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Xmas-as-a-Service

Xmas-as-a-Service

Im 21. Jahrhundert hat sich auch Weihnachten gefälligst der Gegenwart anzupassen.

Ein Plädoyer von Rainer Sigl

Mal ehrlich: Man muss sich schon anstrengen, in Weihnachtsstimmung zu kommen. Ich mein, früher, okay, da war das vielleicht noch anders. Damals, was weiß ich, im Mittelalter, alle Jäger und Sammler oder Ritter, der harte Winter, man muss drin bleiben, kann nicht aufs Feld, wegen all dem Schnee und den Mammuts - da kann man dann leicht besinnlich sein, wenn man sich sowieso seit Wochen tagein, tagaus nur aneinanderkuschelt, um nicht zu erfrieren! Aber wie passt sowas bitte ins 21. Jahrhundert? Wochenlang Stress, noch dazu in der hektischsten Jahreszeit überhaupt, wo die Einkaufszentren bummvoll sind, alle irgendwo irgendwas von einem wollen, am besten gestern und logo und natürlich und unbedingt »noch vor Weihnachten« – und da soll man cool drauf sein? Aber ich hab die Lösung: Ich automatisiere jetzt rigoros. Das Geschenkeeinkaufen zum Beispiel! Ich hab da nämlich per App meinen automatisierten eBay-Auktionen-Bot mit der Amazon-Wishlist von der Irmi, meiner Frau, zusammengespannt und das läuft alles vollautomatisch, ich geb ein, wie viel ich insgesamt ausgeben will, der Rest läuft von selbst tadellos, prima - und wenn die Irmi ihre Geschenke auspackt, hab ich dann auch gleich eine Überraschung, haha! Auch das mit der Weihnachtsmusik haut schon fast von selbst hin, auf Spotify kann man sich da ja per Preset in unterschiedlichen Weihnachtsintensitäten bespielen lassen, im Auto, in der Arbeit und so, von »leichte Winterstimmung«, da kommt dann alle zwei, drei Lieder ein leicht saisonal angehauchter Popklassiker, bis hin zur Hardcore-Einstellung »Last Christmas«, da ist dann allerdings Vorsicht angesagt, wegen der möglichen psychologischen Nebenwirkungen. Ja, da kommt dann auch alle 30 Minuten dieser Einspieler, mit der Warnung des Gesundheitsministers und so, seit dem Amoklauf mit den Weihnachtsmännern in der Mariahilfer Straße damals vor zwei Jahren. Ja, ich weiß, das mit der Besinnlichkeit geht in unserer effizienten Hochleistungsgesellschaft trotzdem nur schwer, deshalb bin ich heuer noch einen Schritt weiter gegangen und hab mein Fitnessarmband upgegradet. Das trackt jetzt nicht mehr nur Puls, Geschwindigkeit, Blutdruck, Bewegung, Kalorienverbrauch, Schlafrhythmus, Biorhythmus, ayurvedischen Vipassana-Aspekt, Karma, Mondphasen, Fruchtbarkeit/ Potenz, Zeit bis zum Feierabend, bis zum Wochenende, bis zum Urlaub und UVEinstrahlung, sondern - im Xmas-Mega-pack - auch »Xmas-Spirit«. Das trackt auch auf Burnout, Depressionsanfälligkeit, Magensäure und Einkaufsstress und schlägt Alarm, wenn sich wo ein Punschstandl in 500 Metern Entfernung befindet. Da kann man dann den gewünschten Weihnachtlichkeitsspiegel einstellen, von »besinnlich«, das ist dann so ein, zwei Jagatee, über »Adventsfreude«, da ist man dann schon ziemlich saisonal, bis hin zu »Weihnachtsfeier«, und dann kommt schon automatisch das richtige Mindset auf, also zumindest solang, bis man wo zusammenbricht. Aber dann ruft das Ding eh automatisch ein Taxi oder die Rettung. Und ich sag Ihnen: Es funktioniert. Ja, Weihnachten muss gar kein stressiger Anachronismus sein. Man muss halt mit der Zeit gehen - dann klappt das ja doch so halbwegs mit der stillsten Zeit im Jahr. So geht das 2014: »Ihr Kinderlein kommet«? Pah. Come on, kids! Merry Xmas 4.0!.

Last modified onDienstag, 24 Februar 2015 14:11
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