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Eine tödliche Bedrohung

Monika Weinrichter, Initiative Elektra: »Wir wollen gleiches Recht und gleiche Sicherheit für alle.« Monika Weinrichter, Initiative Elektra: »Wir wollen gleiches Recht und gleiche Sicherheit für alle.« Foto: Monika Weinrichter

Monika Weinrichter von der Initiative Elektra über die Gefahr, die von geräuschlosen Elektro- und Hybridfahrzeugen für sehbehinderte Menschen ausgeht.

Stellen Sie sich vor, Sie können nicht sehen. Sie sind auf der Straße. Keine Straßenbeleuchtung und keine Autoscheinwerfer leuchten für Sie. Angestrengt lauschen Sie in die Dunkelheit. Sie versuchen, Geräusche zu unterscheiden. Plötzlich ein Summen, ganz leise, knapp neben Ihnen! Mit einem gewaltigen Schlag werden Sie zu Boden geschleudert!
Die geräuschlosen Elektro- und Hybridfahrzeuge und die extrem leisen modernen Verbrennungsmotoren stellen für blinde und sehbehinderte Menschen eine tödliche Gefahr dar. Sie werden erst gehört, wenn sie so nah sind, dass ein Ausweichen unmöglich ist.

Während es aus Sicherheitsgründen völlig undenkbar wäre, ein unsichtbares Fahrzeug für den Verkehr zuzulassen, sind die geräuschlosen bereits auf unseren Straßen unterwegs. Blinde und sehbehinderte Menschen begrüßen grundsätzlich eine Lärmreduktion, da sie bei der Orientierung auf das Gehör angewiesen sind. Aus Sicherheitsgründen müssen Fahrzeuge aber unbedingt hörbar und damit auch wahrnehmbar sein. Seit Jahren fordern die österreichischen Blinden- und Sehbehindertenorganisationen vergeblich ein verpflichtendes Fahrgeräusch als Zulassungskriterium. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) unterstützt dieses Anliegen nicht. Ein derartiges System laufe der Grundidee der Reduktion der von Kraftfahrzeugen verursachten Lärmbelastung entgegen. Allein österreichweit sind über 100.000 Menschen hochgradig sehbehindert oder blind. Sind all diese Menschen wirklich Bürger zweiter Klasse, deren Leben leichtfertig gefährdet werden darf?

Viele Betroffene
Kinder und ältere Menschen, auch ohne Sehbehinderung, hatten schon bisher oft Schwierigkeiten, die Gefahren im Straßenverkehr rechtzeitig wahrzunehmen. Jugendliche sind mit den Augen oft am Handy beschäftigt und verlassen sich genau wie Radfahrer und andere Fußgänger häufig auf das Gehör, um den Verkehr einzuschätzen. Wenn die gut hörbaren Motorgeräusche wegfallen, tragen alle diese Gruppen ebenfalls ein viel höheres Unfallrisiko.

Unzureichende Verordnung
Das EU-Parlament hat im April 2014 eine europaweite Verordnung zur Lärmreduktion von Kraftfahrzeugen beschlossen. Auf Betreiben der europäischen Blindenorganisationen wurde zwar die Einführung eines AVAS (akustisches Warnsignal) für Elektrofahrzeuge hineingenommen, aber die konkreten Gesetzesvorgaben sind alles andere als ein Grund zum Jubeln. Der Einbau des AVAS wird erst ab Juli 2021 und auch dann nur für neu zugelassene Elektrofahrzeuge verpflichtend sein. Dann wird das akustische Warnsystem auch vom Fahrer jederzeit leicht deaktiviert werden können. Wir blinden Menschen werden weiterhin keine Möglichkeit haben, eigenverantwortlich einen Zusammenstoß zu vermeiden. Dabei kann ein Lenker niemals vorher wissen, ob er das AVAS brauchen wird oder nicht. Er trägt somit selbst auch ein höheres Unfallrisiko. Zudem wird das AVAS nur bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h vorgeschrieben. Doch je schneller ein Fahrzeug fährt, umso gefährlicher ist es. Deshalb muss das Warngeräusch auch bei höheren Geschwindigkeiten hörbar sein. Völlig unvorstellbar wäre es, dass ein Auto nachts nur bis 20km/h mit Licht fahren müsste. Sollte nicht gleiches Recht und gleiche Sicherheit für alle gelten, gleichgültig ob sehend, sehbehindert oder blind?

Die Kommission hat nun bis Juli 2017 die Befugnis, die Vorgaben für das AVAS nochmals zu überarbeiten. In der Charta der Grundrechte der EU ist die Diskriminierung behinderter Menschen ebenso untersagt wie in der österreichischen Verfassung. Mit der UN Konvention über die Rechte behinderter Menschen haben sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Menschen mit Behinderung  über gesetzliche Bestimmungen nicht zu diskriminieren. Derzeit geht die Veränderung aber in die entgegengesetzte Richtung. Aus diesem Grund fordern wir die Bundesregierung dringend auf, alle Hebel in Bewegung zu setzen und schnellstens ein gut hörbares akustisches Warnsignal für geräuscharme Fahrzeuge in Österreich einzuführen und auf EU-Ebene mit allen Mitteln zu unterstützen!

Mehr dazu unter http://www.julex.at/elektra/

Last modified onFreitag, 03 Oktober 2014 10:35
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