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Cash 2.0

Von Rainer Sigl

Erinnerungen an die große Zeit der Dot-com-Hausse wurden wach, als 2005 der Medien-Tycoon Rupert Murdoch das Community-Portal MySpace für 580 Millionen Dollar kaufte - samt seinen kolportierten 140 Millionen Mitgliedern. Wenige Monate zuvor war die Fotocommunity Flickr um unverschämt günstige 50 Millionen Dollar von Yahoo gekauft worden, noch günstiger sicherte sich Yahoo zur selben Zeit den Social-Bookmarking-Pionier del.icio.us. Und im November 2006 blätterte Google sagenhafte 1,65 Milliarden US-Dollar hin, um YouTube zu erwerben. Auch kleinere, hoffnungsvolle Web2.0-Projekte wechselten den Besitzer: StumbleUpon ging 2007 um 75 Millionen Dollar an eBay, reddit zu einem nicht genannten Preis an das amerikanische Verlagshaus Condé Nast. Was die teils astronomischen Kaufsummen rechtfertigte, war eindeutig die schiere Masse der User, die sich in den jeweiligen Communities tummeln.

War ja klar: In den Augen der traditionellen Medienwelt sind diese User hauptsächlich eines: potenzielle Konsumenten. Im Fall von Social Networks wie MySpace hat der Herr über die Nutzerdatenbank zusätzlich den Vorteil, dass die Nutzerschar gleich auch noch von sich selbst Profile und Statistiken anlegt, die sich ohne größeren Aufwand in Kunden- und Konsumentenprofile umwandeln lassen. Davon erhofft man sich dramatische Reduktionen der Streuverluste bei Online-Werbung und eine enorme Steigerung der Effizienzrate von Kampagnen - von über 300 Prozent bis zu 800 Prozent ist die Rede. Durch Integrated Behavioral Marketing und Microtargeting, also die genaue Klassifikation jedes Werbekunden, soll mit der rauen Masse der eingekauften Zielgruppen der hohe Kaufpreis wieder gutgemacht werden. Im besten Fall sollten die Nutzer allerdings gar nicht bemerken, dass sie unvermittelt unter das Mikroskop der Marktforscher geraten sind - schließlich, und das ist ein nicht zu unterschätzendes Novum der Web-2.0-Communities, tragen die User freiwillig durch ihre Mitarbeit zur Größe und wesentlich zur Attraktivität der Plattform bei. Ein größerer Widerspruch beginnt hier, virulent zu werden: Immerhin war es ja vor allem die Möglichkeit, abseits der traditionellen Medien-Einbahnstraße im Internet kreativ und individuell tätig zu werden, die Web 2.0 zu einer derartigen Revolution werden ließ.

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