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Global forschen, lokal entwickeln

Der Verlagerungstrend in der weltweiten Wirtschaft betrifft zunehmend die gesamte Wertschöpfung. Produktionsstätten werden aus Hochlohnländern abgezogen und in China neu aufgebaut, der Dienstleistungsbereich übersiedelt nach Indien. Noch relativ unbehelligt von den globalen Rochaden zeigten sich bislang Know-how intensive Bereiche wie Forschung und Entwicklung. Doch damit ist jetzt zumindest teilweise Schluss, sagt Rupert Petry, Managing Partner von Roland Berger in Wien. Die Zukunft von Forschung und Entwicklung werde nicht parallel verlaufen. Während die Forschung zu weiten Teilen am Heimmarkt verbleiben wird, zeigen sich bei der Entwicklung klare Globalisierungstendenzen. Das besagt die Studie \"Globalizing the value chain: The future of R&D in Austria and Germany“. Von den 135 befragten Industrieunternehmen in österreich und Deutschland sehen ein Viertel der heimischen Unternehmen und knapp ein Drittel der deutschen Unternehmen die Zukunft in globalen Forschungs- und lokalen Entwicklungszentren. \"Die Anpassung von Produkten an regionale Kundenwünsche wird immer wichtiger. Folgerichtig siedelt man Entwicklungszentren vor Ort an\", erklärt Studienautor Gernot Ludescher. Während der Forschungsstandort österreich auch für die Zukunft gesichert scheint, gerät der Entwicklungsstandort zunehmend unter Druck. Vor allem internationale Unternehmen zeigen sich wankelmütig in der Wahl ihrer regionalen Niederlassungen. \"Die lokalen Entwicklungsstandorte stehen unter permanenter Beobachtung. Gibt es an einem anderen Standort bessere Bedingungen, wird der Bereich verlegt\", sagt Petry. In österreich versucht man mit der Headquarter-Strategie diesem Trend entgegen zu wirken. Wirklich zielführend ist diese Strategie nicht. Während in der Vergangenheit echte CEE-Headquarter mit einer Fülle an Befugnissen und Legionen von Mitarbeitern nach Wien gekommen sind, sind heute viele nominelle Headquarters drastisch abgemagert. \"In vielen Fällen sitzt nur noch der eine oder andere Entscheidungsträger im Headquarter, das Heer an Mitarbeiter aber ist vor Ort in den osteuropäischen ländern“, erklärt Petry, der die Headquarter-Strategie dennoch für einen richtigen Ansatz hält. \"Man muss aber versuchen, Headquarter nach österreich zu bringen, die auch substanziell etwas hergeben.“

Märkte und Technologien
Als Treiber der Entwicklungsglobalisierung identifiziert die Studie vor allem den Zugang zu neuen Technologien und Märkten. Die Kosten spielen bei der Standortentscheidung eine untergeordnete Rolle. Im speziellen Fall von österreich kommen noch die begrenzten Ressourcen des Heimatmarktes hinzu, der die Betriebe quasi zur Internationalisierung zwingt. Beliebtestes Zielgebiet der österreicher ist Westeuropa, wo ein Drittel der Unternehmen über einen Forschungsstandort verfügt. 14 Prozent der Unternehmen haben ihren Forschungsstandort in Osteuropa, die Boomregionen China und Indien sind mit fünf bzw. zwei Prozent deutlich abgeschlagen. Industrien wie Holz und Papier, Chemie, Pharma oder IT legen bei ihrer Internationalisierung von Forschung und Entwicklung vor allem Wert auf den Technologiezugang, bei Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau, Automobilzulieferer und Konsumgüter geht es vermehrt um die neuen Märkte. Branchenübergreifen gilt, dass je größer ein Unternehmen ist, desto globalisierter sind auch Forschung und Entwicklung.

Falsche Prioritäten
Insgesamt bewertet Roland Berger die F&E-Entwicklung in österreich positiv: \"Wir sind auf einem guten Weg. Die F&E-Ausgaben sind von 1,78 Prozent im Jahr 1998 auf 2,43 Prozent im Jahr 2007 gewachsen“, resümiert Petry. Er betont aber gleichzeitig, dass die österreichische F&E-Quote nach wie vor unter den 2,5 Prozent von Deutschland liegt. \"Musterschüler\" wie Israel (4,7 Prozent) oder Finnland (3,4 Prozent) scheinen weiterhin außer Reichweite, ebenso wie das Lissabonziel. Die Drei-Prozent-Marke wird sich mit der gegenwärtigen Geschwindigkeit bis 2010 kaum ausgehen. Das ist laut Petry auch gar nicht weiter schlimm. \"Es darf nicht darum gehen, mit allen Mitteln das Lissabonziel zu erreichen. Wichtiger ist vielmehr, dass das vorhandene Geld sinnvoll in Schlüsselbranchen eingesetzt wird.“ Das ist in österreich nicht der Fall. Es scheint wichtiger zu sein, wie viel Geld in F&E fließt als die Frage, wofür das Geld verwendet. Der Hightech-Bereich ist laut Petry in österreich deutlich unterrepräsentiert. \"Nur 13 Prozent der F&E-Wertschöpfung stammen aus diesem Segment“, ortet Petry dringenden Aufholbedarf. Unterstützung kommt vom Patentamtspräsidenten Friedrich Rödler. Dieser freut sich zwar über eine kontinuierlich wachsende Zahl von Patentanmeldungen, ist aber mit der Verteilung unzufrieden. Es gibt eine Menge Low-Tech-Patente, einige Medium-Tech-Patente, aber nur verhältnismäßig wenig High-Tech-Patente. Sollte Dieser Status beibehalten werden, ist österreich auf dem besten Weg, zu einem Entwicklungsland zu werden.

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