Menu
A+ A A-

Knacken wir uns einen Gipfel ab

Silver-Server-Geschäftsführer Oskar Obereder über den Glasfaserausbau in der Schweiz – und was Österreich davon lernen könnte. Der Gastkommentar im Report.


Ihr Land bezeichnen sie selbst nach wie vor selbst gerne als „Sonderfall“. Wobei dieses Prädikat positiv zu verstehen ist. Tatsächlich hat sich die Schweiz im Laufe ihrer Geschichte in eine Position des Wohlstands und hoher Lebensqualität gebracht. Garanten dafür waren ein seit Wilhelm Tell gepflegter Freiheitssinn, ein tief wurzelndes Verständnis für Föderalismus, Unabhängigkeit und Neutralität.

Eine ungewöhnliche Einleitung für einen Technologiekommentar? Keinesfalls. Ein genauerer Blick auf den zukunftsweisenden Ausbau der Schweizer Glasfasernetze zeigt uns das sehr schnell. Da begegnen uns die angesprochenen Garanten wieder – und machen deutlich, was uns die Eidgenossen voraus haben: Freier und fairer Wettbewerb wird höher bewertet als in Österreich. Der föderalistisch gestimmte Schweizer pocht auf seine Wahlfreiheit. Und sei es nur Vielfalt und Auswahl bei Internetanbietern.

Weil diese beim aktuellen Ausbau besagter Glasfasernetze aufgrund großer, monopolistischer Unternehmen nicht länger gegeben schien, wurden nun die Kommunen aktiv. In bester Schweizer Tradition gingen Energieversorger daran, stadteigene offene Netze zu errichten. Mit dem Ziel, dieses Feld nicht einen einzigen Unternehmen zu überlassen. Statt der in der Schweiz mächtigen Swisscom, vergleichbar mit dem österreichischen Ex-Monopolisten Telekom Austria, knüpfen nun Städte eigene Netze, um einzelne Fasern künftig an unterschiedliche Anbieter zu vermieten – auf dass der Wettbewerb zum Wohle des Kunden florieren möge.

Wie hoch das Bewusstsein dafür ist, zeigt ein Volksentscheid in St. Gallen. Dort stimmten die Bürger für den Auf- und Ausbau sowie den Betrieb eines flächendeckenden Glasfasernetzes. Errichtet von den Stadtwerken selbst. Gleiches streben die Elektrizitätswerke in Zürich an. Nicht minder aktiv zeigen sich Bern und Genf. Wobei sich selbst über die Schweiz keine Käseglocke der Fairness wölbt. Die eine oder andere Kommune ist durchaus genötigt, mit Ellbogentechnik gegen die Pläne der Swisscom und des Branchenzweiten Sunrise anzukämpfen. Wie etwa in Basel, wo die Swisscom nun mit den Industriellen Werke Basel beim Bau eines gemeinsamen offenen Netzes kooperiert.

Sich von der Schweiz einen Gipfel abzuknacken, wie es früher in der Toblerone-Fernsehwerbung hieß, stünde der österreichischen Politik und Telekomregulierung gut zur Gesicht. Was bringt es uns, beim Glasfaserausbau in fernöstlichen Fernen zu schweben, uns hohe Durchdringungs- und Anschlusszahlen in Korea oder Japan anzusehen? Der wahre Vergleich, die wahren Anregungen liegen direkt vor unserer Haustür. Wir sollten uns ansehen, wie die Schweiz gerade daran geht, die Herausforderungen bei Kommunikationstechnologie zu lösen. Wir sollten es uns ansehen und rechtzeitig die richtigen Schlüsse ziehen. Dass es keinen Sinn machen kann, für die Zukunft entscheidende Technologien erneut nur einem Unternehmen anzuvertrauen. Dass es im Sinne der Demokratie sein muss, den Zugang zu diesen Technologien offen zu halten. Dass städteübergreifende Kooperationen wie der Schweizer Kommunenverband openaxs auch bei uns Schule machen könnten, wenn findige Stadtväter ihre Rolle als Gestalter und nicht bloß als Verwalter verstehen würden. Es kann nicht sein, dass in Österreich weiterhin der zum Arzt gehen muss, der Visionen hat, während uns andere Länder mit verwirklichten Visionen technologisch und wirtschaftlich überholen

Sich an der Schweiz zu orientieren heißt sich an einem europäischen Musterschüler bei Breitbandzugängen zu orientieren. Laut einer im Juni 2008 erstellten OECD-Studie rangiert unser Nachbarland mit einem Versorgungsgrad von 32,7 Prozent international auf Platz vier. Während Österreich mit 20,6 Prozent unter dem OECD-Durchschnitt von 21,3 Prozent liegt. Noch spielt bei beiden Ländern der Anteil an Glasfasertechnologie keine Rolle. Das wird sich in den nächsten Jahren entscheidend ändern. Sollte sich dann die Schere zu Ungunsten Österreichs auftun, wird den politischen und regulatorischen Kräften hierzulande die Frage nicht erspart bleiben, warum nicht rechtzeitig im Sinne der Bürger gehandelt wurde.

Zum Autor
Oskar Obereder ist Gründer und Geschäftsführer des in Wien ansässigen Internetserviceproviders Silver Server und Vorstandsmitglied des Branchenverbandes ISPA.

back to top