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ölalarm

E 85 ist ein echter nachhaltiger Kraftstoff - zum Unterschied von Erdgas/Biogas.« Diese Botschaft überbrachte Johann Marihart kürzlich im Haus der Forschung dem Publikum. Der Vorstand der Agrana AG war eingeladen, um über Bioethanol zu referieren. Der Termin hätte unpassender nicht sein können: Nur wenige Tage zuvor verkündete die Agrana, dass sie ihre neu erbaute Bioethanolanlage in Pischelsdorf nach dem Probebetrieb für einige Monate stilllegen wird. Die Preise für Weizen und Mais seien derart hoch, dass ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlage nicht machbar sei, so der Zucker-, Frucht- und Stärkekonzern. 2007 sei ein Ausnahmejahr bei Getreide, deutliche Ernteeinbußen und Spekulanten hätten den Preis explodieren lassen, so Marihart: »Ich bin zuversichtlich, dass das eine Blase ist, die platzen wird, wie zum Beispiel jene der Immobilien oder andere Blasen.« Sollten im Frühjahr die Anzeichen auf eine normale Ernte hindeuten, werde sich die Situation beruhigen. Naturgemäß ist es für einen Spitzenmanager nicht angenehm, wenn ein 125-Millionen-Investment wetterfühlig ist. Dennoch ist die Verschiebung der Produktion um ein paar Monate keine Existenzfrage. Die Agrana kann einen Rückschlag verkraften, wenngleich die Aktie nach der Hiobsbotschaft ein paar Prozentpunkte nachgab. Wenn Getreide wieder erschwinglich ist, wird die Anlage loslegen, der Absatz des produzierten Treibstoffs ist ihr durch die Gesetzgebung gesichert. österreich hat die EU-Vorgaben zur Beimengung von Biotreibstoffen vorzugsschülerhaft umgesetzt. Ab Oktober müssen dem Benzin 5,75 Prozent Bioethanol zugesetzt werden. Nachdem in Pischelsdorf zu diesem Termin nicht produziert wird, liefert die Agrana aus Ungarn.

Die Kapriolen um den Getreidepreis könnten jedoch auch auf einen dauerhaften Höhenflug hindeuten. Die Idee, aus Getreide Sprit und Geld zu machen, hat nämlich nicht nur die Alpenrepublik, sondern die ganze Welt erfasst. Derzeit sind in Europa Anlagen mit einer Produktionskapazität von 2,8 Milliarden Litern in Betrieb. Weitere Anlagen mit einer Kapazität von 3,4 Milliarden Litern sind in Bau, weitere Produktionen mit einem Volumen von 11,5 Mrd. Litern sind angekündigt. Weltweit werden derzeit rund 70 Milliarden Liter des begehrten und ökologisch nicht unumstrittenen Treibstoffs produziert. Bis 2015 soll sich die Menge beinahe verdoppeln. Stark forciert wird Bioethanol in den USA und Brasilien. Auch China will seine Abhängigkeit vom fossilen öl reduzieren, wobei dort die normale Anlagengröße bei 800.000 Tonnen liegt. Im Vergleich dazu ist die Agrana-Produktion mit 250.000 Tonnen nur relativ groß. Hannes Swoboda, EU-Abgeordneter der SPö, sieht den Einfluss von Bioethanol auf den Getreidepreis als »Tropfen auf den heißen Stein«. Der eigentliche Preisschub komme aus dem Mehrbedarf an Lebensmitteln, den der steigende Wohlstand in Schwellenländern mit sich bringe, so Swoboda. Dennoch sieht er in »Bioethanol keine Zukunftstechnologie«, diese sei »derzeit nicht geeignet, um in großem Ausmaß Biotriebstoffe zu erzeugen«. Für den Energiebeauftragten des Kanzlers Andreas Wabl ist es »absurd, mit viel Düngereinsatz überschüsse zu produzieren, die dann verspritet werden«. Es sei dringend notwendig, sich den gesamten Produktionsprozess anzuschauen, rät er. Marihart hat genau das getan. Seine ökobilanz für Pischelsdorf sieht wie folgt aus: Um 400.000 Tonnen CO2 durch Ethanol einzusparen, erfordert die Produktion desselben 180.000 Tonnen CO2. Inklusive aller vorgelagerten Prozesse, also auch dem Transport und der Ernte, komme man etwa auf das Verhältnis 1:2, so Marihart. Einen Vorteil hat Bioethanol trotzdem: Es wird ab Oktober von der Mineralölsteuer befreit. Der Nachteil ist, dass in österreich kaum jemand freiwillig danach verlangt. Daran ändert auch die Mitte Juli präsentierte »Initiative Superethanol« vorerst wenig. Sie hat das erklärte Ziel, bis 2010 mindestens 50.000 Superethanol-taugliche Fahrzeuge - sogenannte Flexi Fuel Vehicles (FFVs), die mit fast reinem Bioethanol (E85) laufen - auf die Straßen zu bringen. RWA und OMV gelobten einen raschen Ausbau des Tankstellennetzes. Zuletzt kamen Meldungen, dass dieses Vorhaben sich deutlich verzögert.

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