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Arme Reiche

Die Wirtschaftskrise forderte auch unter den Superreichen ihre Opfer. Die Zahl der Millionäre schrumpfte weltweit von elf auf rund neun Millionen, insgesamt verloren sie durch das Krisenjahr 2008 ein Fünftel ihres Vermögens.

Besonders hart traf es die Russen – mehr als die Hälfte rutschte aus der Liga der vermögendsten Menschen. Auf der Überholspur ist dagegen China, wo bereits mindestens 130 Dollar-Milliardäre leben.

Oleg Deripaska kann einem wirklich leid tun. 2008 mit einem geschätzten Vermögen von 40 Milliarden Dollar noch reichster Russe der Welt, reichte es im Vorjahr nur noch für Platz 8 im alljährlichen Ranking des US-Wirtschaftsmagazins Forbes. Der 42-jährige Oligarch verlor 90 Prozent seines Vermögens und musste unzählige Firmenbeteiligungen, darunter auch an Magna und der Sojus-Bank, abstoßen.
Seine Anteile an der Strabag SE übertrug Deripaska an die anderen Strabag-Eigentümer und sicherte sich die Option darauf mit mehrmaliger Fristverlängerung. Erst 2007 war der Milliardär beim österreichischen Baukonzern mit fast 1,2 Milliarden Euro eingestiegen, konnte aber nach schweren Kursverlusten den dafür aufgenommenen Kredit nicht mehr bedienen. Um sich den Rückkauf der 28,5 Millionen Aktien abermals zu sichern, kratzte Deripaska im Dezember in zwei Tranchen das nötige Geld zusammen. Die fehlenden 23 Millionen Euro überwies er erst am letzten Tag der Nachfrist, dem 28. Dezember 2009. Nun hat er bis 15. Oktober 2010 Zeit, zu entscheiden, ob er die Strabag-Anteile nun kauft oder nicht. Wenn die Geschäfte so weiterlaufen wie zuletzt, stehen die Chancen gut. Denn inzwischen ist der smarte Russe mit den guten Kontakten zum Kreml wieder am aufsteigenden Ast. Der weltgrößte Alukonzern Rusal, an dem Deripaska 56 Prozent hält, kommt Ende Jänner an die Börse in Hongkong – als erstes russisches Topunternehmen seit der Krise. Vor einem Jahr noch galt Rusal, das Herzstück in Deripaskas Holding »Basic Element« (»Basel«), nach Gazprom und Rosneft als das am stärksten verschuldete Unternehmen Russlands. Mit 4,5 Milliarden Dollar rettete die staatliche Bank VEB den Konzern. Dass Deripaska sich dafür im Fernsehen von Putin wie ein Schuljunge vorführen ließ, war offenbar Teil des pikanten Deals.

 


>> Größte Verlierer <<
Doch Deripaska war nicht der einzige Russe, den die Krise so schwer beutelte. Laut Forbes-Liste 2009 fielen 55 Oligarchen aus dem Ranking, nur noch 32 schafften es in den Kreis der Superreichen. Ähnlich bitter erging es Indien: Vier der acht größten Verlierer unter den Milliardären stammen vom Subkontinent. Darunter der Investor Anil Ambani, der 31,9 Milliarden Dollar in den Sand setzte und nun mit rund zehn Milliarden Dollar sein Auslangen finden muss.
Den Titel »Weltmetropole der Milliardäre« musste Moskau ebenfalls wieder an New York abtreten, wenngleich die amerikanischen Reichen nur wenig besser davonkamen. Allein die zehn reichsten Amerikaner büßten mehr als 39 Milliarden Dollar ein. Nach dem im Oktober 2009 aktualisierten Forbes-Ranking der Top 400 der USA liegt Bill Gates mit einem Nettovermögen von 50 Milliarden Dollar an der Spitze, gefolgt von Warren Buffett mit 40 Milliarden Dollar. Zumindest die beiden dürften sich demnach finanziell bereits etwas erholt haben. Die im März präsentierte Liste der reichsten Menschen weltweit (siehe Kasten) wies noch deutlich niedrigere Vermögenswerte auf.
Insgesamt verloren die zehn Millionen reichsten Menschen der Welt im Jahr 2008 ein Fünftel ihres Vermögens. Laut »World Wealth Report« von Merrill Lynch und Capgemini sank ihr Finanzvermögen – ohne Berücksichtigung selbstgenutzter Immobilien – wegen gefallener Aktienkurse von 40,7 auf 32,8 Billionen Dollar.

