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Chefsache grün

Was lernen Unternehmen aus der Krise? Ein nachhaltiges, ökologisches Wirtschaften, antworten Betriebsökonomen. Manch Konzern geht mit gutem Beispiel voran.

Steigende Energiekosten, Wirtschaftskrisen und eine von Profitgier geschundene Umwelt? Willkommen im Jahr 2009. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Erde, das mit seiner 6,7 Mrd. Menschen starken Besatzung eigentlich unterwegs sein sollte, seine kostbare Natur zu schützen. Ein frommer Wunsch, gerade in der Wirtschaft? Mitnichten, meinen Ökonomen. Die Österreicher lieben heute Bio-Äpfel, saubere Fabrikschlote und glückliche Hühner. Mit Entsetzen blickt man ins ferne China oder in die USA, wo das Wirtschaftswachstum der Gesundheit der Bevölkerung eisern vorangestellt wird. Doch täuscht die Selbstwahrnehmung: Der Homo austriacus ist alles andere als ein Öko-Vorreiter. In Sachen CO2-Bilanz ist das Alpenland Schlusslicht in der EU. Vor allem der Straßenverkehr treibt nicht nur Umweltschützern den Schweiß auf die Stirn. Der zuständigen Verkehrspolitik wiederum fällt wenig dazu ein – außer der Bau neuer Straßen. Also gilt für die Wirtschaft, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Der Schutz des Klimas ist gewünscht, ist aber in der Rechnung der Unternehmen ein eher schwaches Argument. Was Manager und Aktieninhaber überzeugt, sind Kosteneinsparungen und Imagegewinn. Und wenn nebenbei das Raumschiff Erde gerettet wird, stört das wohl auch niemanden. Einer dieser neuen Protagonisten des grünen Wirtschaftens ist der Internet- und Telefonieanbieter Telekom Austria.

Zentrale Schaltstelle
Brigitte Schüßler leitet den Einkauf und die Ressourcenverwaltung bei der Telekom – und damit ein Team von über 200 Leuten. Die gelernte Juristin verfolgt die Entwicklungen hinsichtlich Einsparungsmöglichkeiten bei den Informations- und Kommunikationstechnologien ganz genau. Experten zufolge können alleine durch den Einsatz von Telekommunikation jährlich in Europa bis zu 50 Mio. Tonnen CO2-Emissionen reduziert werden. Schüßler weist dazu auf die Produktpalette ihres Unternehmens: Videokonferenzlösungen, optimierte Rechenzentren und zentrale Hard- und Softwarelösungen, die übers Internet genutzt werden können. Innerhalb der TA sieht sie den Klimaschutz als starke Querschnittsmaterie. Immerhin verantwortet ihre Stelle auch das hauseigene Energiemanagement. Einsparmöglichkeiten sind da mehr als willkommen. »Trotz Strommarktliberalisierung sind die Stromkosten in den letzten zwei, drei Jahren rapide gestiegen«, arbeitet Schüßler auf unterschiedlichsten Ebenen daran, die Stromrechnung in den Griff zu bekommen. Dass heute die Büroräume in der Konzernzentrale in der Lassallestraße nicht mehr ständig auf 25 Grad hinaufgeheizt werden, wie es früher der Fall war, ist erst der Anfang der Geschichte.

So wird beispielsweise nun auch technisches Equipment für das österreichweite Hochleistungsdatennetz nach Energieleistungskriterien eingekauft. Die Welt der Analogtechnik ist im Schwinden. Digital schnurrende Geräte dürfen in der Regel höchstens 21 bis 23 Grad Betriebstemperatur erreichen, müssen also teuer gekühlt werden. Also nimmt man sich die Hersteller zur Brust, um energieeffizientes Equipment geliefert zu bekommen. 2007 wurde dazu ein Klimadialog ins Leben gerufen, um den Benefit nachhaltigen Einkaufs und Wirtschaftens auch anderen Unternehmen klar zu machen. Einen ökonomischen Vorteil in Sachen Stromverbrauch bringen dann etwa auch kluge Gerätearchitekturen in Rechenzentren. So wurde ein Teil des hauseigenen Serverpools mittels einer speziellen Software bereits auf ein Zehntel der ursprünglichen Rechnerzahl reduziert.

Und auch bei den Mitarbeitern findet sich der eine oder andere Hebel. Für die Arbeitsplätze wurden Steckdosenleisten mit Abschaltmöglichkeit ausgegeben. Die Geräte fressen dadurch außerhalb der normalen Bürozeiten keinen Strom im Standby-Modus, sind aber mittels Wake-up-Funktion trotzdem für Softwareupdates am Wochenende erreichbar. Allein mit dieser Maßnahme werden heuer in der Konzernzentrale in der Lassallestraße gut 185.000 Euro eingespart, rechnet Schüßler vor. Und nebenher schonen Stromsparmaßnahmen auch die Atmosphäre. Auf die nimmt auch der unternehmenseigene Fuhrpark neuerdings Rücksicht: Beim technischen Kundendienst sind nun Erdgasautos im Einsatz. Die Fahrzeuge stoßen 20 bis 30 Prozent weniger CO2 aus und vermeiden 90 Prozent der Schadstoffe, die für das berüchtigte bodennahe Ozon verantwortlich sind. Die Mitarbeiter selbst werden mit Incentives auf ihrem Weg zum »Spritsparmeister« motiviert und im Stadtgebiet angehalten, auf Öffis und Fahrrad umzusteigen.

Bekenntnis zur Besserung
»Umweltschutz ist nicht mit persönlichem Verzicht gleichzusetzen, sondern ist durch eine Änderung des Lebensstils möglich«, betont die TA-Strategin und warnt: Um dies in einem Unternehmen wirkungsvoll umzusetzen, müsse die Unternehmensführung eng eingebunden werden. Erst mit dem Bekenntnis von ganz oben kann ein Umweltmanagement vom Einkauf über Gebäudetechnik bis zu Energiefragen und Transportwesen zentral betrieben werden. In Brigitte Schüßlers Büro hängt deshalb ihr wertvollstes Dokument, ihre persönliche Magna Charta: ein von allen Konzernvorständen unterzeichnetes Strategiepapier für das nachhaltige Agieren der Telekom. Schließlich möchte man seinen Kunden und Mitarbeitern mit gutem Beispiel vorangehen.

Experten schätzen, dass künftig immer mehr Firmen den Blick für Energieeffizienz und Umweltschutz schärfen werden. Neben dem Controlling betrifft dies zunehmend auch den Wettbewerb am Arbeitsmarkt. Solche Firmen sind sympathisch – das grüne Wirtschaften wird zu einem gewichtigen Faktor beim Gewinnen von qualifizierten Kräften und der Mitarbeiterbindung. Investmentfonds, die Geld speziell in »grüne« Unternehmen und Industrien pumpen, haben dies bereits erkannt. Ebenso wie mancher Telekom-Mitarbeiter, der die neue Energieeffizienz am Arbeitsplatz am liebsten auch gleich zuhause umsetzen möchte. Die klugen Steckdosenleisten finden bereits reißenden Absatz bei der Belegschaft. Denn auch zuhause nervt die monatliche Stromrechnung – besonders in einem Jahr wie 2009.
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