnischen Regulator führen. Es wird auch befürchtet, dass einige Teilnehmer mit Dumpingpreisen an Auktionen teilnehmen werden. Die Idee neben dem Referenzpreis (Maximalpreis) auch einen Minimalpreis einzuführen, ist vom polnischen Gesetzgeber verworfen worden.

Aus Sicht der Banken ist das neue Auktionsmodell jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. In den letzten Jahren sind aufgrund der Preisschwankungen bei den Zertifikaten kaum mehr Projekte in Polen durch Finanzinstitute finanziert worden. Im Gegensatz dazu ermöglicht das neue Auktionsmodell eine ziemlich genaue Kalkulation des Cashflows eines Projekts. Es gibt daher schon erste Anzeichen dafür, dass Banken, darunter auch österreichische Großbanken, beabsichtigen, Erneuerbare Energie-Projekte in Polen zu finanzieren.

Report: In Polen wird Energie derzeit mehrheitlich aus Kohle gewonnen. Wie sieht dieser Erzeugungsmix im Detail aus? Wie wird es sich in den kommenden Jahren verändern?

Olav Nemling: Der Energiemix in Polen für das 2014 gemäß der installierten Kapazität sieht wie folgt aus: 56 % Steinkohle, 26 % Braunkohle, 3 % Gas, 5 % Kraft-Wärme-Kopplung sowie 10 % Erneuerbare. Kohle wird in den nächsten Jahren weiterhin wichtigster Energieträger bleiben. Der Anteil von Erneuerbaren Energien soll bis 2020 auf 15 % wachsen. Onshore Windenergie wird wie bislang einen deutlichen Beitrag dazu leisten. Auch Photovoltaik und Mikroanlagen sollen das Wachstum von Erneuerbaren Energien im Energiemix ankurbeln.


Zur Person
Olav Nemling ist Partner und Energierechtsexperte bei TaylorWessing e|n|w|c Rechtsanwälte in Warschau. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)


Last modified onFreitag, 03 Juli 2015 10:51
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