>> Erklärungsbedarf <<
355 Milliardäre wurden zu Millionären degradiert. Sie waren offenbar auch schlecht beraten. Denn nach einer Untersuchung der Boston Consulting Group gingen die Verluste überdurchschnittlich zu Lasten der Reichen, während Privathaushalte die angespannte Wirtschaftslage zwar spüren, aber bisher relativ glimpflich überstanden.
Die Studie basiert auf einer Analyse der von Finanzhäusern verwalteten privaten Kundenvermögen. Immobilien, Kunstgegenstände oder Juwelen, in denen viele Reiche meist einen guten Teil ihres Vermögens gebunden haben, sind jedoch nicht erfasst. Der Bericht bringt Privatbanken aber allemal in die Bredouille. Ein Kleinanleger, der sein Erspartes in heimische Aktien oder einen Fonds steckte, stieg nämlich um nichts schlechter, oftmals sogar besser aus als ein Superreicher, der auf Rat hochbezahlter Vermögensberater in internationale Topwerte und Hedgefonds investierte.
Nach den Einschätzungen der Boston Consulting Group führte vor allem eine extrem defensive Veranlagungsstrategie nach den schweren Verlusten dazu, dass diese Einbußen nicht mehr ausgeglichen werden konnten. So schwenkten viele Privatkunden im ersten Schock auf einfache, mit hoher Sicherheit bedachte Finanzprodukte um, die aber nur niedrige Renditen bringen. An dieser Strategie hielten sie fest, auch als die Aktienkurse schon bald wieder anzogen. Eine große Zahl an Anlegern trennte sich nicht nur von ihren Wertpapieren, sondern kehrte den Finanzmärkten überhaupt den Rücken. »Einige Investoren mussten Vermögen nutzen, um Schulden zurückzuzahlen. Andere wandelten ihr Finanzvermögen in handfestere Aktiva wie Immobilien oder Gold um«, heißt es in der Studie.

>> Luxus adé <<
Von den Privatbanken forderte die Finanzkrise besonders hohen Beratungsaufwand, um den beunruhigten Kunden zu retten, was noch möglich war. Die könnten sich mit der Intensivbetreuung durchaus anfreunden, waren doch die komplizierten Anlagemodelle für Laien oft kaum zu durchschauen. Die meisten Kunden vertrauten deshalb ihrem Vermögensberater blind – nicht immer zu ihrem Vorteil. »Selbst wenn die Risikoneigung wieder zunimmt, werden die Kunden damit fortfahren, ein weitaus höheres und verständlicheres Serviceniveau zu verlangen«, meinen die Experten der Boston Consulting Group.  
Womit Privatbanken endgültig ein Problem hätten: Erstmals seit 2001 fiel weltweit die Summe der verwalteten Kundenvermögen; zwischen Ende 2007 und Ende 2008 um 11,7 Prozent auf 92,4 Billionen Dollar. Die Zahl der Dollarmillionäre schrumpfte um 15 Prozent. Weniger Kunden, die nun über ein geringeres Vermögen verfügen und dieses auch noch möglichst sicher und überschaubar anlegen wollen, was für die Banken kleinere Margen bedeutet – ein Dilemma.
Auch die Hersteller von Nobelmarken jammern. Galt der Luxusmarkt bisher als krisensicheres Geschäft, drehen nun sogar die betuchteren Kunden jeden Dollar oder Euro zweimal um. Chanel, Gucci und Prada haben schon bessere Zeiten gesehen. De Beers, größter Diamantenhersteller der Welt, stellte die Produktion vorübergehend fast völlig ein. Juwelierhändler klagen über schrumpfende Umsätze mit teuren Uhren und Schmuck. Für manche Wohlhabende kommt der Abstieg von der Milliardärsliga einem Kulturschock gleich. So erzählte Madeleine Schickedanz, ehemals schwerreiche Karstadt-Quelle-Erbin, in einem Interview mit Bild am Sonntag tief bedrückt von ihrem neuen Leben nach dem Milliardenverlust und der Insolvenz ihres Unternehmens: »Wir leben von 500 bis 600 Euro im Monat. Wir kaufen beim Discounter. Gemüse, Obst und Kräuter haben wir im Garten.«

