Menu
A+ A A-

Wetten auf Wettbewerb

Reinhard Haas, Professor am Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der TU Wien, ist ein umsichtiger Redner. Niemals würde er Anwesende an den Pranger stellen. Wohl deshalb wählte er für seinen Kurzvortrag zum Thema »Energiewirtschaft privat oder Staat« Beispiele aus Deutschland. Dort fuhren die Stromriesen RWE und E.ON 2005 insgesamt elf Milliarden Euro Gewinn ein, was Wirtschaft und Haushalte gleichsam erbost - sie zahlen schließlich die Zeche. österreich ist viel kleiner und die Strompreise hierzulande sind im Vergleich zu Deutschland moderat. Dennoch weisen auch die Bilanzen der E-Versorger stets steigende Gewinne aus - Unschuld sieht also anders aus. Jeder Eingeweihte weiß um die vielen Millionen, welche die Stromwirtschaft eingesackt hat, etwa für CO2-Zertifikate, die sie gratis zugeteilt bekommen hat. In Deutschland betrugen die sogenannten Windfall-Profits 2005 satte vier Milliarden Euro. Auch kann jeder halbwegs vernünftige Bürger die Potenz der Wasserkraft ermessen, die sich so richtig dann offenbart, wenn Gas und öl teuer sind. Der Rohenergiepreis treibt den Strompreis, die Wasserkraft bleibt davon weitgehend unberührt und profitiert von den gestiegenen Großhandelspreisen. »Von hohen Gewinnen in der E-Wirtschaft müssen alle Menschen etwas haben, nicht nur wenige Aktionäre«, forderte Agnes Streissler, Leiterin der AK-Abteilung Wirtschaftspolitik. Sie ist gegen weitere Privatisierung der Energiesparte. »Wenn die Energieunternehmen schon Monopolisten sind, dann lassen wir doch die öffentliche Hand daran beteiligt sein: So können die hohen Gewinne über Staatsausgaben an die Allgemeinheit umverteilt werden«, fordert Streissler. OMV-Chef und Mitdiskutant Wolfgang Ruttensdorfer sieht in dieser Forderung eine »Kapitulation und ein Modell aus früherer Zeit«. Eine effiziente Marktregulierung sollte auch dann möglich sein wenn Private Mehrheiten halten. Dem stimmt Reinhold Mitterlehner, Generalsekretär der Wirtschaftskammer österreich, zu. Er lässt keinen Zweifel daran, dass die Bilanz nach fünf Jahren Liberalisierung für die Industrie wenig erfreulich ist. »Wir haben eine kartellähnliche Situation, die Problematik ist national nicht lösbar«, meint er und wünscht sich eine »Nachschärfung der Richtlinien auf EU-Ebene«. Sein Rezept: »Deregulierung für mehr Wettbewerb«. Die Liberalisierung sei in österreich missglückt, weil die Gesetzgeber zugleich auch Eigentümer von Energieversorgern sind.

Weil für ihn Gewinne nicht per se böse sind, bringt Mitterlehner eine neue Idee in den Diskurs: »Ein Kodex für Gewinnverwendung wäre eine Idee«, glaubt er. Werden Gewinne in neue Kraftwerke gesteckt, sei das okay, weil damit ja mehr Energie verfügbar werde, was den Preis niedrig halte. Eher wenig Verständnis hat Mitterlehner dafür, dass EVU ihr Geld in Wasser- und Abwasserprojekte pumpen. Insgesamt glaubt er jedoch daran, dass weitere Privatisierungen eine Belebung des Marktes und sinkende Preise bringen könnten.

Dass Wettbewerb auch funktionieren kann, wenn die am Markt tätigen Unternehmen mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, belegt für Haas das Beispiel Norwegen. »Das zeigt, dass öffentliche Unternehmen effizient wirtschaften und kein Unterschied zu Privaten besteht«, glaubt er.

Als »Unsinn« bezeichnet der im Publikum anwesende Johannes Sereinig die gänzliche Ablehnung von Privatisierung. »Wir sind ein sehr kleines Land mit sehr kleinen Unternehmen«, gibt er zu bedenken. Sereinig glaubt, dass die Art der Regulierung letztlich entscheidet, ob ein Markt funktioniert oder nicht. Bekanntlich wird derzeit in Brüssel das totale Unbundling, also die eigentumsrechtliche Trennung zwischen Netzbetreiber und Energieerzeuger, überlegt. Das würde die heimischen EVU hart treffen, wo sie laut E-Control doch schon die gesellschaftsrechtliche Trennung nur partiell umgesetzt haben. Der Verbund hat diese Chance längst gewittert und bittet schon ziemlich offen zum Verhandlungstisch. Das sei gescheiter als die österreichische Stromlösung, schickte Verbund-Chef Hans Haider kürzlich einen Gruß aus Italien, wo er gerade ein Kraftwerk eröffnete. Was die Gewinne der OMV selbst betrifft, hat Ruttensdorfer ein reines Gewissen. Von den 700 Millionen, die 2005 nach Steuern blieben, wurden zwanzig Prozent an die Aktionäre ausgeschüttet, der Rest investiert. In Raffinerien, in Pipelines und in die Förderung von neuem öl - kurzum, um die Versorgung zu sichern. Was den ölpreis der Zukunft betrifft, ist Ruttensdorfer zuversichtlich. Derzeit seien 360 große Entwicklungsprojekte im Laufen. Die Förderung werde von 85 Millionen Fass pro Tag auf hundert Millionen gesteigert. »In vier Jahren haben wir deutliche Reservekapazität, da der Verbrauch nicht so drastisch steigt«, glaubt er. »Reiner Zweckoptimismus, weil sie Angst haben vor einem Nachfragerückgang«, kontert Mitterlehner launisch.

More in this category: « Definitive Option Nach dem Monopol »
back to top