>> Land der Milliardäre <<
Doch nicht überall geht es den Reichen schlecht. China heißt das neue Schlaraffenland für Milliardäre und alle, die es noch werden möchten. Hier ist die Zahl der Superreichen – der Wirtschaftskrise zum Trotz – von 29 im Jahr 2008 enorm gestiegen. Laut Hurun Report, dem chinesischen Pendant zu Forbes, leben in der Volksrepublik bereits mindestens 130 Dollar-Milliardäre. Die meisten verdanken ihr Vermögen guten Geschäften an den Aktien- und Immobilienmärkten, die von den Konjunkturpaketen der chinesischen Regierung stark profitierten. Rupert Hoogewerf, der Herausgeber des Hurun Reports, schätzt die tatsächliche Zahl der Milliardäre in China sogar als doppelt so hoch ein. Viele würden ihr Vermögen »abseits des Rampenlichts machen«.
Die Entwicklung in Chinas Wirtschaft verläuft äußerst dynamisch. Sieben der zehn reichsten Chinesen sind erst 2009 neu an die Spitze aufgerückt. Angeführt wird das Ranking ausgerechnet von einem Tycoon der Automobilindustrie, jener Branche, der die Krise weltweit am schwersten zusetzte. Wang Chuanfu ist CEO der BYD Company, die Autos, Batterien und Handy-Akkus herstellt. Mit einem Marktanteil von 15 Prozent ist BYD einer der größten Akku-Produzenten weltweit. Das Vermögen des 43-Jährigen wird auf 5,1 Milliarden US-Dollar geschätzt. Im letzten Hurun-Ranking lag er noch auf Platz 103. Der märchenhafte Aufstieg ist kein Zufall: Wang investierte frühzeitig in die Entwicklung von Autos mit umweltfreundlicher Technologie. Nach Meinung von Experten wird BYD am ersten massentauglichen Elektro-Hybrid-Auto mit Plug-in-Technologie in Kooperation mit Volkswagen maßgeblich beteiligt sein. Auch Investmentguru Warren Buffett bewies abermals ein glückliches Händchen: Im September 2008 hatte er sich über seine Investmentgesellschaft mit 230 Millionen Dollar bei BYD eingekauft. Der zehnprozentige Anteil ist inzwischen 1,8 Milliarden Dollar wert.
Auch die zweitplatzierte Zhang Yin gilt als Vorreiterin der grünen Revolution in China. Die 51-Jährige hält gemeinsam mit ihrer Familie rund 72 Prozent am Konzern Nine Dragons Paper, der an der Hongkonger Börse gelistet ist. Zhang, deren Vermögen mit 4,9 Milliarden Dollar beziffert wird, importiert im großen Stil Altpapier aus den USA und stellt daraus Verpackungsmaterial her. 2008 rangierte die Unternehmerin mit 2,6 Milliarden Dollar erst auf Platz 15. Krisenbedingt hatte Nine Dragons Paper zahlreiche Auslandsaufträge verloren. In der Folge konzentrierte sich Zhang auf den chinesischen Markt und erwirtschaftet dort inzwischen mehr als 80 Prozent ihres Umsatzes.

>> Absteiger des Jahres <<
Für den reichsten Chinesen des Jahres 2008 verliefen die Geschäfte leider nicht nach Wunsch. Huang Guangyu sitzt seit einem Jahr in Untersuchungshaft. Dem früheren Vorsitzenden der Elektro-Einzelhandelskette Gome wird Insiderhandel vorgeworfen. Konkret soll Huang die Aktienkurse zweier börsennotierter Unternehmen seines Bruders manipuliert haben.
Nach seiner Festnahme stürzte die Aktie von Gome, deren größter Teilhaber er ist, ins Bodenlose. Gome vertreibt in 1.200 Filialen in 280 Städten Chinas vorwiegend Unterhaltungselektronik. Huang legte den Vorsitz bis zur Klärung der Vorwürfe zurück, 214 Millionen US-Dollar seines Vermögens wurden auf gerichtliche Anordnung eingefroren. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Die Top 10 des Jahres 2009

Rang    Name        Vermögen in    Verlust in Mrd.    Unternehmen    Land
Mrd. US-Dollar    US-Dollar geg. 2008
1    Bill Gates                   40,0    -18,0    Microsoft    USA
2    Warren Buffett           37,0    -25,0    Berkshire Hathaway    USA
3    Carlos Slim Helú         35,0    -25,0    Telmex    Mexiko
4    Larry Ellison              22,5    -2,5    Oracle    USA
5    Ingvar Kamprad        22,0    -9,0    Ikea    Schweden
6    Karl Albrecht            21,5    -5,5    Aldi Süd    Deutschland
7    Mukesh Ambani        19,5    -23,5    Reliance Industries    Indien
8    Lakshmi Mittal          19,3    -25,7    Arcelor Mittal    Indien
9    Theo Albrecht         18,8    -4,2    Aldi Nord    Deutschland
10    Amancio Ortega    18,3    -1,9    Inditex, Zara    Spanien

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